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3
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G OETHE- BRE VIER
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©oelHc - ßrcvier
Goethes Leben in seinen Gedichten
herausgegeben
von
Otto Erich Hartleben
ycry-i-^i.^/- \ /x .\. ^,^'^ \* Xax-\ n^x
Fünftes und sechstes Tausend
Mönchen 1906
Karl Schiller Maximilianstrasse 2
?3r
Vorwort zur ersten Auflage.
Uie Philister — und es gibt deren in
Deutschland — verdrehen je nach dem Grade
ihrer Bildung sanfter oder heftiger die Augen,
sobald die Rede auf Goethesche Lyrik kommt,
und viele von ihnen können den Erlkönig
auswendig. Für einen lebenden deutschen
Dichter dagegen — und es gibt auch deren
jetzt in Deutschland — haben sie nur je
nach dem Grade ihrer Begabung schlechtere
oder bessere Witze.
Mit einem ebenso wunderlichen wie kost-
baren Selbstbewusstsein spielen sie ihren Goethe
wie einen Trumpf aus — gegen den modernen
Poeten. Was willst du armer Teufel geben 1
Goethe! Ja Goethe! Es klingt wie Flöten-
ton von ihrem Munde.
Ich bin seit meiner frühen Jugend in dem
Reichthum der Goetheschen Lyrik heimisch
und wohl vertraut mit allen Reizen dieser
VIII
Verse-Welt ; und so kam es, dass ich meistens
seufzend still schwieg, wenn mir in solcher
Weise der Meister auf den Tisch gespielt
wurde. Denn ich dachte in meiner an-
muthigen Bescheidenheit: dieser ältere Herr,
der dich also anlasset, hat womöglich eine
noch gründlichere und intimere Kenntnis von
Goethes Lyrik als du, und da kannst du
es ihm nicht verdenken, wenn er so leicht
nichts anderes gelten lassen mag.
Da konnte es mir nun aber passiren, dass
ich — wenn ich mir etwa doch ein Herz fasste
und einem solchen Goethereifen durch Citate
zu belegen suchte, wie realistisch in meinem
Sinne, das heisst wie wonnig individuell dieser
classische Lyriker gewesen sei — dass ich
da fand : er kannte sie gar nicht, diese Lyrik ;
er kannte von allem das Eine nicht, ihre
wundervollste, ihre vornehmste Eigenschaft —
er wusste nicht, wie nothwendig, wie unmittel-
bar erlebt diese Verse waren.
Im besten Falle waren ihm eine Anzahl
von isolirten »schönen« Gedichten in der
Erinnerung, sei es, dass er sie auf der Schule
einst zu fest gelernt hatte, sei es, dass seine
Töchter sie unentwegt zum Claviere sangen
— aber von dem organischen Zusammenhange
dieser Dichtungen, von dem Leben in Versen,
das darin aufgezeichnet steht, davon hatte er
IX
keine Ahnung, und gerade die naiv-herrlichsten
Ergüsse des jungen Dichters, Verse wie:
»Denn dein Herz hat viel und gross Begehr,
Was wohl in der Welt fttr Freude war.
Allen Sonnenschein und alle Bäume,
Alles Meergestad und alle Träume
In dein Herz zu fassen miteinander . . .<
die waren ihm einfach unbekannt. —
Und so merkte ich denn mit der Zeit,
dass der grosse Ruhm, dessen sich der Lyriker
Goethe bei den gemüthvollen Deutschen zu
erfreuen hat, nichts anderes ist, als eine fable
convenue.
Es klingt zwar ungeheuerlich, wenn man
bedenkt, in welch ungezählten Exemplaren
»Goethes sämmtliche Werke« seit nun bald
vier Generationen von den Familien ange-
schafft worden sind und noch immer ange-
schafft werden — aber dennoch ist es buch-
stäblich wahr: das deutsche Publicum kennt
Goethes Lyrik nicht.
Woran liegt dass?
Nun, natürlich, am deutschen Publicum. Es
wird eben immer das »liebe« bleiben.
Gewiss. — Aber nur an ihm? Sollte es
nicht vielleicht auch ein wenig an — »Goethes
sämtlichen Werken« liegen? —
Mir fiel da ein, wie oft ich selbst vor
Zeiten den ersten oder zweiten Band der
» I
G OE THE- BRE VIER
XIV
schicklichst weiter betrieben und durch die
Ausgabe letzter Hand entgiltig sanctionirt.
Es wird einem schon ganz kalt, wenn
man nur die Titel der einzelnen Abtheilungen
recht auf sich wirken lässt: »Antiker Form
sich nähernd« — »Parabolisch« — »In-
schriften, Denk- und Sendeblätter« . . .
Eines der frischesten kleinen Lieder an
Friederike ist gewiss das :
»Jetzt fühlt der Engel, was ich fühle,
Ihr Herz gewann ich mir beim Spiele —
Und sie ist nun von Herzen meini
Du gabst mir, Schicksal, diese Freude:
Nun lass auch morgen sein wie heute
Und lehr mich ihrer wUrdig sein I
Und wo findet man das? — Im sechsten
Bande der sämmtlichen Werke unter dem
fürchterlichen Rubrum:
»Alles
an Personen und zu festlichen Gelegenheiten
Gedichtete enthaltend.«
Und zwar steht es da mitten unter dem aller-
ödesten Wortgeklapper.
Die für unser modernes Empfinden einzig
mögliche Anordnung der Goetheschen Lyrik
ist die chronologische. Die Herren Philo-
logen haben soviel aufopfernden Fleiss darauf
verwendet, die Daten der einzelnen Gedichte
zu eruiren, dass eine solche Anordnung heute
XV
bereits wohl möglich ist. Man könnte sich
nun wundern, dass die Herren nach allen ihren
sauren Vorarbeiten nicht selber darauf ge-
kommen sind, eine solche chronologisch ge-
ordnete Ausgabe zu veranstalten: aber, du
lieber Gott! — : worauf kommen Philologen
alles nichtl —
Als ich in diesem Frühjahr die Festtage
der Goethe-Gesellschaft in Weimar mitfeierte,
war ich — in dem zarten Alter von dreissig
Jahren stehend — der jüngste unter den
Jubelnden — die erdrückende Majorität der
Theilnehmer bewegte sich zierlich um die
Wende des sechzigsten Lebensjahres.
Diese Greisenhaftigkeit in der heutigen
Goethe- Verehrung ist ein recht bedenkliches
und trauriges Zeichen: und da ich Johann
Wolfgang Goethe von ganzem Herzen liebe,
fasste ich den Entschluss, nach meinen
Kräften etwas dafür zu thun, dass er für
meine Generation lebendig bliebe.
Und ich kam zu der Ueberzeugung, dass
mehr als zwanzig gelehrte Goethe-Jahrbücher,
voll des spitzigsten Scharfsinns, eine einzige
Ausgabe der Gedichte leisten könne, die dem
naiven GeniesssenwoUen ohne Prätensionen ent-
gegenkommt.
Für solch ein Buch gab es nur eine Richt-
schnur: den eigenen Geschmack. Ich musste
XVI
ein Buch schaffen — ganz für mich: je will-
kürlicher und individueller, desto besser — :
desto frischer wird es wirken!
Ich möchte nicht aus der Schule plaudern,
aber ich weiss es nur zu gut — : auch unter
meinen Freunden, auch unter Euch, meine
Lieben, ist so mancher, für den dieses Buch
den Reiz der Neuheit haben dürfte — und
icfi hege die stille, süsse Hoffnung, dass ge-
rade jetzt, wo der Grössenwahn des Natura-
lismus in so erfreulichem Abdampfen begriffen
ist, Euch dieses schlichte Goethe-Brevier eine
liebe und erfrischende Gabe sein wird.
Denn nichts anderem als dem Genuss —
dem lebendigen Genuss ewig herrlicher Verse
— soll dieses Buch dienen. Und das wird
es: denn es gibt klarer und plastischer, als
ich selber es vorher ahnte, ein tagebuchartiges
Bild von dem Leben eines grossen Dichters,
von dem Wesen einer grossen Persönlichkeit!
Zürich^ Auglist i8g4»
Vorwort zur zweiten Auflage.
ochon im September vorigen Jahres sollte
dieses neue Goethe-Brevier erscheinen —
nun ist es wieder Hochsommer geworden, bis
es endlich heraus kommt. Doch meine Freunde
werden mir diese Verzögerung verzeihen, denn
sie wissen, was für ein fürchterlicher Winter
hinter mir liegt. Lange genug habe ich daran
gezweifelt, dass ich wieder lebensfähig werden
würde, und erst als der Frühling wirklich und
wahrhaftig doch noch einmal ins Land ge-
zogen kam und mir der Bodensee zu treu-
herziger Bestätigung lebendige Blüthenbäume
widerspiegelte, dürft ich nach und nach daran
glauben, dass ich noch weiter mitmachen solle.
Im Frtthling ward die Welt
verneut und wieder bracht —
Drum sagst du recht, dass sie
im Frtthling ist gemacht.
XVIII
Was kann ich nun wohl den Freunden
Schöneres als erstes Zeichen vom neuge-
schenkten Leben geben als diese Bearbeitung
meines Goethe-Breviers I
Die letzte Zeit hat ja auch Goethe selbst
seine schweren Schicksale durchmachen müssen.
Es geht zu Herzen, wenn man blos überdenkt,
was er alles für Freunde gewonnen hat!
Von dem lehrhaft thätigen Manne, der mitten
im lebendigen Ideenkampfe der Zeit steht,
bis zu den conditorblütigen Tändelböckchen
und den feierlich schlappen Zierdichtern haben
sie alle seinen Namen auf ihrer Fahnen und
Fähnlein geschrieben.
Aber das ist ganz lustig so und kann uns
recht sein. Alles Possierliche beim Menschen
sollte man als arterhaltend mit besondrer
Liebe pflegen. Solcherlei Weltbegebenheiten
und ihre Betrachtung würden mich jedoch
kaum veranlasst haben, ein neues Goethe-
Brevier herauszugeben. Hierzu brachte mich
einerseits das Drängen meines Verlegers,
der schon seit Langem eine Neuauflage des
vielbegehrten, vergriffenen Buches veranstalten
wollte, und andrerseits — und das war die
Hauptsache, dass mir selber mein altes Brevier
nicht mehr genügte. Was fehlte mir da nicht
Alles, was ich im Laufe dieser letzten schönen
Entwicklungsjahre verstehen und lieben gelernt
hatte.
XIX
Freund, so du etwas bist,
so bleib doch ja nicht stehn —
man muss aus einem Licht
fort in das andre gehn.
In unserem Ringen nach einer einheitlichen
Weltanschauung, die uns die alte von Jen-
seits, Tod und Teufel ersetzen könnte, ist uns der
alternde und alte, der Goethe des neunzehnten
Jahrhunderts ein mächtiger Bundesgenosse. Er
hat es im Innersten erlebt, dass wir zu unsrer
Not und Lust durch die hohle Gasse der exacten
Naturwissenschaft hindurchmüssen, wenn wir
zu jener uns im Herzen verhiessenen, uns erst
erfüllenden »Tagesansicht« gelangen wollen
— es führt kein andrer Weg nach Küssnacht.
Und wir möchten doch alle nach Küssnacht.
Jede Bereicherung unseres Wissens von der
Natur — ein tieferes Eindringen in das Wesen
Gottes, jeder neue Beleg des Psychischen durch
eine physische Parallele — ein weiterer Aus-
blick auf die Allbeseeltheit der Materie :
nur so konnte Goethe »materialistisch« denken,
und dass es Menschen geben könne, die
dieser Weg zur Trostlosigkeit, zum Pessimismus
zu führen im Stande sei, hat er wohl lächelnd
nie geglaubt.
Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen,
Als dass sich Gott-Natur ihm offenbare —
<
Wie sie das Feste lässt zu Geist verrinnen,
Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre.
XX
Dieser Goethe des neunzehnten Jahrhun-
derts, der mächtige Bundesgenosse unserer
ernstesten Stunden — fehlte zwar auch im
alten Brevier nicht ganz, trat aber nicht so
hervor, wie er mir heute Noth thut.
Oder um es Berlinerisch zu sagen —
es sind eben doch gute sieben Jahre ber^
dass ich die damalige Auswahl traf — und
zwar sieben nicht gerade magere Jahre. In
einer sehr netten Tragödie von Oscar Blumen-
thal — den TiteJ hab ich leider vergessen —
kommt ein Cactus vor, der alle sieben Jahre
einmal blüht und derAfricareisende, der ihn mit-
gebracht hat, setzt dem Publikum auseinander,
dass auch der Mensch alle sieben Jahre — eigent-
lich eine ganz neue Pflanze vorstelle, schon
rein physisch sei keine Zelle auf der anderen
geblieben. Ich erinnere mich, dass ich diese
Symbolik schon damals recht ergreifend fand
und möchte sie heute bescheidentlich auf
mich anwenden. Mao ist eben, genau besehn,
gar nicht mehr der alte Cactus. —
Ich hoffe, dass meinen Freunden in diesem
neuen Buche nicht mehr allzuviel fehlen wird.
Ich habe die verschiedenartigsten Wünsche,
soweit ich sie nachfühlen konnte, berücksichtigt.
Fallen gelassen ist keins der Gedichte der
ersten Ausgabe, es sind nur erheblich viele
neu eingereiht. Und noch ein Wunsch ordnungs-
liebender Seelen ist erfüllet worden: ein alpha-
XXI
betisches Register aller Versanfange und
sämmtlicher Titel ist hinzugekommen.
Aber nicht blos bereichert, sondern, wie
ich denke, auch verbessert ist das neue
Goethe-Brevier. Falsche Daten sind berichtigt
und die Lesarten gründlich nachgesehen
worden. Die älteren Fassungen sind vielfach
bevorzugt — jedoch ohne dass sie rigoros
eingeführt wären. Auch darin hab ich mich
lediglich vom eigenen Geschmack leiten
lassen. Wohl aber habe ich dabei einen
sehr werthvoUen Mitarbeiter gehabt, einen
Mann der zünftigsten Wissenschaft, den Zwang*
losen, Otto Pniower Dr. phil., den das Brevier
bei seinem Erst-Erscheinen noch jüngst sein
Wesen witzig sah verneinen — einen Goethe-
Gelehrten von intangibler Akribie. Ihm sage
ich hiermit für seine viele Mühe und grosse
Liebenswürdigkeit meinen herzlichen Dank.
Rom 28. Juli 1901.
Otto Erich Hartleben
Vorbemerkung zur dritten Auflage.
Die vorliegende Auflage dieses Buches
— fünftes und sechstes Tausend — wurde
nach dem vorzeitigen Tode Hartlebens getreu
nach der von ihm noch redigirten zweiten
Auflage von 1901 im Auftrage des Herrn
Verlegers von dem Unterzeichneten besorgt.
München, im Herbst 1905.
Georg Muschner.
Brief an Cornelie, Leipzig, 75. Mai i^Cj,
An meine Mutter.
Ubgleich kein Gruss, obgleich kein Brief
von mir
So lang dir kommt, lass keinen Zweifel doch
Ins Herz, als war die Zärtlichkeit des Sohns,
Die ich dir schuldig bin, aus meiner Brust
Entwichen. — Nein, so wenig als der Fels,
Der tief im Fluss vor ewgem Anker liegt.
Aus seiner Stätte weicht, obgleich die Fluth
Mit stürmschen Wellen bald, mit sanften bald
Darüber fliesst und ihn dem Aug entreisst —
So wenig weicht die Zärtlichkeit fiir dich
Aus meiner Brust, obgleich des Lebens Strom,
Vom Schmerz gepeitscht, bald stürmend
drüber fliesst
Und, von der Freude bald gestreichelt, still
Sie deckt und sie verhindert, dass sie nicht
Ihr Haupt der Sonne zeigt und ringsumher
Zurückgeworfne Strahlen trägt und dir
Bei jedem Blicke zeigt, wie dich dein Sohn
verehrt.
Hiirtlebeii, Goethti-Brevier
Käthchen Schönkopf. — Leipzigs Frühjahr 1767.
An den Schlaf.
Uer du mit deinem Mohne
Der Götter Augen zwingst
Und Bettler oft zum Throne
Zum Mädchen Schäfer bringst,
Hör mich, kein Traumgespinste
Verlang ich heut von dir,
Den grössten deiner Dienste,
Geliebter, leiste mir.
An meines Mädchens Seite
Sitz ich, ihr Aug spricht Lust.
Und unter neidscher Seide
Steigt fühlbar ihre Brust;
Oft wären sie zu küssen
Die giergen Lippen nah,
Doch ach, dies muss ich missen,
Es sitzt die Mutter da.
Heut Abend bin ich wieder
Bei ihr, o tritt herein !
Sprüh Mohn von dem Gefieder,
Da schlaf die Mutter ein;
Blass werd der Lichter Scheinen,
Von Lieb mein Mädchen warm.
Sink wie Mama in deinen,
Ganz still in meinen Arm.
Leipzig^ 17^7
Das Schreien.
Nach dem Italienischen.
ilinst ging ich meinem Mädchen nach
Tief in den Wald hinein
Und fiel ihr um den Hals, und »Ach!
Droht sie, »ich werde schrein.«
Da rief ich trotzig: »Ha! Ich will
Den tödten, der uns stört!« —
»Still«, lispelt sie, »Geliebter, still,
Dass ja dich niemand hört!«
Brief an Behrisch^ Leipzig^ Oktober l'jö'j.
Hochzeitslied.
An meinen Freund.
Im Schlafgemach, entfernt vom Feste,
Sitzt Amor dir getreu und bebt,
Dass nicht die List muthwillger Gäste
Des Brautbetts Frieden untergräbt.
Es blinkt mit mystisch heiigem Schimmer
Vor ihm der Flammen blasses Gold;
Ein Weihrauchswirbel füllt das Zimmer,
Dr.mit ihr recht gemessen sollt.
Wie schlägt dein Herz beim Schlag der Stunde,
Der deiner Gäste Lärm verjagt!
Wie glühst du nach dem schönen Munde,
Der bald verstummt und nichts versagt 1
Du eilst, um alles zu vollenden,
Mit ihr ins Heiligthum hinein;
Das Feuer in des Wächters Händen
Wird wie ein Nachtlicht still und klein.
Wie bebt von deiner Küsse Menge
Ihr Busen und ihr voll Gesicht!
Zum Zittern wird nun ihre Strenge :
Denn deine Kühnheit wird zur Pflicht.
Schnell hilft ihr Amor sich entkleiden
Und ist nicht halb so schnell als du —
Dann hält er schalkhaft und bescheiden
Sich fest die beiden Augen zu.
Leipzigs Mai 1^68.
Die Nacht.
Ijern verlass ich diese Hütte,
Meiner Liebsten Aufenthalt,
Wandle mit verhülltem Tritte
Durch den ausgestorbnen Wald:
Luna bricht die Nacht der Eichen,
Zephyrs melden ihren Lauf,
Und die Birken streun mit Neigen
Ihr den süssten Weihrauch auf.
Schauer, der das Herze fühlen,
Der die Seele schmelzen macht,
Flüstert durchs Gebüsch im Kühlen
Welche schöne, süsse Nacht !
Freude! Wollust 1 Kaum zu fassen!
Und doch wollt ich, Himmel, dir
Tausend solcher Nächte lassen,
Gab mein Mädchen Eine mir!
I^ipzt'gi Somtner 1768,
Das Glück,
An Käthchen Schönkopf.
JJu hast uns oft im Traum gesehen
Zusammen zum Altare gehen,
Und dich als Frau und mich als Mann.
Oft nahm ich wachend deinem Munde
In einer unbewachten Stunde,
So viel man Küsse nehmen kann.
Das reinste Glück, das wir empfunden.
Die Wollust mancher reichen Stunden
Floh wie die Zeit mit dem Genuss.
Was hilft es mir, dass ich geniesse?
Wie Träume fliehn die wärmsten Küsse,
Und alle Freude wie ein Kuss.
Leipzigs Spätsommer iy68.
Unbeständigkeit
Im spielenden Bache da lieg ich wie helle!
Verbreite die Arme der kommenden Welle,
Und buhlerisch drückt sie die sehnende Brust;
Dann trägt sie ihr Leichtsinn im Strome da-
nieder,
Schon naht sich die zweite und streichelt mich
wieder :
Da fühl ich die Freuden der wechselnden
Lust.
O Jüngling sei weise, verwein nicht vergebens
Die fröhlichsten Stunden des traurigen Lebens,
Wenn flatterhaft je dich ein Mädchen vergisst!
Geh, ruf sie zurücke, die vorigen Zeiten!
Es küsst sich so süsse der Busen der zweiten.
Als kaum sich der Busen der ersten geküsst.
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■.'•>'{ r'i) I ':, ■/ W ,\; i> . .' i
An Friederike Oeser
An Friederike Oeser.
Franltfurt, am 6. November 1768.
Mamsell!
So launisch wie ein Kind, das
zahnt,
Bald schüchtern wie ein Kaufmann, den man
mahnt,
Bald still wie ein Hypochondrist
Und sittig wie ein Mennonist
Und folgsam wie ein gutes Lamm,
Bald lustig wie ein Bräutigam,
Leb ich und bin halb krank und halb ge-
sund,
Am ganzen Leibe wohl, nur in dem Halse
wund,
Sehr missvergnügt, dass meine Lunge
Nicht so viel Atem reicht, als meine Zunge
Zu manchen Zeiten braucht, wenn sie mit
Stolz erzählt.
Was ich bei euch gehabt, und was mir jetzt
hier fehlt.
Da sucht man nun mit Macht mir neues
Leben
Und neuen Muth und neue Kraft zu geben ;
8
nach der Rückkehr aus Leipzig.
Darum reichet mir mein Doctor Medicinae
Extracle aus der Cortex Chinae,
Die junger Herrn erschlaflfte Nerven
An Augen, Fuss und Hand
Aufs Neue stärken, den Verstand
Und das Gedächtniss schärfen.
Besonders ist er drauf bedacht,
Durch Ordnung wieder einzubringen,
Was Unordnung so schlimm gemacht,
Und heisst mich meinen Willen zwingen.
«
»Bei Tag und sonderlich bei Nacht
Nur an nichts Reizendes gedacht!«
Welch ein Befehl für einen Zeichnergeist,
Den jeder Reiz bis zum Entzücken reisst!
Des Bouchers Mädchen nimmt er mir
Aus meiner Stube, hängt dafür
Mir eine abgelebte Frau
Mit riefigem Gesicht, mit halbzerbrochnem
Zahne,
Vom fleissig kalten Gerhard Dow
An meine Wand; langweilige Tisane
Setzt er mir statt des Weins dazu.
O, sage du!
Kann man was Traurigers erfahren :
Am Körper alt und jung an Jahren,
Halb siech und halb gesund zu sein?
An Friederike Oeser
Das giebt so melancholsche Laune.
Und ihre Pein
Würd ich nicht los, und hätt ich sechs Al-
raune.
Was nützte mir der ganzen Erde Geld?
Kein kranker Mensch geniesst die Welt.
Und dennoch wollt ich gar nicht klagen,
(Denn ich bin schon im Leiden sehr geübt),
Hätt ich nur das, was uns die Plagen,
Die Last der Krankheit zu ertragen.
Mehr Kraft als selbst die Tugend giebt:
Verkürzung grauer Regenstunden,
Balsamsches Pflaster aller Wunden,
Gesellschaftsgeister, die man liebt!
Zwar hab ich hier an meiner Seite
Beständig rechte gute Leute,
Die mit mir leiden, wenn ich leide.
Sie sorgen mir für manche Freude,
Es fehlt mir nur an mir, um recht beglückt
zu sein ;
Und dennoch kenn ich niemand, der die Pein
Des Schmerzens so behende stillt, die Ruh
Mit einem Blick der Seele schenkt wie du.
Ich kam zu dir, ein Todter aus dem Grabe,
' Den bald ein zweiter Tod zum zweiten Mal
begräbt ;
10
nach der Rückkehr aus Leipzig,
Und wem er nur einmal recht nah ums Haupt
geschwebt,
Der bebt
Bei der Erinnerung gewiss, so lang er lebt.
Ich weiss, wie ich gezittert habe!
Doch machtest du mit deiner süssen Gabe
Ein Blumenbeet mir aus dem Grabe,
Erzähltest mir, wie schön, wie kummerfrei,
Wie gut, wie süss dein selig Leben sei.
Mit einem Ton von solcher Schmeichelei,
Dass ich, was mir das Elend jemals raubte.
Weil du's besass'st, selbst zu besitzen glaubte.
Zufrieden reist ich fort und, was noch mehr
ist, froh.
Und ganz war meine Reise so.
Ich kam hierher und fand das Frauenzimmer
Ein bisschen — ja, man sagts nicht gern —
wie immer;
G'nug, bis hierher hat keine mich gerührt.
Zwar sag ich nicht, was einst Herr Schübler
Von Hamburgs Schönen prädicirt,
Doch bin auch ich ein starker Grübler,
Seitdem ihr Mädchen mich verführt.
Die ich wohl schwerlich je vergesse.
Und da begreifst du wohl, dass jede leicht
verliert.
Die ich nach eurem Massstab messe.
Du lieber Gottl An Munterkeit ist hie,
11
An Friederike Oeser
An Einsicht und an Witz dir keine einzge
gleich,
Und deiner Stimme Harmonie,
Wie käme die heraus ins Reich!
So ein Gespräch, wie unsers war im Garten
Und in der Loge noch, mit diesem seltnen
Zug,
So aufgeweckt und doch so klug,
Ja, darauf kann ich warten !
Bin ich bei Mädchen launisch froh,
So sehn sie sittenricht'risch sträflich ;
Da heissts: der Herr ist wohl aus Bergamo?
Sie sagens nicht einmal so höflich.
Zeigt man Verstand, so ist auch das nicht
recht ;
Denn will sich einer nicht bequemen.
Des Grandisons ergebner Knecht
Zu sein und alles blindlings anzunehmen.
Was der Diktator spricht.
Den lacht man aus, den hört man nicht,
Wie seid ihr nicht so gut, so euch zu
bessern willig,
Auf eigne Fehler streng und gegen fremde
billig.
Und zum Gefallen ohnbemüht —
Ist niemand, den ihr nicht gewönnet!
12
nach der Rückkehr aus Leipzig,
Ah, man ist euer Freund, so wenig man euch
kennet,
Man liebt euch, eh man sichs versieht.
Mit einem Mädchen hier zu Lande
Ists aber ein langweilig Spiel:
Zur Freundschaft fehlt's ihr am Verstände,
Zur Liebe fehlt's ihr am Gefühl. —
Drauf ging ich ganz gewiss, hätt ich nicht
so viel Laune,
Brach ich mir nicht gar manche Lust vom
Zaune,
Lacht ich nicht da, wo keine Seele lacht,
Und dächt ich nicht, dass ihr schon oft an
mich gedacht.
Ja, denken müsst ihr oft an mich, das sage
Ich euch: besonders an dem Tage,
Wenn ihr auf eurem Landgut seid.
Dem Ort, der mir so manche Plage
Gemacht, dem Ort, der mich so sehr erfreut.
Doch du verstehst mich nicht; ich will es
dir erklären,
Ich weiss doch, du verzeihst es mir:
Die Lieder, die ich dir gegeben, die gehören
Als wahres Eigenthum dem schönen Ort und
dir.
13
An Friederike Oeser
Wenn mich mein böses Mädchen plagte,
Wenn der Verdruss mich aus den Mauern jagte,
War ich verwegen g*nug und wagte,
Dich aufzusuchen, eh es tagte.
Auf deinen Feldern, die du liebst.
Die du mir oft so schön beschriebst.
Da ging ich nun in deinem Paradiese,
In jedem Holz, auf jeder Wiese,
Am Fluss, am Bach, das hoffende Gesicht
Vom Morgenstrahl geschminkt, und sucht und
fand dich nicht.
Dann schlug ich, angereizt von launischem
Verdrusse,
Den armen Frosch am sonnbestrahlten Flusse ;
Dann jagt ich rings umher und fing
Bald einen Reim, bald einen Schmetterling,
Und mancher Reim und mancher Schmetter-
ling
Entging
Der ausgestreckten Hand, die mitten
In ihrem Haschen stille stand.
Wenn aus dem Wald von Stimmen oder Tritten
Den Schall mein lauschend Ohr empfand.
Am Tage sang ich diese Lieder,
Am Abend ging ich wieder heim,
14
nach der Rückkehr aus Leipzig,
Nahm meine Beder, schrieb sie nieder,
Den guten und den schlechten Reim.
O ft kehrt ich noch mit immer schlechterm
Glücke
Auf die fatale Flur zurücke,
Bis mir zuletzt das günstige Geschicke
Noch einen Tag, den ich nicht hoffte, gab.
Doch ich genoss sie kaum, die süssen letzten
Stunden,
Sie waren gar zu nah am Grab !
Ich sage nicht, was ich empfunden;
Denn mein prosaisches Gedicht
Stimmt dieses Mal sehr zur Empfindung
nicht. — —
Du hast die Lieder nun und zur Belohnung
Für alles, was ich für dich litt:
Besuchst du deine selge Wohnung,
So nimm sie mit !
Und sing sie manchmal an den Orten
Mit Lust, wo ich aus Schmerz sie sang ;
Dann denk an mich und sage: dorten
Am Flusse wartete er lang,
Der Arme, der so oft mit ungewognem Glücke
Die schönen Felder fühllos sah !
Kam er in diesem Augenblicke —
Eh nun: jetzt war ich da!
15
An Friederike Oeser.
Jetzt, dächt ich nun, wärs hohe Zeit zum
Schliessen ;
Denn wenn man so zwei Bogen Reime schreibt,
Da wollen sie zuletzt nicht fliessen.
Doch warte nur, wenn mich die Laune treibt,
Und deine Gunst mir sonst versichert bleibt,
So schreib ich dir noch manchen Brief wie
diesen.
Willst du mir die Geschwister grüssen,
So schliesse Richtern auch mit ein !
Leb wohl 1 Und wird das Glück dein Freund
beständig sein
Wie ich, so wirst du stets des schönsten
Glücks sreniessen.
ö'
Goethe,
4k
16
Frankfurt^ Frühjahr 176g,
liin zärtlich jugendlicher Kummer
Führt mich ins öde Feld; es liegt
In einem stillen Morgenschlummer
Die Mutter Erde. Rauschend wiegt
Ein kalter Wind die starren Aeste. Schauernd
Tönt er die Melodie zu meinem Lied voll
Schmerz,
Und die Natur ist still und trauernd —
Doch hoffnungsvoller als mein Herz.
Denn sieh: bald gaukelt dir, mit Rosen-
kränzen
In runder Hand, du Sonnengott, das Zwillings-
paar
Mit offnem blauen Aug, mit krausem goldnen
Haar
In deiner Laufbahn dir entgegen. Und zu
Tänzen
Auf neuen Wiesen schickt
Der Jüngling sich und schmückt
Den Hut mit Bändern, und das Mädchen
püückt
Hartleben, Goethe-Brevier
17 2
Frankfurt, Frühjahr 176g.
Die Veilchen aus dem jungen Gras, und
bückend sieht
Sie heimlich nach dem Busen, sieht mit
Seelenfreude
Entfalteter und reizender ihn heute,
Als er vorm Jahr am Maienfest geblüht —
Und fühlt und hofft.
Gott segne mir den Mann
In seinem Garten dort I Wie zeitig fängt er an
Ein lockres Bett dem Samen zu bereiten!
Kaum riss der März das Schneegewand
Dem Wintef von den hagern Seiten,
Der stürmend floh und hinter sich aufs Land
Den Nebelschleier warf, der Fluss und Au
Und Berg in kaltes Grau
Versteckt: da geht er ohne Säumen,
Die Seele voll von Emteträumen —
Und sät und hofft.
18
Friederike, — Strassburg, Herbst 1770,
r
Jetzt fühlt der Engel, was ich fühle I |
Ihr Herz gewann ich mir beim Spiele, j
Und sie ist nun von Herzen mein. \
i
!
Du gabst mir, Schicksal, diese Freude:
Nun lass auch Morgen sein wie Heute
Und lehr mich ihrer würdig sein !
19
Aus Friederike Brion's Liederheft. 1770,
i
Als ich in Saarbrück.
W o bist du itzt, mein unvergesslich Mädchen ?
Wo singst du itzt?
Wo lacht die Flur, wo triumphirt das Städtchen,
Das dich besitzt?
Seit du entfernt, will keine Sonne scheinen.
Und es vereint
Der Himmel sich, dir zärtlich nachzuweinen.
Mit deinem Freund.
All unsre Lust ist fort mit dir gezogen:
Still überall
In Stadt und Feld : dir nach ist sie geflogen,
Die Nachtigall.
O, komm zurück! Schon rufen Hirt imd
« Heerden
Dich bang herbei.
Komm bald zurück, sonst wird es Winter werden
Im Monat Mai!
20
Friederike. — Strassburg ijyo
Üb ich dich liebe, weiss ich nicht. —
Seh ich nur einmal dein Gesicht,
Seh dir ins Auge nur einmal.
Frei wird mein Herz von aller Qual:
Gott weiss, wie mir so wohl geschieht !
Ob ich dich liebe, weiss ich nicht.
21
Friederike. — Strassburgy 1770.
Ach, wie sehn ich mich nach dir,
Kleiner Engel! — Nur im Traum,
Nur im Traum erscheine mir! ;
Ob ich da gleich viel erleide,
Bang um dich mit Geistern streite 1
Und erwachend atme kaum — i
r
Ach, wie sehn ich mich nach dir,
Ach, wie teuer bist du mir
Selbst in einem schweren Traum!
22
Friederike. — Strasshtirg^ Dezember 1770,
Nach Sesenheim.
Ich komme bald, ihr goldnen Kinder I
Vergebens sperret uns der Winter
In unsre warmen Stuben ein.
Wir wollen uns zum Feuer setzen
Und tausendfältig uns ergetzen,
Uns lieben wie die Engelein.
Wir wollen kleine Kränzchen winden,
Wir wollen kleine Sträusschen binden -
Und wie die kleinen Kinder sein!
^
Friederike. — Strassburg, Anfang ITJI.
An die Schwestern Marie und
Friederike.
JNun sitzt der Ritter an dem Ort,
Den ihr ihm nanntet, liebe Kinder.
Sein Pferd ging ziemlich langsam fort
Und seine Seele nicht geschwinder.
Da sitz ich nun vergnügt bei Tisch
Und endige mein Abenteuer
Mit einem Paar gesottner Eier
Und einem Stück gebacknen Fisch.
Die Nacht war wahrlich ziemlich düster,
Mein Falber stolperte wie blind —
Und doch fand ich den Weg so gut, als ihn
der Küster
Des Sonntags früh zur Kirche findt.
24
Willkomm und Abschied.
Willkomm und Abschied.
ts schlug mein Herz, geschwind zu Pferde 1
Und fort, wild, wie ein Held zur Schlacht!
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgethürniter Riese, da.
Wo Finsterniss aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolken hügel
Schien schläfrig aus dem Duft hervor.
Die W^inde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr.
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch tausendfacher war mein Muth:
Mein Geist war ein verzehrend Feuer!
Mein ganzes Herz zerfloss in Gluth!
Ich sah dich, und die milde Freude
Floss aus dem süssen Blick auf mich:
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Athemzug für dich !
25
Friederike, — Strassburg, Anfang- 1771.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Lag auf dem lieblichen Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich — ihr Götter!
Ich hofft es — ich verdient es nicht.
Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe!
Aus deinen Blicken sprach dein Herz:
In deinen Küssen — welche Wonne 1
In deinem Auge — welcher Schmerz!
Du gingst, ich stand und sah zur Erden
Und sah dir nach mit nassem Blick —
Und doch — welch Glück, geliebt zu werden !
Und lieben — Götter! welch ein Glück!
26
Maifest,
Maifest.
Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüthen
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch,
Und Freud und Wonne
Aus jeder Brust —
O Erd, o Sonne!
O Glück, o Lust!
O Lieb, o Liebe !
So golden schön,
Wie Morgen wölken
Auf jenen Höhn!
Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blüthendampfe
Die volle Welt! —
27
Friederike, — Strassburg^ Mai 1771.
O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb ich dich!
Wie blinkt dein Auge !
Wie liebst du mich!
So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,
Wie ich dich liebe
Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud und Muth
Zu neuen Liedern
Und Tänzen giebst —
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!
28
Friederike, — Strassburg^ Frühling lyyi.
Mit einem gemalten Band.
Kleine Blumen, kleine Blätter
Streuen mir mit leichter Hand
Gute junge Frühlingsgötter
Tändelnd auf ein luftig Band.
Zephyr, nimms auf deine Flügel,
Schlings um meiner Liebsten Kleid
Und so tritt sie vor den Spiegel
All in ihrer Munterkeit!
Sieht mit Rosen sich umgeben,
Selbst wie eine Rose jung —
Einen Kuss, geliebtes Leben,
Und ich bin belohnt genungl —
Schicksal segne diese Triebe,
Lass mich ihr und lass sie mein:
Lass das Leben unsrer Liebe
Doch kein Rosenleben sein.
Mädchen, das wie ich empfindet,
Reich mir deine liebe Handl
Und das Band^ das uns verbindet,
Sei kein schwaches Rosenband !
29
Friederike, — 777/ an Herder gesandt.
Heidenröslein.
oah ein Knab ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell, es nah zu sehn,
Sahs mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.
Knabe sprach: tich breche dich
Röslein auf der Heiden Ic
Röslein sprach: »ich steche dich,
Dass du ewig denkst an mich,
Und ich wills nicht leiden.«
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.
Und der wilde Knabe brach
's Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihr doch kein Weh und Ach,
Musst es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.
80
Der Wandrer.
Der Wandrer.
Wandrer.
(jott segne dich, junge Frau,
Und den säugenden Knaben
An deiner Brust 1
Lass mich an der Felsenwand hier
In des Ubnbaums Schatten
Meine Bürde werfen,
Neben dir ausruhn,
Frau.
Welch Gewerbe treibt dich
Durch des Tages Hitze
Den staubigen Pfad her?
Bringst du Waaren aus der Stadt
Im Land herum? —
Lächelst, Fremdling,
Ueber meine Frage?
Wandrer.
Keine Waaren bring ich aus der Stadt.
Schwül ist, schwül der Abend :
Zeig mir den Brunnen,
Draus du trinkest,
Liebes junges Weib!
81
der Rdmerzeit^ in Resten von Basreliefs
Wandrer.
Glühend webst du
lieber deinem Grabe,
Genius 1 Ueber dir
Ist zusammengestürzt
Dein Meisterstück,
O du Unsterblicher!
Frau.
Wart, ich hole das Gefäss
Dir zum Trinken.
Wandrer.
Epheu hat deine schlanke
Götterbildung umkleidet.
Wie du emporstrebst
Aus dem Schutte,
Säulenpaar 1
Und du einsame Schwester dort, .
Wie ihr,
Düstres Moos auf dem heiligen Haupt,
Majestätisch trauernd herabschaut
Auf die zertrümmerten
Zu euren Füssen,
Eure ' Geschwister !
In des Brombeergesträuches Schatten
Deckt sie Schutt und Erde,
Und hohes Gras wankt drüber hin.
Schätzest du so, Natur,
Deines Meisterstückes Meisterstück?
34
und Inschriften^ Säulenknäufen und Schaf tent^
Unempfindlich zertrümmerst du
Dein Heiligthum?
Säest Disteln drein? —
Frau.
Wie der Knabe schläft ! —
Willst du in der Hütte ruhn,
Fremdling? Willst du hier
Lieber in dem Freien bleiben?
Es ist kühl! — Nimm den Knaben,
Dass ich Wasser schöpfen gehe, —
Schlafe, Lieber I schlaf 1
Wandrer.
Süss ist deine Ruh! —
Wie's, in himmlischer Gesundheit
Schwimmend, ruhig athmet!
Du, geboren über Resten
Heiliger Vergangenheit —
Ruh ihr Geist auf dir!
Welchen der umschwebt,
Wird in Götterselbstgefühl
Jedes Tags geniessen.
Voller Keim, blüh auf,
Lieblich dämmernden Frühlingstages
Herrlicher Schmuck,
Und leuchte vor deinen Gesellen!
Und welkt die BlüthenhüUe weg,
Dann steige aus (feinem Busen
35 3*
die Goethe auf der Rückkehr von Saarbrücken,
Die volle Frucht
Und reife der Sonn entgegen! — —
Frau.
Gesegnes Gottl — Und schläft er noch?
Ich habe nichts zum frischen Trunk
Als ein Stück Brod, das ich dir bieten kann.
Wandrer.
Ich danke dir. —
Wie herrlich alles blüht umher
Und grünt!
Frau.
Mein Mann wird bald
Nach Hause sein
Vom Feld. — O bleibe, bleibe, Mann!
Und iss mit ihm das Abendbrot !
Wandrer.
Ihr wohnet hier!
Frau.
Da, zwischen dem Gemäuer her.
Die Hütte baute noch mein Vater
Aus Ziegeln und des Schuttes Steinen.
Hier wohnen wir.
Er gab mich einem Ackersmann
Und starb in unsern Armen. —
36
Ende Juni 1770^ aus den Bauernhöfen
Hast du geschlafen, liebes Herz?
Wie er munter ist und spielen will!
Du Schelm !
Wandrer.
Natur! du ewig keimende,
Schaffst jeden zum Genuss des Lebens!
Hast deine Kinder alle mütterlich
Mit Erbteil ausgestattet — einer Hütte.
Hoch baut die Schwalb an das Gesims,
Unfühlend, welchen Zierrath
Sie verklebt;
Die Raup umspinnt den goldnen Zweig
Zum Winterhaus für ihre Brut;
Und du flickst zwischen der Vergangenheit
Erhabne Trümmer
Für deine Bedürfnisse
Eine Hütte, o Mensch:
Geniessest über Gräbern! —
Leb wohl, du glücklich Weib!
Frau.
Du willst nicht bleiben?
Wandrer.
Gott erhalt euch,
Segne euern Knaben!
Frau.
Glück auf den Weg!
37
in Niederbronn ygar wundersam entgegenleuchtetent ,
Wandrer.
Wohin führt mich der Pfad
Dort übern Berg?
Frau.
Nach Cuma.
Wandrer.
Wie weit ists hin?
Frau.
Drei Meilen gut.
Wandrer.
Leb wohl! —
O leite meinen Gang, Natur!
Den Fremdlings-Reisetritt,
Den über Gräber
Heiliger Vergangenheit
Ich wandle.
Leit ihn zum Schutzort,
Vorm Nord gedeckt,
Und wo dem Mittagsstrahl
Ein Pappelwäldchen wehrt.
Und kehr ich dann
Am Abend heim
Zur Hütte,
Vergoldet vom letzten Sonnenstrahl,
Lass mich empfangen solch ein Weib,
Den Knaben auf dem Arm!
38
Wanderers Sturmlied,
Wanderers Sturmlied.
Wen du nicht verlassest, Genius,
Nicht der Regen, nicht der Sturm
Haucht ihm Schauer übers Herz. ,
Wen du nicht verlassest, Genius,
Wird dem Regengewölk,
Wird dem Schlossensturm
Entgegensingen
Wie die Lerche,
Du da droben!
Wen du nicht verlassest, Genius,
Wirst ihn heben übern Schlammpfad
Mit den Feuerflügeln!
Wandeln wird er
Wie mit Blumenfüssen
Ueber Deukalions Fluthschlamm,
Python tödtend, leicht, gross,
Pythius Apollo.
Wen du nicht verlassest, Genius,
Wirst die woUnen Flügel unterspreiten.
Wenn erlauf dem Felsen schläft,
Wirst mit Hüterfittichen ihn decken
In des Haines Mitternacht.
d9
April iyy2 . — Auf einer Wanderung
Wen du nicht verlassest, Genius,
Wirst im Schneegestöber
Wärmumhüllen :
Nach der Wärme ziehn sich Musen,
Nach der Wärme Charitinnen.
Umschwebet mich, ihr Musen
Ihr Charitinnen I
Das ist Wasser, das ist Erde
Und der Sohn des Wassers und der Erde
Ueber den ich wandle
Göttergleich.
Ihr seid rein wie das Herz der Wasser,
Ihr seid rein wie das Mark der Erde,
Ihr umschwebt mich, und ich schwebe
Ueber Wasser, über Erde,
Göttergleich. — —
Soll der zurückkehren.
Der kleine, schwarze, feurige Bauer?
Soll der zurückkehren, erwartend
Nur deine Gaben, Vater Bromius,
Und hellleuchtend, umwärmend Feuer?
Der kehren muthig?
Und ich, den ihr begleitet,
Musen und Charitinnen alle,
Den alles erwartet, was ihr,
40
von Darmstadt nach Frankfurt.
Musen und Charitinnen,
Umkränzende Seligkeit
Rings ums Leben verherrlicht habt,
Soll muthlos kehren?
Vater Bromius !
Du bist Genius,
Jahrhunderts Genius,
Bist, was innre Gluth
Pindarn war,
Was der Welt
Phöbus Apoll ist.
Weh! Weh! Innre Wärme,
Seelenwärme,
Mittelpunkt!
Glüh entgegen
Phöb'-ApoUen !
Kalt wird sonst
Sein Fürstenblick
Ueber dich vorübergleiten.
Neidgetroffen
Auf der Ceder Kraft verweilen,
Die zu grünen
Sein nicht harrt. — —
Warum nennt mein Lied dich zuletzt?
Dich, von dem es begann,
Dich, in dem es endet,
41
Im Sturmweiter -% leidenschaftlich
Dich, aus dem es quillt,
Jupiter Pluvius 1
Dich, dich strömt mein Lied,
Und kastalischer Quell
Rinnt, ein Nebenbach,
Rinnet Müssigen,
Sterblich Glücklichen
Abseits von dir,
Der du mich fassend deckst,
Jupiter Pluvius!
Nicht am Ulmenbaum
Hast du ihn besucht.
Mit dem Taubenpaar
In dem zärtlichen Arm,
Mit der freundlichen Ros' umkränzt
Tändelnden ihn, blumenglücklichen
Anakreon,
Sturmathmende Gottheit !
Nicht im Pappelwald
An des Sybaris Strand,
An des Gebirgs
Sonnebeglänzter Stirn nicht
Fasstest du ihn
Den bienensingenden,
Honig lallenden.
Freundlich winkenden
Theokrit,
42
vor sich hingesungener Halbunsinn € .
Wenn die Räder rasselten,
Rad an Rad rasch ums Ziel weg,
Hoch flog
Siegdurchglühter
Jünglinge Peitschenknall,
Und sich Staub wälzt*,
Wie vom Gebirg herab
Kieselwetter ins Thal,
Glühte deine Seel Gefahren, Pindar
Mut! ~
Glühte! —
Armes Herz!
Dort auf dem Hügel —
Himmlische Macht,
Nur so viel Gluth —
Dort meine Hütte,
Dorthin zu waten!
43
Mahotnets Gesang.
Mahomets Gesang.
Oeht den Felsenquell,
Freude hell
Wie ein Steraenblick !
Ueber Wolken
Nährten seine Jugend
Gute Geister
Zwischen Klippen im Gebüsch.
Jünglingfrisch
Tanzt er aus der Wolke
Auf die Marmorfelsen nieder,
Jauchzet wieder
Nach dem Himmel.
Durch die Gipfelgänge
Jagt er bunten Kieseln nach,
Und mit festem Führertritt
Reisst er seine Brüderquellen
Mit sich fort.
Drunten werden in dem Thal
Unter seinem Fusstritt Blumen,
Und die Wiese
Lebt von seinem Hauch.
44
Frankfurt^ Spätherbst 1772,
Doch ihn hält kein Schattenthal,
Keine Blumen,
Die ihm seine Knie umschlingen,
Ihm mit Liebesaugen schmeicheln — '-
Nach der Ebene dringt sein Lauf
Schlangenwandelnd.
Bäche schmiegen
Sich gesellig an. Nun tritt er
In die Ebne silberprangend,
Und die Ebne prangt mit ihm,
Und die Flüsse von der Ebne,
Und die Bäche von den Bergen
Jauchzen ihm und rufen: »Bruder I
Bruder, nimm die Brüder mit.
Mit zu deinem alten Vater,
Zu dem ewgen Ocean,
Der mit ausgespannten Armen
Unser wartet,
Die sich, ach! vergebens öffnen,
Seine Sehnenden zu fassen:
Denn uns frisst in öder Wüste
Gierger Sand: die Sonne droben
Saugt an unserm Blut: ein Hügel
Hemmet uns zum Teiche I — Bruder 1
Nimm die Brüder von der Ebne,
Nimm die Brüder von den Bergen
Mit, zu deinem Vater mit!«
45
Ursprünglich ein dithyrambischer Zwiegesang.
»Kommt ihr allel« —
Und nun schwillt er
Herrlicher: ein ganz Geschlechte
Trägt den Fürsten hoch empor!
Und im rollenden Triumphe
Giebt er Ländern Namen: Städte
Werden unter seinem Fuss.
Unaufhaltsam rauscht er weiter,
Lässt der Thürme Flammengipfel,
Marmorhäuser, eine Schöpfung
Seiner Fülle, hinter sich.
Cedernhäuser trägt der Atlas
Auf den Riesenschultem : sausend
Wehen über seinem Haupte
Tausend Segel auf zum Himmel,
Zeugen seiner Herrlichkeit.
Und so trägt er seine Brüder,
Seine Schätze, seine Kinder
Dem erwartenden Erzeuger
Freudebrausend an das Herz!
46
Künstlers Morgenlied,
m
Künstlers Morgenlied.
Ich hab euch einen Tempel baut,
Ihr hohen Musen all,
Und hier in meinem Herzen ist
Das Allerheiligste.
Wenn morgens mich die Sonne weckt,
Warm, froh ich schau umher,
Steht rings ihr Ewiglebenden
Im heiigen Morgenglanz.
«
Ich bet hinan, und Lobgesang
Ist lauter mein Gebet,
Und freudeklingend Saitenspiel
Begleitet mein Gebet.
Ich trete vor den Altar hier
Und lese, wie sichs ziemt,
Andacht liturgischer Lection
Im heiligen Homer.
47
Frankfurty Anfang 1773, —
Und wenn der ins Getümmel mich
Von Löwenkriegern reisst,
Und Göttersöhn auf Wagen hoch
Rachglühend stürmen an,
Und Ross dann vor dem Wagen stürzt,
Und drunter und drüber sich
Freund, Feind sich wälzt in Todesblut —
Er sengte sie dahin
Mit Flammensch wert, der Heldensohn,
Zehntausend auf einmal,
Bis dann auch er, gebändiget
Von einer Götterhand,
'Rab auf den Leichen-Rogus stürzt,
Den er sich selbst gehäuft.
Und Feinde nun den schönen Leib
Verschändend tasten an :
Da greif ich muthig auf und fass —
Die Kohle wird Gewehr,
Und jene meine hohe Wand
In Schlachtfeld- Wogen braust.
Hinan! Hinan! Es heulet laut
Gebrüll der Feindeswuth,
Und Schild an Schild und Schwert auf Helm,
Und um den Todten Tod.
48
Goethes Stube glich damals einem Pantheon^
Ich dränge mich hinan, hinan,
Da kämpfen sie um ihn,
Die tapfern Freunde, tapferer
In ihrer Thränenwuth:
Ach, rettet! Kämpfet! Rettet ihn!
Ins Lager bringt ihn rück!
Und Balsam giesst dem Todten auf
Und Thränen, Todten-Ehr !
Und find ich mich zurück hierher,
Empfängst du, Liebe, mich,
Mein Mädchen, ach, im Bilde nur,
Und so im Bilde warm !
Ach wie du ruhtest neben mir.
Mich schmachtetst liebend an.
Und mirs vom Aug durchs Herz hindurch
Zum Griffel schmachtete!
Wie ich an Aug und Wange mich
Und Mund mich weidete.
Und mirs im Busen jung und frisch
Wie einer Gottheit war!
O, kehre doch und bleibe dann
In meinen Armen fest,
Und keine, keine Schlachten mehr —
Nur dich in meinem Arm 1
Hartleben, Goethe-Brevier.
49
1
voller schöner Abdrücke der besten Antiken,
Und sollst mir, meine Liebe, sein
Alldeutend Ideal :
Madonna sein, ein Erstlingskind,
Ein heiligs, an der Brust;
Und haschen will ich, Nymphe, dich
Im tiefen Waldgebüsch,
Ein geiles Schwänzchen hinten vor.
Die Ohren aufgereckt;
Und liegen will ich Mars zu dir,
Du Liebesgöttin stark,
Und ziehen ein Netz um uns herum
Und rufen dem Olymp:
Wer von den Göttern kommen will.
Beneiden unser Glück —
Und Solls die Fratze Eifersucht,
Am Bettfuss angebannt 1
SO
Frankfurt, — Vor de7n Werther.
Aus einem Briefe an Kestner.
Januar 1773.
Wenn dem Papa sein Pfeifchen schmeckt,
Der Doktor Hofrath Grillen heckt
Und sie Karlinchen für Liebe verkauft,
Die Lotte herüber, hinüber lauft,
Lenchen treuherzig und wohlgemuth
In die Welt hineinlugen thut.
Mit dreckigen Händen und Honigschnitten,
Mit Löcher im Kopf nach deutschen Sitten
Die Buben jauchzen mit hellem Häuf
Thür ein, Thür aus, Hof ab, Hof auf,
Und Ihr mit den blauen Aeugelein
Gucket so ganz gelassen drein,
Als wärt Ihr ein Männlein von Porzellan,
(Seid innerlich doch ein wackrer Mann,
Treuer Liebhaber und warmer Freund) —
So lasst des Reichs und Christen Feind,
Und Russ und Preuss und Belial
Sich theilen in den Erdenball,
Und nur das liebe teutsche Haus
Nehmt von der grossen Theilung ausl
51 4»
Atts einem Briefe an Kestner,
Und dass der Weg von hier zu euch
Wie Jakobs Leiter sei sicher und gleich,
Und unser Magen verdau i gesund —
So segnen wir euch mit Herz und Mund.
Gott allein die Ehr,
Mir mein Weib allein !
So kann ich und er
Wohl zufrieden sein.
i
52
Frankfurt^ Juni 1773.
An Gotten
Bei Uebersendang des Götz von Berlichingen.
ochicke dir hier den alten Götzen!
Magst ihn nun zu deinen Heiligen setzen,
Oder magst ihn in die Zahl
Der Ungeblätterten stellen allzumal.
Habs geschrieben in guter Zeit,
Tags, Abends und Nachtsherrlichkeit,
Und find nicht halb die Freude mehr,
Da nun gedruckt ist ein ganzes Heer.
Find, dass es wie mit den Kindern ist,
Bei denen doch immer die schönste Frist
Bleibt, wenn man in der schönen Nacht
Sie hat der lieben Frau gemacht.
Das andre geht dann seinen Gang
Mit Rechnen, Wehen, Tauf und Sang.
Mögt euch nun auch ergetzen dran,
So habt ihr doppelt wohlgethan. —
Lassest, wie ich höre, auch allda
Agiren, tragiren Comödia
Vor Stadt und Land, vor Hof und Herrn:
Die sahn das Trauerstück wohl gern.
53
An Gotter,
So such dir denn in deinem Haus
Einen recht tüchtigen Bengel aus,
Dem gieb die Roll von meinem Götz,
In Panzer, Blechhaub und Geschwätz!
Dann nimm den Weisung vor dich hin,
Mit breitem Kragen, stolzem Kinn,
Mit Spada wohl nach Spanier Art,
Mit Weitnaslöchem, Stützleinbart,
Und sei ein Falscher an den Frauen,
Lässt sich zuletzt vergiftet schauen 1
Und bring, da hast du meinen Dank,
Mich vor die Weiblein ohn Gestank.
Musst all die garstigen Wörter lindern,
Aus Scheisskerl Schurk, aus Arsch mach
Hintern,
Und gleich das alles so fortan,
Wie du schon ehmals wohl gethan.
54
Gotha, Sommer 1773»
Antwort Gotters an Goethe.
Ich schon bis an den neunten Tag
Am Röthlein krank damiederlag,
Wobei von Weiblein, jung und zart,
Wie Weisungen gewartet ward —
Als mir dein Götz zu Händen kam;
Den alsobald ein Mägdlein nahm,
Und mirs, weil selbst nicht lesen sollt,
Mit süsser Stimm vorlesen wollt.
Als aber kaum das Werk begann,
Sie wider ein Scheisskerl rann
Und wurde flugs wie Scharlach roth,
Drob ich mich lachen thät halbtodt.
Sie liess sich drum nicht schrecken ab,
Marien ein gutes Zeugnis gab.
Auch Götzens Hausfrau liebgewann,
Die ihrem rauhen Panzermann
Stets unbedingt Gehorsam weist,
Was man an Luthers Käth nicht preist;
Die Adelheid nicht könnt ausstehn,
Doch Georgen gern hätt leben sehn;
55
Antwort Gotters an Goethe.
Auch Weisungen ein besser End
Aus Christenliebe bätt gegönnt;
Den Götzen nicht genug verstand,
Ihn etwas Donquixotisch fand:
Dafür soll sie verurteilt sein,
Des Herrn Jacobis Liedelein
Und Köhlers frommes Judenkind
Stracks herzubeten für ihre Sund.
Ob aber nun gleich gesonnen war,
Den Götz zu spielen zu deiner Ehr,
Auch einen Bub, der rüstig ist,
Von Schweizerblut, für Götzen wüsst,
So thut mirs doch im Kopf rumgehn,
Wie ich die Thäler und die Höhn,
Die Wälder, Wiesen und Morast,
Die Warten und die Schlösser fest,
Und Bambergs Bischofs Zimmer fein,
Und des Thurmwärters Gärtlein klein —
Soll nehmen her und so staffiren,
Das Hokuspokus all changiren.
Auch möchte wohl wem graun, dass nicht
Der Reiter seine Not verriebt,
Und Götz, dem Feind zur Schur und Graus,
Streck seinen Arsch zum Fenster naus.
Das Weibsvolk hier ganz störrisch ist,
Weils Tag und Nacht Französisch liest;
Das Manns Volk, in Paris gewest.
Nur das Theatrum hält fürs best.
56
Gotha, Sommer jy73.
Wo alles züchtiglich geschieht
Und alles in Sentenzen spricht.
Drum lass dir nur die Lust vergehn,
Bei ihnen in der Gnad zu stehn!
Nimm dann mit meinem Dank vorlieb.
Was dich den Götz zu schreiben trieb,
Das zwickt' auch mich so lange, bis
Ich mich vom Bösen blenden Hess.
Da hast du die Epistel mein:
Sollts was für deine Mädel sein,
So freute doppelt mich der Spass.
Ich liebe dich ohn Unterlass.
Du nächstens im Merkurius
Wirst finden was von meinem Mus,
Und freut mich recht von Herzens Grund,
Wenn dir der Dreck gefallen kunnt.
Schick mir dafür den Doktor Faust,
Sobald dein Kopf ihn ausgebraust!
57
Frankfurt 1773. Auf die Kritiker des Götz.
Der unverschämte Gast.
Ua hatt ich einen Kerl zu Gast,
Er war mir eben nicht zur Last:
Ich hatt just mein gewöhnlich Essen.
Hatt sich der Kerl pumpsatt gefressen,
Zum Nachtisch, was ich gespeichert hatt:
Und kaum ist mir der Kerl so satt,
Thut ihn der Teufel zum Nachbar führen,
Ueber mein Essen zu räsonieren:
»Die Supp hätt können gewürzter sein,
Der Braten feiner, fimer der Wein.«
Der Tausendsakerment !
Schlagt ihn todt, den Hund! Es ist ein
Recensent.
58
Frankfurt^ lyys.
Ganymed.
Wie im Morgenglanze
Du rings mich anglühst,
Frühling, Geliebter!
Mit tausendfacher Liebeswonne
Sich an mein Herz drängt
Deiner ewigen Wärme
Heilig Gefühl,
Unendliche Schöne —
Dass ich dich fassen möcht
In diesen Arm!
Ach, an deinem Busen
Lieg ich, schmachte,
Und deine Blumen, dein Gras
Drängen sich an mein Herz.
Du kühlst den brennenden
Durst meines Busens,
Lieblicher Morgenwind !
Ruft drein die Nachtigall
Liebend nach mir aus dem Nebelthal
Ich komm ! Ich komme !
Wohin? Ach, wohin?
59
Ganytned,
Hinauf! Hinauf strebts —
Es schweben die Wolken
Abwärts — die Wolken
Neigen sich der sehnenden Liebe.
Mir! Mir!
In euerm Schosse
Aufwärts !
Umfangend, umfangen !
Aufwärts an deinen Busen,
Allliebender Vater!
60
Brief an Kestner^ Frankfurt^ 15. September 1773.
An Charlotte Kestner.
Wenn einen seligen Biedermann,
Pastom oder Ratsherrn lobesan
Die Wittib lässt in Kupfer stechen
Und drunter ein Verslein radebrechen,
Da heissts:
Seht hier mit Kopf und Ohren
Den Herrn, Ehrwürdig, Wohlgeboren!
Seht seine Augen und seine Stirn I
Aber sein verständig Gehirn,
So manch Verdienst ums gemeine Wesen
Könnt ihr ihm nicht an der Nase lesen.
So, liebe Lotte, heissts auch hier:
Ich schicke da mein Bildniss dir.
Magst wohl die ernste Stime sehen,
Der Augen Gluth, der Locken Wehen:
'S ist ungefähr das garstge Gesicht —
Aber meine Liebe siehst du nicht.
61
Frankfurt 1773, Später in Erwin und Elmira.
Das Veilchen.
liin Veilchen auf der Wiese stand,
Gebückt in sich und unbekannt;
Es war ein herzigs Veilchen.
Da kam eine junge Schäferin
Mit leichtem Schritt und muntrem Sinn
Daher, daher,
Die Wiese her und sang.
»Ach«, denkt das Veilchen, »war ich nur
Die schönste Blume der Natur,
Ach, nur ein kleines Weilchen,
Bis mich das Liebchen abgepflückt
Und an den Busen matt gedrückt!
Ach nur, ach nur
Ein Viertelstündchen lang!«
Ach, aber ach! das Mädchen kam
Und nicht in Acht das Veilchen nahm,
Ertrat das arme Veilchen.
Es sank und starb und freut sich noch:
»Und sterb ich denn, so sterb ich doch
Durch sie, durch sie,
Zu ihren Füssen doch.«
62
Lied desRitter sLiehetr out ausGötz vonBerlichingen. 1773.
Mit Pfeilen und Bogen
Cupido geflogen,
Die Fackel im Brand:
Wollt muthilich kriegen
Und männilich siegen
Mit stürmender Hand.
Auf! Aufl
Anl An!
Die Waßen erklirrten,
Die Flügelein schwirrten,
Die Augen entbrannt.
Da fand er die Busen
Ach leider! so bloss;
Sie nahmen so willig
Ihn all auf den Schoss.
Er schüttet die Pfeile
Zum Feuer hinein,
Sie herzten und drückten
Und wiegten ihn ein.
Hei, ei, o! Popeiol
63
1773- An Claudius und Bote gesandt.
Ein Gleichnis.
Ueber die Wiese, den Bach herab,
Durch seinen Garten,
Bricht er die jüngsten Blumen ab ;
Ihm schlägt das Herz vor Erwarten :
Sein Mädchen kommt — O Gewinnst! O Glück!
Jüngling, tauschest deine Blüthen um einen
Blick !
Der Nachbar Gärtner sieht herein
Ueber die Hecke : »So ein Thor möcht ich sein !
Hab Freude, meine Blumen zu nähren.
Die Vögel von meinen Früchten zu wehren ;
Aber sind sie reif: Geld! guter Freund!
Soll ich meine Mühe verlieren?«
Das sind Autoren, wie es scheint.
Der eine streut seine Freuden herum
Seinen Freunden, dem Publikum —
Der andre lässt sich pränumeriren.
64
Faust, ^Aöend.t Lied Gretchens, März J774,
Der König in Thule.
Jis war ein König in Thiüe,
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
£inen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts darüber,
£r leert ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.
Und als er kam zu sterben,
Zählt er seine Stadt im Reich,
Gönnt alles seinem £rben,
Den Becher nicht zugleich. —
Er sass beim Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vätersaale,
Dort auf dem Schloss am Meer.
Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensglut
Und warf den heiigen Becher
Hinunter in die Fluth.
Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer«
Die Augen thäten ihm sinken —
Trank nie einen Tropfen mehr.
Hartleben, Goethe-Brevier.
65
Kenner und Künstler,
Kenner und Künstler.
Kenner.
(jut! Brav, mein Herr! — Allein
Die linke Seite
Nicht ganz gleich der rechten;
Hier scheint es mir zu lang
Und hier zu breit;
Hier zuckts ein wenig,
Und die Lippe —
Nicht ganz Natur,
So todt noch alles!
Künstler.
O rathet, helft mir,
Dass ich mich vollende!
Wo ist der Urquell der Natur,
Daraus ich schöpfend
Himmel fühl und Leben
In die Fingerspitzen hervor?
Dass ich mit Göttersinn
Und Menschenhand
Vermöge zu bilden,
66
Frankfurt^ Frühling 1774.
Was bei meinem Weib
Ich animalisch kann und muss.
Kenner.
Da sehen Sie zu!
Künstler.
So!
67 5*
Frankfurt^ Frühling 1774.
Der ungetreue Knabe.
Jbs war ein Buhle frech genung,
War erst aus Frankreich kommen,
Der hatt ein armes Mädel jung
Gar oft in Arm genommen
Und liebgekost und liebgeherzt,
Als Bräutigam herumgescherzt
Und endlich sie verlassen.
Das braune Mädel das erfuhr,
Vergingen ihr die Sinnen;
Sie lacht und weint und bet't und schwur,
So fuhr die Seel von hinnen. —
Die Stund, da sie verschieden war.
Wird bang dem Buben, graust sein Haar,
Es treibt ihn fort zu Pferde.
Er gab die Sporen kreuz und quer
Und ritt auf alle Seiten,
Herüber, hinüber, hin und her,
Kann keine Ruh erreiten;
Reift sieben Tag und sieben Nacht,
Es blitzt und donnert, stürmt und kracht,
Die Fluten reissen über.
68
später in Clutidine von Villa Bella.
Und reift in Blitz und Wetterschein
Gemäuerwerk entgegen,
Bindts Pferd hauss an und kriecht hinein
Und duckt sich vor dem Regen.
Und wie er tappt, und wie er fühlt,
Sich unter ihm die Erd erwühlt —
Er stürzt wohl hundert Klafter.
Und als er sich ermannt vom Schlag,
Sieht er drei Lichtlein schleichen.
Er rafft sich auf und krabbelt nach —
Die Lichtlein ferne weichen,
Irr führen ihn die Quer und Läng,
Trepp auf, Trepp ab, durch enge Gang,
Verfallne, wüste Keller.
Auf einmal steht er hoch im Saal,
Sieht sitzen hundert Gäste,
Hohläugig grinsen allzumal
Und winken ihm zum Feste.
Er sieht sein Schätzlein untenan.
Mit weissen Tüchern angethan, —
Die wendt sich —
69
Der Gesang von der Ceder.
Der Gesang von der Ceder.
I.
E/S stand eine herrliche Ceder auf Libanon
in ihrer Kraft vor dem Antlitz des Himmels.
Und dass sie so strak dastund, dess er-
grimmten die Dornsträuche umher und riefen:
»Wehe dem Stolzen ! Er überhebt sich seines
Wuchses.« Und wie die Winde die Macht
seiner Aeste bewegten und Balsamgeruch das
Land erfüllte, wandten sich die Dömer und
schrien: »Wehe dem Uebermüthigen ! Sein
Stolz braust auf wie die Wellen des Meeres \
verdirb ihn, Heiliger vom Himmel!«
2.
Eine Ceder wuchs auf zwischen Tannen;
sie theilten mit ihr Regen und Sonnenschein.
Und sie wuchs über ihre Häupter und schaute
weit ins Thal umher. Da riefen die Tannen :
»Ist das der Dank, dass du dich nun über-
hebst, dich, die du so klein warst, dich, die
wir genährt haben I« Und die Ceder sprach:
»Rechtet mit dem, der mich wachsen hiess ! «
70
Frankfurt^ 1774.
3.
Und um die Ceder stunden Sträucher.
Da nun die Männer kamen vom Meer und
die Axt ihr an die Wurzel legten, da erhub
sich ein Frohlocken: »Also strafet der Herr
die Stolzen, also demüthigt er die Gewaltigen!«
Und sie stürzte und zerschmetterte die
Frohlocker, die verzettelt wurden unter dem
Reisig.
5-
Und sie stürzte und rief: »Ich habe ge-
standen und ich werde stehen!« Und die
Männer richteten sie auf zum Mäste im
Schifife des Königs, und die Segel wehten
von ihm her und brachten die Schätze aus
Ophir in des Königs Kammer.
71
Der ewige Jude. Fragmentarisch.
Der ewige Jude.
Fragmentarisch.
I.
Des ewigen Juden erster Fetzen.
Um Mitternacht wohl fang ich an,
Spring aus dem Bette wie ein Toller:
Nie war mein Busen seelevoller,
Zu singen den gereisten Mann,
Der Wunder ohne Zahl gesehen,
Die, trutz der Lästrer Kinderspotte,
In unserm unbegrifFnen Gotte
Per omnia tempora in einem Punkt geschehn.
Und hab ich gleich die Gabe nicht
Von wohlgeschlifFnen, leichten Reimen,
So darf ich doch mich nicht versäumen:
Denn es ist Drang, und so ists Pflicht.
Und wie ich dich, geliebter Leser, kenne —
Den ich von Herzen Bruder nenne —
Willst gern vom Fleck und bist so faul.
Nimmst wohl auch einen Ludergaul;
Und ich — mir fehlt zu Nacht der Kiel —
Ergreif wohl einen Besenstiel.
Drum hör es denn, wenns dir beliebt.
So kauderwälsch, wie mir der Geist es giebt.
72
Frankfurt^ Sommer 1774.
In Judäa, dem heiligen Land,
War einst ein Schuster, wohlbekannt
Wegen seiner Herzfrömmigkeit
Zur gar verdorbnen Kirchenzeit;
War halb Essener, halb Methodist,
Hermhuter, mehr Separatist;
Denn er hielt viel auf Kreuz und Qual ;
Genug, er war Original,
Und aus Originalität
Er andern Narren gleichen thät.
Die Priester vor so vielen Jahren
Waren, als wie sie immer waren,
Und wie ein jeder wird zuletzt.
Wenn man ihn hat in ein Amt gesetzt.
War er vorher wie ein' Ameis* krabblig
Und wie ein Schlänglein schnell und zabblig,
Wird er hernach in Mantel und Kragen
In seinem Sessel sich Wohlbehagen.
Und ich schwöre bei meinem Leben,
Hätte man Sankt Paulen ein Bistum geben,
Poltrer war worden ein fauler Bauch
Wie ceteri confratres auch.
Der Schuster aber und seinesgleichen
Verlangten täglich Wunder und Zeichen:
Dass einer predgen sollt für Geld,
Als hätt der Geist ihn hingestellt.
Nickten die Köpfe sehr bedenklich
Ueber die Tochter Zion kränklich:
73
Der ewige Jude. Fragmentarisch.
Dass achl auf Kanzel und Altar
Kein Moses und kein Aaron war —
Dass es dem Gottesdienste ging,
Als wäre ein Ding wie ein ander Ding,
Das einmal, nach dem Lauf der Welt,
Im Alter dürr zusammenfallt.
»O weh der grossen Babylon!
Herr, tilge sie von deiner Erden,
Lass sie im Pfuhl gebraten werden.
Und, Herr, dann gieb ims ihren Thron!«
So sang das Häuflein, kroch zusammen,
Theilten so Geists- als Liebesflammen,
Gafften und langeweilten nun.
Hätten das auch können im Tempel thun,
Aber das Schöne war dabei:
Es kam an jeden auch die Reih,
Und wie sein Bruder wälscht und sprach,
Dürft er auch wälschen eins hernach.
Denn in der Kirche spricht erst imd letzt
Der, den man hat hinaufgesetzt,
Und gläubigt euch und thut so gross
Und schliesst euch an und macht euch los.
Und ist ein Sünder wie andre Leut,
Ach, und nicht einmal so gescheut! — —
74
Frankfurt^ Sommer 1774.
II.
Uer grösste Mensch bleibt stets ein Menschen-
kind,
Die grössten Köpfe sind das nur, was andre
sind.
Allein das merkt: sie sind es umgekehrt,
Sie wollen nicht mit andern Erdentröpfen
Auf ihren Füssen gehn — sie gehn auf ihren
Köpfen :
Verachten, was ein jeder ehrt —
Und was gemeinen Sinn empört,
Das ehren unbefangne Weisen;
Doch brachten sies nicht allzu weit:
Ihr non plus ultra jeder Zeit
War : Gott zu lästern und den Dreck zu preisen.
75
Der ewige Jude. Fragmentarisch.
i
m.
Des ewigen Juden dritter Fetzen.
Uer Vater sass auf seinem Thron;
Da rief er seinem lieben Sohn,
Musst zwei- bis dreimal schreien«
Da kam der Sohn ganz überquer
Gestolpert über Sterne her
Und fragt: »Was zu befehlen!«
Der Vater fragt ihn, wo er stickt —
»Ich war im Stern, der dorten blickt,
Und half dort einem Weibe
Vom Kind in ihrem Leibe.«
Der Vater war ganz aufgebracht
Und sprach: »Das hast du dumm gemacht;
Sieh einmal auf die Erdel
Es ist wohl schön und alles gut,
Du hast ein menschenfreundlich Blut
Und hilfst Bedrängten gerne . . .« — —
76
Frankfurt^ Sommer 1774.
»Du fühlst nicht, wie es mir durch Mark
und Seele geht,
Wenn ein geängstet Herz bei mir um Rettung
fleht,
Wenn ich den Sünder seh mit glühenden
Thränen . . .« —
Als er sich nun hernieder schwung
Und näher die weite Erde sah
Und Meer und Länder weit und nah.
Ergriff ihn die Erinnerung,
Die er so lange nicht gefühlt:
Wie man da drunten ihm mitgespielt.
Er auf dem Berge stille hält,
Auf den in seiner ersten Zeit
Freund Satanas ihn aufgestellt
Und ihm gezeigt die volle Welt
Mit aller ihrer Herrlichkeit. —
Wie man zu einem Mädchen fliegt,
Das lang an unserm Blute sog
Und endlich treulos uns betrog:
Er fühlt in vollem Himmelsflug
Der irdischen Atmosphäre Zug,
Fühlt, wie das reinste Glück der Welt
Schon eine Ahnung von Weh enthält.
Er denkt an jenen Augenblick,
Da er den letzten Todesblick
77
Der ewige Jude, Fragmentarisch.
Vom Schmerzen- Hügel herab gethan, —
Fing vor sich hin zu reden an:
»Sei, Erde, tausendmal gegrüsst!
Gesegnet all, ihr meine Brüder 1
Zum erstenmal mein Herz ergiesst
Sich nach dreitausend Jahren wieder,
Und wonnevolle Zähre fliesst
Von meinem trüben Auge nieder:
O, mein Geschlecht, wie sehn ich mich nach
dirl —
Und du, mit Herz- und Liebesarmen
Flehst du aus tiefem Drang zu mir?
Ich komm, ich will mich dein erbarmen 1
O Welt, voll wunderbarer Wirrung,
Voll Geist der Ordnung, träger Irrung,
Du Kettenring von Wonn und Wehe,
Du Mutter, die mich selbst zum Grab gebar.
Die ich, obgleich ich bei der Schöpfung war.
Im Ganzen doch nicht sonderlich verstehe — :
Die Dumpfheit deines Sinns, in der du
schwebtest.
Daraus du dich nach meinem Tage drangst.
Du schlangenknotige Begier, in der du bebtest.
Von ihr dich zu befreien strebtest,
Und dann, befreit, dich wieder neu umschlangst:
Das rief mich her aus meinem Stemensaal,
Das lässt mich nicht an Gottes Busen ruhn:
78
Frankfurt^ Sommer 1774.
Ich komme nun zu dir zum zweiten Mal —
Ich säte dann — und ernten will ich nun!«
Er sieht begierig rings sich um.
Sein Auge scheint ihn zu betrügen:
Ihm scheint die Welt noch um und um
In jener Sauce da zu liegen,
Wie sie an jener Stunde lag,
Da sie bei hellem lichten Tag
Der Geist der Finsterniss, der Herr der alten
Welt,
Im Sonnenschein ihm glänzend dargestellt
Und angemasst sich ohne Scheu:
Dass er hier Herr im Hause sei. — —
»Wo,« rief der Heiland, »ist das Licht,
Das hell von meinem Wort entbronnen!
Weh, und ich seh den Faden nicht,
Den ich so rein vom Himmel Vab gesponnen.
Wo haben sich die Zeugen hingewandt.
Die weiss aus meinem Blut entsprungen?
Und ach, wohin der Geist, den ich gesandt?
Sein Wehn, ich fühls, ist all verklungen! —
Schleicht nicht mit ewgem Hunger-Sinn,
Mit halbgekrümmten Klauen- Händen,
Verfluchten, eingedorrten Lenden
Der Geiz nach tückischem Gewinn,
Missbraucht die sorgenlosen Freuden
Des Nachbars auf der reichen Flur
79
Der ewige Jude, Fragmentarisch,
Und hemmt in dürren Eingeweiden
Das liebe Leben der Natur?
Verschliesst der Fürst mit seinen Sklaven
Sich nicht in jenes Marmorhaus
Und brütet seinen irren Schafen
Die Wölfe selbst im Busen aus?
Ihm wird zu grillenhafter Stillung
Der Menschen Mark herbeigerafFt —
Er speist in ekelhafter Ueberfüllung
Von Tausenden die Nahrungskraft!
In meinem Namen weiht dem Bauche
Ein Armer seiner Kinder Brot — '
Mich schmäht auf diesem faulen Schlauche
Das goldne Zeichen meiner Notl« — —
80
Frankfurt^ Sommer i7'/4.
IV.
lir war nunmehr der Länder satt,
Wo man so viele Kreuze hat
Und man für lauter Kreuz und Christ
Ihn eben und sein Kreuz vergisst.
Er trat in ein benachbart Land,
Wo er sich nur als Kirchfahn fand,
Man aber sonst nicht merkte sehr.
Als ob ein Gott im Lande war.
Wie man ihm denn auch bald betheuert:
Aller Sauerteig sei hier ausgescheuert —
Befurcht er, dass das Brot so lieb
Wie ein Matzkuchen sitzen blieb.
Davon sprach ihm ein geistlich Schaf,
Das er auf hohem Wege traf,
Das eine mäklige Frau im Bett,
Viel Kinder und viel Zehnten hätt:
Der also Gott Hess im Himmel ruhn.
Und sich auch was zu gute thun.
Unser Herr fühlt ihm auf den Zahn,
Fing etlich Mal von Christo an:
Hartleben, Goethe-Brevier.
81 6
Der ewige Jude, Fragmentarisch.
^ - II — m — I
Da war der ganze Mensch Respekt,
Hätte fast nie das Haupt bedeckt;
Aber der Herr sah ziemlich klar,
Dass er drum nicht im Herzen war,
Dass er dem Mann im Hirne stand
Als wie ein Holzschnitt an der Wand.
Sie waren bald der Stadt so nah,
Dass man die Thürme klärlich sah.
»Ach,« sprach mein Mann, »hier ist der Ort,
ADer Wünsche sichrer Friedensport,
Hier ist des Landes Mittelthron:
Gerechtigkeit und Religion
Spediren wie der Seizerbrunn,
Petschirt, ihren Einfluss ringsherum.«
Sie kamen immer näher an —
Sah immer der Herr nichts Seinigs dran.
Sein innres Zutraun war gering,
Als wie er einst zum Feigbaum ging;
Wollt aber doch eben weiter gehn
Und ihm recht unter die Aeste sehn.
So kamen sie denn unters Thor.
Christus kam ihnen ein Fremdling vor:
Hätt ein edel Gesicht und einfach Kleid —
Sprachen: »Der Mann kommt wohl gar weit.«
Fragt ihn der Schreiber, wie er hiess? —
Er gar demüthig die Worte liess:
82
Frankfurt^ Sommer 1774,
»Kinder, ich bin des Menschen Sohn — «
Und ganz gelassen ging davon. —
Seine Worte hatten von je her Kraft:
Der Schreiber stände wie vergafft,
Der Wache war, sie wusst nicht wie;
Fragt keiner: »Was bedienen Sie?«
Er ging grad durch und war vorbei, —
Da fragten sie sich Überlei,
Als in Rapport sies wollten tragen:
»Was thät der Mann Kurioses sagen?
Sprach er wohl unsrer Nase Hohn?
Er sagt, er war des Menschen Sohn?«
Sie dachten lang; doch auf einmal
Sprach ein branntweinger Korporal:
»Was mögt ihr euch den Kopf zerreissenl
Sein Vater hat wohl Mensch geheissen.«
Christ sprach zu seinem Geleiter dann:
»So führet, mich zum Gottesmann,
Den ihr als einen solchen kennt
Und ihn ,Herr Oberpfarrer* nennt!«
Dem Herren Pfaff das krabbeln thät.
War selber nicht so hoch am Brett.
Hätt so viel Haut ums Herze ring,
Dass er nicht spürt, mit wem er ging —
Auch nicht einmal einer Erbse gross.
Doch war er gar nicht liebelos
Und dacht: »Kommt alles rings herum.
Verlangt er ein Viaticum.«
83
Der ewige Jiide. Fragmentarisch.
Kamen ans Oberpfarrers Haus,
Stand von uralters noch im Ganzen.
Reformation hätt ihren Schmaus
Und nahm dem Pfaffen Hof und Haus —
Um wieder Pfaffen nein zu pflanzen,
Die nur in allem Grund der Sachen
Mehr schwätzen, weniger Grimassen machen.
Sie klopften an, sie schellten an.
Weiss nicht bestimmt, was sie gethan,
Genug: die Köchin kam hervor,
Aus der Schürz ein Krauthaupt verlor.
Und sprach : » Der Herr ist im Konvent,
Ihr heut nicht mit ihm sprechen könnt.«
»Wo ist denn das Konvent?« sprach Christ.
»Was hilft es euch, wenn ihrs auch wisst,«
Versetzt die Köchin porrisch drauf,
»Dahin geht nicht eines jeden Lauf.«
»Möchts doch gern wissen I« thät er fragen.
Sie hätt nicht Herz, es zu versagen:
Wie er den Weg zur Weiblein Brust
Von alten Zeiten wohl noch wusst.
Sie zeigts ihm an, und er thät gehn.
Wie ihrs bald weiter werdet sehn. — —
84
/77^ an Merck gesandt.
Guter Rath
auf ein Reissbrett^ wohl auch Schreibtisch etc.
O geschieht wohl, dass man an einem Tag
Weder Gott noch Menschen leiden mag,
Dringt nichts dir nach dem Herzen ein.
Sollts in der Kunst wohl anders sein?
Drum hetz dich nicht zur schlappen Zeit!
Denn Füll und Kraft ist nimmer weit:
Hast in der schlappen Stund geruht,
Ist dir die gute doppelt gut.
85
Frankfurt 1774-
Auf Christianen R.
rlab oft einen dumpfen, düstem Sinn,
Ein gar so schweres Blut —
Wenn ich bei meiner Christel bin,
Ist alles wieder guti
Ich seh sie dort, ich seh sie hier
Und weiss nicht auf der Welt,
Und wie und wo und wann sie mir,
Warum sie mir gefallt.
Das schwarze Schelmenaug dadrein,
Die schwarze Braue drauf.
Seh ich ein einzig Mal hinein.
Die Seele geht mir auf.
Ist eine, die so lieben Mund,
I/iebrunde Wänglein hat?
Ach, und es ist noch etwas rund,
Da sieht kein Aug sich satt!
Und wenn ich sie denn fassen darf.
Im luftgen deutschen Tanz,
Das geht herum, das geht so scharf,
Da fühl ich mich so ganzi
86
Zuerst gedruckt in Wielands Merkur^ Aprilheft 1776,
Und wenns ihr taumlig wird und warm,
Da wieg\ich sie sogleich
An meiner Brust, in meinem Arm —
's ist mir ein Königreich!
Und wenn sie liebend nach mir blickt
Und alles rund vergisst,
Und dann an meine Brust gedrückt
Und weidlich eins geküsst —
Das läuft mir durch das Rückenmark
Bis in die grosse Zehl
Ich bin so schwach, ich bin so stark,
Mir ist so wohl, so wehl
Da möcht ich mehr und immer mehr.
Der Tag wird mir nicht lang —
Wenn ich die Nacht auch bei ihr war.
Davor war mir nicht bang.
Ich denk: ich halte sie einmal
Und büsse meine Lust —
Und endigt sich nicht meine Qual,
Sterb ich an ihrer Brust!
87
Der Musensohn,
Der Musensohn.
Uurch Feld und Wald zu schweifen,
Mein Liedchen wegzupfeifen —
So gehts von Ort zu Ort!
Und nach dem Takte reget
Und nach dem Mass beweget
Sich aUes an mir fort.
Ich kann sie kaum erwarten,
Die erste Blum im Garten,
Die erste Blüth am Baum;
Sie grüssen meine Lieder,
Und kommt der Winter wieder,
Sing ich noch jenen Traum.
Ich sing ihn in der Weite,
Auf Eises Läng und Breite —
Da blüht der Winter schön!
Auch diese Blüthe schwindet.
Und neue Freude findet
Sich auf bebauten Höhn.
88
Frankfurt^ 1774,
Denn wie ich bei der Linde
Das junge Völkchen finde —
Sogleich erreg ich sie!
Der stumpfe Bursche bläht sich,
Das steife Mädchen dreht sich
Nach meiner Melodie.
Ihr gebt den Sohlen Flügel
Und treibt durch Thal und Hügel
Den Liebling weit von Haus.
Ihr lieben, holden Musen,
Wann ruh ich ihr am Busen
Auch endlich wieder aus?
89
Auf dem Rhein^ vor Burg Lahneck^ i8, Juli 1774,
Geistes Gruss.
Hoch auf dem alten Thurrae steht
Des Helden edler Geist,
Der, wie das Schiff vorübergeht,
Es wohl zu fahren heisst:
»Sieh, diese Senne war so stark,
Dies Herz so fest und wild,
Die Knochen voll von Ritterraark,
Der Becher angefüllt —
Mein halbes Leben stürmt ich fort,
Verdehnt die Hälft in Ruh —
Und du, du Menschen-Schifflein dort,
Fahr immer, immer zulc
90
Rheinreiset Sommer 1774,
Diner zu Koblenz
19. Juli 1774.
Zwischen Lavater und Basedow
Sass ich bei Tisch, des Lebens froh.
Herr Helfer, der war gar nicht faul,
Setzt sich auf einen schwarzen Gaul,
Nahm einen Pfarrer hinter sich
Und auf die Offenbarung strich,
Die uns Johannes der Prophet
Mit Räthseln wohl versiegeln thät:
Eröffnet die Siegel kurz und gut,
Wie man Theriaksbüchsen öffnen thut,
Und mass mit einem heiligen Rohr
Die Kubusstadt und das Perlenthor
Dem hocherstaunten Jünger vor. —
Ich war indess nicht weit gereist,
Hatte ein Stück Salmen aufgespeist.
Vater Basedow unter dieser Zeit
Packt einen Tanzmeister an seine Seit
Und zeigt ihm, was die Taufe klar
Bei Christ und seinen Jüngern war.
Und dass sichs gar nicht ziemet jetzt,
Dass man den Kindern die Köpfe netzt.
91
Rheinreüe^ Sommer 1774.
Drob ärgert sich der andre sehr
Und wollte gar nichts hören mehr
Und sagt, es wüsste ein jedes Kind,
Dass es in der Bibel anders stund. —
Und ich behaglich unterdessen
Hätt einen Hahnen aufgefressen.
Und wie nach Emmaus weiter gings
Mit Geist- und Feuerschritten,
Prophete rechts, Prophete links,
Das Weltkind in der Mitten.
92
(
i
Rhetnreise^ 20. Juli 1774.
Lass regnen, wenn es regnen will,
Dem Wetter seinen Lauf:
Denn wenn es nicht mehr regnen will.
So hörts von selber auf.
93
Wahrhaftes Märchen.
Wahrhaftes Märchen.
Ich führt ein'n Freund zum Maidel jung,
WoUts ihm zu geniessen geben,
Was alles es hätt, gar Freud genung,
Frisch junges, warmes Leben.
Wir fanden sie sitzen an ihrem Bett,
Thät sich auf ihr Händlein stützen;
Der Herr, der macht ihr ein Kompliment,
Thät gegen ihr über sitzen.
Er spitzt die Nase, er sturt sie an,
Betracht sie herüber, hinüber —
Und um mich wars gar bald gethan,
Die Sinnen gingen mir überl —
Der liebe Herr für allen Dank
Führt mich darauf in eine Ecken
Und sagt, sie war doch allzu schlank
Und hätt auch Sommerflecken. — —
Da nahm ich von meinem Kind Adieu,
Und scheidend sah ich in die Höh :
»Ach Herre Gott, ach Herre Gott,
Erbarm dich doch des Herren!« —
94
Rheinreise^ Ende Juli 1774,
Da führt ich ihn in die Galerie
Voll Menschengluth und Geistes —
Mir wirds da gleich, ich weiss nicht wie,
Mein ganzes Herz zerreisst es.
O Maler I Maler! rief ich laut,
Belohn dir Gott dein Malen 1
Und nur die allerschönste Braut
Kann dich für uns bezahlen.
Und sieh, da ging mein Herr herum
' Und stochert sich die Zähne,
Registrirt im Catalogum
Mir meine Göttersöhne.
Mein Busen war so voll und bang
Von hundert Wellen trächtig —
Ihm war bald was zu kurz zu lang.
Wägt alles gar bedächtig.
Da warf ich in ein Eckchen mich.
Die Eingeweide brannten —
Um ihn versammelten Männer sich
Die ihn einen Kenner nannten.
95
Düsseldorfs Ende Jtili 17^4.
Was frommt die glühende Natur
An deinem Busen dir,
Was hilft dir das Gebildete
Der Kunst rings um dich her,
Wenn liebevolle Schöpfungskraft
Nicht deine Seele füllt
Und in den Fingerspitzen dir
Nicht wieder bildend wird!
96
Frankfurt, Herbst 1774,
Künstlers Abendlied.
Äch, dass die innre Schöpfungskraft
Durch meinen Sinn erschölle!
Dass eine Bildung voller Saft
Aus meinen Fingern quöllet
Ich zittre nur, ich stottre nur
Und kann es doch nicht lassen:
Ich fühl: ich kenne dich, Natur,
Und so muss ich dich fassen I — ^
Bedenk ich dann, wie manches Jahr
Sich schon mein Sinn erschliesset,
Wie er, wo dürre Heide war.
Nun Freudenquell geniesset:
Da ahnd ich ganz, Natur, nach dir:
Dich treu und lieb zu fühlen!
Ein lustiger Springbrunn, wirst du mir
Aus tausend Röhren spielen!
Wirst alle meine Kräfte mir
In meinem Sinn erheitern
Und dieses enge Dasein hier
Zur Ewigkeit erweitem.
Hartlebeu, Goelhe-Brevier.
97
tO. Oktober 1774.
»irr Mi-if T
An Schwager Kronos.
In der Postchaise.
Opute dich, Kronos!
Fort den rasselnden Trott!
Bergab gleitet der Weg;
Ekles Schwindeln zögert
Mir vor die Stime dein Zaudern.
Frisch, holpert es gleich,
lieber Stock und Steine den Trott
Rasch ins Leben hinein !
Nun schon wieder
Den erathmenden Schritt
Mühsam, Berg hinauf!
Auf denn, nicht träge denn:
Strebend und hoffend hinan!
Weit, hoch, herrlich der Blick
Rings ins Leben hinein I
Vom Gebirg zum Gebirg
Schwebet der ewige Geist,
Ewigen Lebens ahnde voll.
98
Auf der Fahrt von Mannheim nach Darmstadt.
Seitwärts des Ueberdachs Schatten
Zieht dich an,
Und ein Frischung verheissender Blick
Auf der Schwelle des Mädchens da.
Labe dichl — Mir auch, Mädchen,
Diesen schäumenden Trank,
Diesen frischen Gesundheitsblick I
Ab denn, rascher hinab I
Sieh, die Sonne sinkt!
Eh sie sinkt, eh mich Greisen
Ergreift im Moore Nebelduft,
Entzahnte Kiefer schnattern
Und das schlotternde Gebein:
Trunken vom letzten Strahl
Reiss mich, ein Feuermeer
Mir im schäumenden Aug,
Mich Geblendeten, Taumelnden
In der HöUe nächUiches Thor!
Töne, Schwager, ins Hom,
Rassle den schallenden Trab,
Dass der Orkus vernehme: wir kommen,
Dass gleich an der Thüre
Der Wirth uns freundlich empfange!
99 7*
Frankfurt^ SepUmher 1774.
Prometheus,
Dedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst
Und übe, dem Knaben gleich.
Der Disteln köpft.
An Eichen dich und Bergeshöhnl
Musst mir meine Erde
Doch lassen stehn
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Gluth
Du mich beneidest.
Ich kenne nichts Aermeres
Unter der Sonn als euch, Götter 1
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Thoren.
100
Brief an Merck ^ Frankfurt ^ 4. Dezember 1774.
Da ich ein Kind war,
Nicht wusste, wo aus noch ein,
Kehrt ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber war
Ein Ohr, zu hören meine Klage,
Ein Herz wie meins,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir
Wider der Titanen Uebermuth?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du nicht alles selbst vollendet.
Heilig glühend Herz,
Und glühtest, jung imd gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?
Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast^ du die Thränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal —
Meine Herrn und deine?
Wähntest du etwa.
Ich sollte das Leben hassen,
101
Februar ijys Jacohi übergeben.
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle
Blüthenträume reiften?
Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen,
Zu geniessen und zu freuen sich —
Und dein nicht zu achten
Wie ich!
102
Briefe an Merck vom 4. und 5. December IJ'J4.
Brief.
Mein altes Evangelium
Bring ich dir hier schon wieder;
Doch ist mirs wohl um mich herum,
Darum schreib ich dirs nieder.
Ich holte Gold, ich holte Wein,
Stellt alles da zusammen;
Da, dacht ich, da wird Wärme sein,
Geht mein Gemäld in Flammen!
Auch thät ich bei der Schätze Flor
Viel Gluth und Reichthum schwärmen
Doch Menschenfleisch geht allem vor.
Um sich daran zu wärmen I
Und wer nicht richtet, sondern fleissig ist,
Wie ich bin und wie du bist,
Den belohnet auch die Arbeit mit Genuss:
Nichts wird auf der Welt ihm Ueberdruss.
Denn er blecket nicht mit stumpfem Zahn
Lang Gesottnes und Gebratnes an,
Das er, wenn er noch so sittlich kaut,
Endlich doch nicht sonderlich verdaut —
103
Briefe an Merck vom 4. und 5. Decemher 1774.
Sondern fasst ein tüchtig Schinkenbein,
Haut da gut taglöhnermässig drein,
Füllt bis oben gierig den Pokal,
Trinkt, und wischt das Maul wohl nicht
einmal. —
Sieh: so ist Natur ein Buch lebendig.
Unverstanden, doch nicht unverständlich !
Denn dein Herz hat viel und gross Begehr,
Was wohl in der Welt für Freude war.
Allen Sonnenschein und alle Bäume,
Alles Meergestad und alle Träume
In dein Herz zu sammeln mit einander . . .
Und wie muss dirs werden, wenn du fühlest,
Dass du aUes in dir selbst erzielest!
Freude hast an deiner Frau und Hunden,
Als noch keiner in Elysium gefunden.
Als er da mit Schatten lieblich schweifte
Und an goldne Gottgestalten streifte.
Nicht in Rom, in Magna Graecia —
Dir im Herzen ist die Wonne dal
Wer mit seiner Mutter, der Natur, sich hält,
Findt im Stengelglas wohl eine Welt.
J04
^
Frankfurt^ 1775.
Vor Gericht.
Von wem ich es habe, das sag ich euch
nicht,
Das Kind in meinem Leib.
»PfuÜf speit ihr aus: »die Hure dal« —
Bin doch ein ehrlich Weib,
Mit wem ich mich traute, das sag ich
euch nicht.
Mein Schatz ist lieb und gut:
Trägt er eine goldene Kett am Hals,
Trägt er einen strohernen Hut.
Soll Spott und Hohn getragen sein,
Trag ich allein den Hohn.
Ich kenn ihn wohl, er kennt mich wohl.
Und Gott weiss auch davon.
Herr Pfarrer und Herr Amtmann ihr,
Ich bitte, lasst mich in Ruh!
Es ist mein Kind, es bleibt mein Kind:
Ihr gebt mir ja nichts dazu.
105
Frankfurt^ 1775.
Bauern unter der Linde.
Tanz und Gesang.
Uer Schäfer putzte sich zum Tanz
Mit bunter Jacke, Band und Kranz,
Schmuck war er angezogen.
Schon um die Linde war es voll,
Und alles tanzte schon wie toll.
Juchhe ! Juchhe !
Juchheisa 1 Heisa 1 He 1
So ging der Fiedelbogen.
Er drückte hastig sich heran;
Da stiess er an ein Mädchen an
Mit seinem Ellenbogen.
Die frische Dirne kehrt sich um
Und sagte: »Nun, das find ich dumm.«
Juchhe ! Juchhe !
Juchheisa ! Heisa ! He !
»Seid nicht so ungezogen 1«
Doch hurtig in dem Kreise gings ;
Sie tanzten rechts, sie tanzten links,
Und alle Röcke flogen.
IQd
Faust. > Vor detn Thor, c
Sie wurden roth, sie wurden warm
Und ruhten athmend Arm in Arm,
Juchhe ! Juchhe 1
Juchheisa! Heisa I He!
Und Hüft an Ellenbogen.
»Und thu mir doch nicht so vertraut !
Wie Mancher hat nicht seine ßraut
Belogen und betrogen!«
Er schmeichelte sie doch bei Seit,
Und von der Linde scholl es weit:
Juchhei Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Geschrei und Fiedelbogen.
107
Faust. -> Auerbachs Keller in Leipzig.* J775'
Lied des Mephistopheles.
EfS war einmal ein König,
Der hatt einen grossen Floh,
Den liebt er gar nicht wenig
Als wie seinen eignen Sohn.
Da rief er seinem Schneider,
Der Schneider kam heran :
»Da, miss dem Junker Kleider
Und miss ihm Hosen an!«
In Sammet und in Seide
War er nun angethan, .
Hatte Bänder auf dem Kleide,
Hatt auch ein Kreuz daran,
Und war sogleich Minister
Und hatt einen grossen Stern.
Da wurden seine Geschwister
Bei Hof auch grosse Herrn.
Und Herrn und Fraun am Hofe,
Die waren sehr geplagt,
Die Königin und die Zofe
Gestochen und genagt,
Und durften sie nicht knicken
Und weg sie jucken nicht. —
Wir knicken und ersticken
Doch gleich, wenn einer sticht.
108
Faust, y Nacht. Strasse vor Gretchens Thüre.%
Mephistopheles
singt zur Zither.
Was machst du mir
Vor Liebchens Thtir,
Kathrinchen, hier
Bei frühem Tagesblicke?
Lass, lass es sein I
Er lässt dich ein,
Als Mädchen ein,
Als Mädchen nicht zurücke 1
Nehmt euch in Acht 1
Ist es vollbracht,
Dann gute Nacht,
Ihr armen, armen Dinger I
Habt ihr euch lieb,
Thut keinem Dieb
Nur nichts zu Lieb
Als mit dem Ring am Finger!
109
Frankfurt, 1775.
Gretchen.
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
Wo ich ihn nicht hab,
Ist mir das Grab,
Die ganze Welt
Ist mir vergällt.
Mein armer Kopf
Ist mir verrückt,
Mein armer Sinn
Ist mir zerstückt.
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
Nach ihm nur schau ich
Zum Fenster hinaus.
Nach ihm nur geh ich
Aus dem Haus.
110
Faust. ^Gretckens Stube. €
Sein hoher Gang,
Sein edle Gestalt,
Seines Mundes Lächeln,
Seiner Augen Gewalt
Und seiner Rede
Zauberfluss,
Sein Händedruck
Und, ach, sein Kuss!
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
Mein Schooss, Gottl drängt
Sich nach ihm hin.
Ach, dürft ich fassen
Und halten ihnl
Und küssen ihn,
So wie ich wollt —
An seinen Küssen
Vergehen sollt I
in
Frankfurt^ 1775-
Gretchen.
Ach, neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Nothl
Das Schwert im Herzen,
Mit tausend Schmerzen
Blickst auf zu deines Sohnes Tod.
Zum Vater blickst du,
Und Seufzer schickst du
Hinauf um sein und deine Noth.
Wer fühlet
Wie wühlet
Der Schmerz mir im Gebein?
Was mein armes Herz hier banget,
Was es zittert, was verlanget,
Weisst nur du, nur du allein!
Wohin ich immer gehe,
Wie weh, wie weh, wie wehe
Wird mir im Busen hierl
112
Faust > Zwinger . «
Ich bin, ach| kaum alleine,
Ich wein, ich wein, ich weine.
Das Herz zerbricht in mir.
Die Scherben vor meinem Fenster
Bethaut ich mit Thränen, ach,
Als ich am frühen Morgen
Dir diese Blumen brach.
Schien hell in meine Kammer
Die Sonne früh herauf,
Sass ich in allem Jammer
In meinem Bett schon auf.
Hilfl Rette mich von Schmach und Tod!
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Noth!
Hartleben, Goethe-Brevier.
113
Lüi, — Prankfurty Februar 177$.
Neue Liebe, neues Leben.
tlerzy mein Herz, was soll das geben,
Was bedränget dich so sehr?
Welch ein fremdes, neues Leben !
Ich erkenne dich nicht mehr.
Weg ist Alles, was du liebtest,
Weg, warum du dich betrübtest.
Weg dein Fleiss und deine Ruh —
Ach, wie kamst du nur dazul
Fesselt dich die Jugendblüthe,
Diese liebliche Gestalt,
Dieser Blick voll Treu und Güte
Mit unendlicher Gewalt? —
Will ich rasch mich ihr entziehen.
Mich ermannen, ihr entfliehen.
Führet mich im Augenblick
Ach, mein Weg zu ihr zurück.
Und an diesem Zauberfädchen,
Das sich nicht zerreissen lässt,
Hält das liebe, lose Mädchen
Mich so wider Willen fest.
Muss in ihrem Zauberkreise
Leben nun auf ihre Weise —
Die Verändrung, ach, wie gross I
Liebe ! Liebe ! Lass mich los 1
114
Lili. — Frankfurt^ Fehrtiar I77S»
Warum ziehst du mich unwiderstehlich
Ach, in jene Pracht?
War ich guter Junge nicht so selig
In der öden Nacht?
Heimlich in mein Zimmerchen verschlossen,
Lag im Mondenschein,
Ganz von seinem Schauerlicht umflossen,
Und ich dämmert ein —
Träumte da von vollen, goldnen Stunden
Ungemischter Lust,
Hatte schon dein liebes Bild empfunden
Tief in meiner Brust. — —
Bin ichs noch, den du bei so viel Lichtern
An dem Spieltisch hältst,
Oft so unerträglichen Gesichtern
Gegenüberstellst ?
Reizender ist mir des Frühlings Blüthe
Nun nicht auf der Flur —
Wo du, Engel, bist, ist Lieb und Güte,
Wo du bist, Natur 1
US 8*
Lili, — Frankfurt^ Frühjahr 1775,
Nähe.
Wie du mir oft, geliebtes Kind,
Ich weiss nicht wie, so fremde bist,
Wenn wir im Schwärm der vielen Menschen
sind —
Das schlägt mir alle Freuden nieder.
Doch ja, wenn alles still und finster um uns ist,
Erkenn ich dich an deinen Küssen wieder!
116
Lili, — Auf dem Zürcher See^ 1$. Juni 17J5,
Auf dem See.
Und frische Nahrung, neues Blut
Saug ich aus freier Welt —
Wie ist Natur so hold und gut,
Die mich am Busen hältl
Die Welle wieget unsem Kahn
Im Rudertakt hinauf,
Und Berge, wolkig himmelan,
Begegnen unserm Lauf.
Aug, mein Aug, was sinkst du nieder?
Goldne Träume, kommt ihr wieder?
Weg, du Traum, so gold du bist!
Hier auch Lieb und Leben ist.
Auf der Welle blinken
Tausend schwebende Sterne,
Weiche Nebel trinken
Rings die thürmende Feme,
Morgenwind umflügelt
Die beschattete Bucht,
Und im See bespiegelt
Sich die reifende Frucht.
117
Lilu — Am Zürcher See^ 1$. Juni 1775,
Vom Berge.
Wenn ich, liebe Lili, dich nicht Hebte,
Welche Wonne gab mir dieser Blick 1
Und doch, wenn ich, Lili, dich nicht liebte,
War — was war mein Glück!
118
Lili. — Frankfurt^ September 1775.
Lilis Park.
Ist doch keine Menagerie
So bunt als meiner Lili ihre!
Sie hat darin die wunderbarsten Thiere
Und kriegt sie rein, weiss selbst nicht wie.
O wie sie hüpfen, laufen, trappeln,
Mit abgestumpften Flügeln zappeln,
Die armen Prinzen allzumal,
In nie gelöschter Liebesqual I
»Wie hiess die Fee? — Lili? — Fragt
nicht nach ihr:
Kennt ihr sie nicht, so danket Gott dafür!
Welch ein Geräusch, welch ein Gegacker,
Wenn sie sich in die Thüre stellt
Und in der Hand das Futterkörbchen hält!
Welch ein Gequiek, welch ein Gequacker!
Alle Bäume, alle Büsche
Scheinen lebendig zu werden:
So stürzen sich ganze Herden
Zu ihren Füssen : sogar im Bassin die Fische
Patschen ungeduldig mit den Köpfen heraus.
Und sie streut dann das Futter aus
119
Luis Park.
Mit einem Blick — Götter zu entzücken,
Geschweige die Bestien. — Da gehts an ein
Picken,
An ein Schlürfen, an ein Hacken:
Sie stürzen einander über die Nacken,
Schieben sich, drängen sich, reissen sich.
Jagen sich, ängsten sich, beissen sich —
Und das all um ein Stückchen Brod,
Das, trocken, aus den schönen Händen
schmeckt,
Als hätt es in Ambrosia gesteckt!
Aber der Blick auch! Der Ton,
Wenn sie ruft: »Pipi! PipÜ«,
Zöge den Adler Jupiters vom Thron :
Der Venus Taubenpaar,
Ja, der eitle Pfau sogar,
Ich schwöre, sie kämen.
Wenn sie den Ton von weitem nur vernähmen.
Denn so hat sie aus des Waldes Nacht
Einen Bären, ungeleckt und ungezogen,
Unter ihren Beschluss herein betrogen,
Unter die zahme Compagnie gebracht
Und mit den andern zahm gemacht:
Bis auf einen gewissen Punkt, versteht sich !
Wie schön und ach I wie gut
Schien sie zu sein ! Ich hätte mein Blut
Gegeben, um ihre Blumen zu begiessen.
120
IaIu — Frankfurt^ September J775.
»Ihr sagtet: Ich! Wie? Wer?«
Gut denn, ihr Herrn, grad aus: Ich bin der
Bär,
In einem Filetschurz gefangen,
An einem Seidenfaden ihr zu Füssen!
Doch wie ist das alles zugegangen,
Erzähl ich euch zur andern Zeit —
Dazu bin ich zu wüthig heut.
Denn, ha! steh ich so an der Ecke
Und hör von weitem das Geschnatter,
Seh das Geflitter, das Geflatter,
Kehr ich mich um
Und brumm.
Und renne rückwärts eine Strecke,
Und seh mich um
Und brumm.
Und laufe wieder eine Strecke,
Und kehr doch endlich wieder um.
Dann fängts auf einmal an zu rasen.
Ein mächtger Geist schnaubt aus der Nasen,
Es wildzt die innere Natur.
Was! du ein Thor, ein Häschen nur?
So ein Pipi, Eichhörnchen, Nuss zu knacken?
Ich sträube meinen borstgen Nacken,
Zu dienen ungewöhnt.
Ein jedes aufgestutzte Bäumchen höhnt
Mich an! Ich flieh vom Boulingreen,
121
Litis Park,
Vom niedlich glatt gemähten Grase,
Der Buchsbaum zieht mir eine Nase,
Ich flieh ins dunkelste Gebüsche hin,
Durchs Gehäge zu dringen,
Ueber die Planken zu springen I
Mir versagt Klettern und Sprung,
Ein Zauber bleit mich nieder.
Ein Zauber häkelt mich wider,
Ich arbeite mich ab, und bin ich matt genung.
Dann lieg ic}i an gekünstelten Cascaden,
Und kau und wein und wälze halb mich todt.
Und achl es hören meine Noth
Nur porcellanene Oreaden. —
Auf einmal! — Ach, es dringt
Ein seliges Gefühl durch alle meine Glieder!
Sie ists, die dort in ihrer Laube singt!
Ich höre die liebe, liebe Stimme wieder,
Die ganze Luft ist warm, ist blüthevoU.
Ach, singt sie wohl, dass ich sie hören soll?
Ich dringe zu, tret alle Sträuche nieder.
Die Büsche fliehn, die Bäume weichen mir.
Und so — zu ihren Füssen liegt das Thier.
Sie sieht es an: »Ein Ungeheuer, doch
drollig!
Für einen Bären zu mild,
Für einen Pudel zu wild,
So zottig, tapsig, knollig!«
122
1
Lili. — Frankfurt, September i'/75.
Sie streicht ihm mit dem Füsschen übern
Rücken —
Er denkt im Paradiese zu sein.
Wie ihn alle sieben Sinne jucken!
Und sie — sieht ganz gelassen drein.
Ich küss ihre Schuhe, kau an den Sohlen,
So sittigy als ein Bär nur mag:
Ganz sachte heb ich mich und schwinge mich
verstohlen
Leis an ihr Knie — am günstgen Tag
Lässt sies geschehn und kraut mir um die Ohren
Und patscht mich mit muthwillig derbem
Schlag —
Ich knurr, in Wonne neu geboren I
Dann fordert sie mit süssem, eitlem Spotte:
»AUons tout douxl eh la menotte!
Eh faites Serviteur
Comme un joli Seigneuric
So treibt sies fort mit Spiel und Lachen!
Es hofft der oft betrogne Thor —
Doch will er sich ein bischen unnütz machen,
Hält sie ihn kurz als wie zuvor.
Doch hat sie auch ein Fläschchen Balsam-
Feuers,
Dem keiner Erde Honig gleicht.
Wovon sie wohl einmal, von Lieb und Treu
erweicht,
Um die verlechzten Lippen ihres Ungeheuers
124
\
Luis Park.
Ein Tröpfchen mit der Fingerspitze streicht,
Und wieder flieht und mich mir überlässt.
Und ich dann, losgebunden, fest
Gebannt bin, immer nach ihr ziehe,
Sie suche, schaudre, wieder fliehe —
So lässt sie den zerstörten Armen gehn,
Ist seiner Lust, ist seinen Schmerzen still —
Hai manchmal lässt sie mir die Thür halb
oflen stehn.
Seitblickt mich spottend an, ob ich nicht
fliehen will?
Und ichl — Götter ists in euren Händen,
Dieses dumpfe Zauberwerk zu enden.
Wie dank ich, wenn ihr mir die Freiheit
schafft !
Doch — sendet ihr mir keine Hülfe nieder —
Nicht ganz umsonst reck ich so meine Glieder:
Ich fiihls I Ich schwörs I Noch hab ich Krafl.
124
Lili. — September 1775. *Faust. Auerbeu:ks Keller.*
Lied des Brander.
lls war eine Ratt im Kellemest,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte sich ein Ränzlein angemäst't
Als wie der Doktor Luther.
Die Köchin hatt ihr Gift gestellt:
Da wards so eng ihr in der Welt,
Als hätte sie Lieb im Leibe.
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus
Und soff aus allen Pfützen,
Zernagt, zerkratzt das ganze Haus,
Wollte nichts ihr Wüthen nützen;
Sie thät gar manchen Aengstesprung,
Bald hatte das arme Thier genung,
Als hätt es Lieb im Leibe.
Sie kam vor Angst am hellen Tag
Der Küche zugelaufen,
Fiel an den Herd und zuckt und lag
Und thät erbärmlich schnaufen.
Da lachte die Vergifterin noch:
»Ha! Sie pfeift auf dem letzten Loch,
Als hätte sie Lieb im Leibe.«
125
Lili. — - Offenbach, September lyjS-
Herbstgefühl.
retter grüne du Laub
Am Rebengeländer
Hier mein Fenster herauf!
Gedrängter quellet,
Zwillingsbeeren, und reifet
Schneller und glänzend voller!
Euch brütet der Mutter Sonne
Scheideblick, euch umsäuselt
Des holden Himmels
Fruchtende Fülle —
Euch kühlet des Mondes
Freundlicher Zauberhauch,
Und euch bethauen, ach.
Aus diesen Augen
Der ewig belebenden Liebe
Voll schwellende Thränen.
126
Uli. — Heidelbergs Ende October 177s*
An ein goldnes Herz, das er am
Halse trug.
Angedenken du verklungner Freude,
Das ich immer noch am Halse trage,
Hältst du länger als das Seelenband uns beide ?
Verlängerst du der Liebe kurze Tage?
Flieh ich, Lili, vor dirl Muss noch an
deinem Bande
Durch fremde Lande,
Durch ferne Thäler und Wälder wallen!
Ach, Lilis Herz konnte so bald nicht
Von meinem Herzen fallen. —
Wie ein Vogel, der den Faden bricht
Und zum Walde kehrt —
Er schleppt des Gefängnisses Schmach,
Noch ein Stückchen des Fadens nach * —
Er ist der alte freigeborne Vogel nicht,
Er hat schon jemand angehört.
127
Lili. — Weimar^ Winter 1775»
Jägers Abendlied.
im Felde schleich ich still und wild,
Gespannt mein Feuerrohr —
Da schwebt so licht dein liebes Bild,
Dein süsses Bild mir vor.
Du wandelst jetzt wohl still und mild
Durchs Feld und liebe Thal,
Und, ach, mein schnell verrauschend Bild
Stellt sich dirs nicht einmal?
Des Menschen, der in aller Welt
Nie findet Ruh noch Rast,
Dem wie im Hause, so im Feld
Sein Herze schwillt zur Last.
Mir ist es, denk ich nur an dich,
Als in den Mond zu sehn —
Ein stiller Friede kommt auf mich.
Weiss nicht, wie mir geschehn.
130
Brief an den Herzoge IValdeck, 23, December 177$.
An Lili.
ilolde Liliy warst so lang
All mein Lust und all mein Sang —
Bist, ach, nun all mein Schmerz, und doch
All mein Sang bist du noch.
131
Brief an den Herzoge Waldeck^ 23. December 1775.
An den Herzog,
VJehab dich wohl bei den hundert Lichtem,
Die dich umglänzen,
Und all den Gesichtern,
Die dich umschwänzen
Und umkredenzenl
Findst doch nur wahre Freud und Ruh
Bei Seelen, grad und treu wie du.
132
Weimar^ Januar ly^ö.
Eis-Lebens-Lied.
oorglos über die Fläche weg,
Wo vom kühnsten Wager die Bahn
Dir nicht vorgegraben du siehst —
Mache dir selber Bahnl
Stille, Liebchen, mein Hcrzl
Krachts gleich, brichts doch nicht!
Brichts gleich, brichts nicht mit dir!
133
Lili. — Anfang Februar 1776.
An Lili.
In ein Exemplar der >SteIla<, 1776.
Im holden Thal, auf schneebedeckten Höhen
War stets dein Bild mir nah;
Ich sahs um mich in lichten Wolken wehen,
Im Herzen war mirs da.
Empfinde hier, wie mit allmäch tgem Triebe
Ein Herz das andre zieht,
Und dass vergebens Liebe
Vor Liebe flieht.
134
Am Hang des Ettersherg^ 12, Februar 1776,
Uer du von dem Himmel bist,
Alle Freud und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest.
Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all die Qual und Lust?
Süsser Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!
135
Im Gebirge hei Ilmenau, 6. Mai tyyö.
Rastlose Liebe.
l/em Schnee, dem Regen,
Dem Wind entgegen,
Im Dampf der Klüfte,
Durch Nebeldüfte —
Immer zu! Immer zu!
Ohne Rast und Ruh!
Lieber durch Leiden
Möcht ich mich schlagen.
Als so viel Freuden
Des Lebens ertragen.
Alle das Neigen
Von Herzen zu Herzen,
Ach, wie so eigen
Schaffet das Schmerzen!
Wie? Soll ich fliehen?
Wälderwärts ziehen?
Alles vergebens!
Krone des Lebens,
Glück ohne Ruh,
Liebe, bist du!
136
Brief an Charlotte von Stein.
Beim Zeichnen.
An der Um, 29. Juni 1776.
liier bildend nach der reinen» stillen
Natur, ist, ach, mein Herz der alten Schmerzen
voll —
Leb ich doch stets um derentwillen,
Um derentwillen ich nicht leben soll.
137
Brief an L^vater, Weimar^ 2$, August 1776.
Dem Schicksal.
Gesang des dumpfen Lebens.
3. August 1776.
Was weiss ich, was mir hier gefällt,
In dieser engen, kleinen Welt
Mit leisem Zauberband mich hält!
Mein Karl und ich vergessen hier,
Wie seltsam uns ein tiefes Schicksal leitet;
Und ach! ich fühls: im Stillen werden wir
Zu neuen Scenen vorbereitet.
Du hast uns lieb, du gabst uns das Gefühl,
Dass ohne dich wir nur vergebens sinnen,
Durch Ungeduld und glaubenleer Gewühl
Voreilig dir niemals was abgewinnen.
Du hast für uns das rechte Mass getroffen,
In reine Dumpfheit uns gehüllt,
Dass wir, von Lebenskraft erfüllt,
In holder Gegenwart der lieben Zukunft hoffen.
138
Aus »Lt'la^. — Weimar^ 1776,
l^eiger Gedanken
Bängliches Schwanken ,
Weibisches Zagen,
Aengstliches Klagen
Wendet kein Elend.
Macht dich nicht frei.
Allen Gewalten
Zum Trutz sich erhalten.
Nimmer sich beugen,
Kräftig sich zeigen,
Rufet die Arme
Der Götter herbei.
139
I
Der Uehergang von Frankfurt nach Weimar,
Seefahrt.
Lange Tag und Nächte stand mein Schiff
befrachtet.
Günstiger Winde harrend sass mit treuen
Freunden
Mir Geduld und guten Muth erzechend
Ich im Hafen.
Und sie waren doppelt ungeduldig:
»Gerne gönnen wir die schnellste Reise,
Gern die hohe Fahrt dir! Güterfülle
Wartet drüben in den Welten deiner,
Wird Rückkehrenden in unsem Armen
Lieb und Preis dirl«
Und am frühen Morgen wards Getümmel,
Und dem Schlaf entjauchzt uns der Matrose :
Alles wimmelt, alles lebet, webet,
Mit dem ersten Segenshauch zu schiffen.
Und die Segel blühen in dem Hauche,
Und die Sonne lockt mit Feuerliebe 1
Ziehn die Segel, ziehn die hohen Wolken
Jauchzen an dem Ufer alle Freunde
Hoffnungslieder nach, im Freudetaumel
Reisefreuden wähnend wie des Einschiffinorgens,
Wie der ersten hohen StemennächtQ,
140
Brief an Lcevater^ Weimar^ il, September 1^76.
Aber gottgesandte Wechselwinde treiben
Seitwärts ihn der vorgesteckten Fahrt ab —
Und er scheint sich ihnen hinzugeben.
Strebet leise sie zu überlisten,
Treu dem Zweck auch auf dem schiefen Wege.
Aber aus der dumpfen grauen Feme
Kündet leisewandelnd sich der Sturm an,
Drückt die Vögel nieder aufs Gewässer,
I Drückt der Menschen schwellend Herz dar-
I
j nieder —
Und er kommt. Vor seinem starren Wüthen
j Streckt der Schiffer klug die Segel nieder;
Mit dem angsterHillten Balle spielen
Wind und Wellen.
I Und an jenem Ufer drüben stehen
Freund' und Lieben, beben auf dem Festen!
Ach, warum ist er nicht hier geblieben!
Ach, der Sturm! Verschlagen weg vom Glücke,
Soll der Gute so zu Grunde gehen?
Ach, er sollte, ach, er könnte? — Götter!
Doch er steht männlich an dem Steuer.
Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen,
Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen.
Herrschend blickt er auf die grimme Tiefe
Und vertrauet, scheiternd oder landend.
Seinen Göttern.
141
Charlotte von Stein. — Erfurt^ 2. November 1776^
An den Geist des Johannes Secundus,
des Dichters der Basia.
Lieber, heiliger, grosser Küsser,
Der du mir in lechzend athmender
Glückseligkeit fast vorgethan hastl
Wem soll ichs klagen? Klagt ich dirs nicht,
Dir, dessen Lieder wie ein warmes Kissen
Heilender Kräuter mir unters Herz sich legten,
Dass es wieder aus dem krampfigen Starren
Erdetreibens klopfend sich erholte !
Ach, wie klag ich Dirs, dass meine Lippe
blutet,
Mir gespalten ist und erbärmlich schmerzet,
Meine Lippe, die so viel gewohnt ist.
Von der Liebe süssem Glück zu schwellen,
Und wie eine goldne Himmelspforte
Lallende Seligkeit aus- und einzustammeln !
Gesprungen ist sie 1 Nicht vom Biss der Holden,
Die, in voller ringsumfangender Liebe,
Mehr möcht haben von mir, und möchte
mich Ganzen
Ganz erküssen, und fressen und was sie könnte 1
142
3. November 1776 an Frau von Siein geschickt.
Nicht gesprungen, weil nach ihrem Hauche
Meine Lippen unheilige Lüfte entweihten.
Ach gesprungen, weil mich Oeden, Kalten,
Ueber beizenden Reif der Herbstwind anpackt!
Und da ist Traubensaft und der Saft der
Bienen
An meines Herdes treuem Feuer vereinigt:
Der soll mir helfen! Wahrlich, er hilft nicht:
Denn von der Liebe alles heilendem
Giftbalsam ist kein Tröpfchen drunter.
143
Weimar^ 1777'
Legende.
in der Wüsten ein heiliger Mann
Zu seinem Erstaunen thät treuen an
Einen ziegenfüssigen Faun; der sprach:
»Herr, betet für mich und mein Gefslhrt,
Dass ich zum Himmel gelassen werd^
Zur seligen Freud ; uns dürstet darnach.«
Der heilige Mann dagegen sprach:
»Es sieht mit deiner Bitte gar gefährlich,
Und gewährt wird sie dir schwerlich.
Du kommst nicht zum englischen Gruss,
Denn du hast einen Ziegenfuss.«
Da sprach hierauf der wilde Mann:
»Was hat euch mein Ziegenfuss gethan?
Sah ich doch manche strack und schön
Mit Eselsköpfen gen Himmel gehn.«
144
Brief an die Gräfin vom i'j, Juli i'j'jf.
An Auguste Gräfin zu Stolberg.
Nach dem Tode Cornelieni.
Alles geben Götter, die Unendlichen,
Ihren Lieblingen ganz:
Alle Freuden, die unendlichen.
Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz.
Hartleben. Goethe-Bievier.
145 10
Brief an Chatlotte Von Steitty Weimar ^ August 1777.
Und ich gehe meinen alten Gang
Meine liebe Wiese lang,
Tauche mich in die Sonne früh,
Bad ab im Monde des Tages Müh,
Leb in Liebes-Klarheit und Kraft.
Thut mir wohl des Herren Nachbarschaft,
Der in Liebes-Dumpfheit und Kraft hinlebt
Und sich durch seltenes Wesen webt.
146
I
«
Weimar 1777.
Proserpina.
Jtlaltel Halt einmal, Unselige 1 Vergebens
Irrst du in diesen rauhen Wüsten hin und her!
Endlos liegen vor dir die Trauergefilde,
Und was du suchst, liegt immer hinter dir.
Nicht vorwärts,
Aufwärts auch soll dieser Blick nicht steigen I
Die schwarze Höhle des Tartarus
Verwölbt die lieben Gegenden des Himmels,
In die ich sonst
Nach meines Ahnherrn froher Wohnung
Mit Liebesblick hinaufsah 1
Achl Tochter du des Jupiters,
Wie tief bist du verloren! —
Gespielinnen !
Als jene blumenreiche Thäler
Für uns gesammt noch blühten,
Als an dem himmelsklaren Strom des Alpheus
Wir plätschernd noch im Abendstrahle scherzten,
Einander Kränze wanden
Und heimlich an den Jüngling dachten.
Dessen Haupt unser Herz sie widmete;
Da war uns keine Nacht zu tief zum Schwätzen,
147 10*
später als Einlage
Keine Zeit zu lang,
Um freundliche Geschichten zu wiederholen,
Und die Sonne
Riss leichter nicht aus ihrem Silberbette
Sich auf, als wir voll Lust zu leben
Früh im Tau die Rosenftisse badeten. —
O Mädchen I Mädchen!
Die ihr, einsam nun,
Zerstreut an jenen Quellen schleicht.
Die Blumen auflest,
Die ich, ach Entführte 1
Aus meinem Schoosse fallen Hess,
Ihr steht und seht mir nach, wohin ich verschwand !
Weggerissen haben sie mich.
Die raschen Pferde des Orkus;
Mit festen Armen
Hielt mich der unerbittliche Gott!
Amor 1 Ach Amor floh lachend auf zum Olymp —
Hast du nicht, Muthwilliger,
Genug an Himmel und Erde,
Musst du die Flammen der Hölle
Durch deine Flammen vermehren? —
Herunter gerissen
In diese endlose Tiefen 1
Königin hier!
Königin ?
Vor der nur Schatten sich neigen!
148
im Triumph der Empfindsamkeit
Hoffnungslos ist ihr Schmerz!
Hoffnungslos der Abgeschiedenen Glück,
Und ich wend es nicht.
Den ernsten Gerichten
Hat das Schicksal sie übergeben —
Und unter ihnen wandr ich umher,
Göttini Königini
Selbst Sklavin des Schicksals!
Ach das fliehende Wasser
Möcht ich dem Tantalus schöpfen,
Mit lieblichen Früchten ihn sättigen!
Armer Alter I
Für gereiztes Verlangen gestraft! —
In Ixions Rad möcht ich greifen,
Einhalten seinen Schmerz I
Aber was vermögen wir Götter
Ueber die ewigen Qualen!
Trostlos für mich und für sie,
Wohn ich unter ilmen und schaue
Der armen Danaiden Geschäftigkeit!
Leer und immer leer,
Nicht einen Tropfen Wassers zum Munde,
Nicht einen Tropfen Wassers in ihre Wannen :
Leer und immer leer!
Ach so ists mit dir auch, mein Herz!
Woher willst du schöpfen? — Und wohin ? —
Euer ruhiges Wandeln, Selige,
Streicht nur vor mir vorüber —
149
Schopenhauer würdigt
Mein Weg ist nicht mit euch!
In euem leichten Tänzen,
In euera tiefen Hainen,
In euera lispelnden Wohnungen,
Rauschts nicht von Leben wie droben,
Schwankt nicht von Schmerz zu Lust
Der Seligkeit Fülle. —
Ists auf seinen düstera Augenbrauen,
Im verschlossenen Blicke?
Magst du ihn Gemahl nennen?
Und darfst du ihn anders nennen?
Liebe! Liebe!
Warum öffnetest du sein Herz
Auf einen Augenblick?
Und warum nach mir,
Da du wusstest,
Es werde sich wieder auf ewig verschliesscn ?
Warum ergriff er nicht meine Nymphen,
Und setzte sie neben sich
Auf seinen kläglichen Thron?
Warum mich, die Tochter der Ceres?
O Mutter! Mutter!
Wie dich deine Gottheit verlässt
Im Verlust deiner Tochter,
Die du glücklich glaubtest
Hinspielend, hintändelnd ihre Jugend!
150
die ^unvergleichliche Darstellungi^
Ach du kamst gewiss
Und fragtest nach mir,
Was ich bedürfte?
Etwa ein neues Kleid,
Oder goldene Schuhe?
Und du fandest die Mädchen
An ihre Weiden gefesselt,
Wo sie mich verloren,
Nicht wieder fanden,
Ihre Locken zerrauften,
Erbärmlich klagten,
Meine lieben Mädchen! —
Wohin ist sie? Wohin? rufst du;
Welchen Weg nahm der Verruchte?
Soll er ungestraft Jupiters Stamm entweihen?
Wohin geht der Pfad seiner Rosse?
Fackeln herl
Durch die Nacht will ich ihn verfolgen!
Will keine Stunde ruhen, bis ich sie finde,
Will keinen Gang scheuen,
Hierhin und dorthin. —
Dir blinken deine Drachen mit klugen
Augen zu,
Aller Pfade gewohnt, folgen sie deinem Lenken:
In der unbewohnten Wüste treibt dich's irre —
Ach nur hierher, hierher nicht,
Nicht in die Tiefe der Nacht,
151
des Mythos von der Proserptna
Unbetreten den Ewiglebenden.
Wo bedeckt von beschwerendem Graus
Deine Tochter ermattet!
Wende aufwärts,
Aufwärts den geflügelten Schlangenpfad,
Aufwärts nach Jupiters Wohnung!
Der weiss es,
Der weiss es allein, der Erhabene,
Wo deine Tochter ist! —
Vater der Götter und Menschen!
Ruhst du noch oben auf deinem goldnen Stuhle,
Zu dem du mich Kleine
So oft mit Freundlichkeit aufhobst,
In deinen Händen mich scherzend
Gegen den endlosen Himmel schwenktest,
Dass ich kindisch droben zu versch weben bebte?
Bist du's noch, Vater? —
Nicht zu deinem Haupte,
In dem ewigen Blau
Des feuerdurchschwebten Himmels —
Hier! hier! — —
Leite sie her!
Dass ich auf mit ihr
Aus diesem Kerker fahre!
Dass mir Phöbus wieder
152
im ersten Band der Welt als Wille
Seine lieben Strahlen bringe,
I^una wieder
Aus den Silberlocken lächle.
O du hörst mich,
Freundlichlieber Vater,
Wirst mich wieder,
Wieder aufwärts heben,
Dass, befreit von langer, schwerer Plage,
Ich an deinem Himmel wieder mich ergötze!
Letze dich, verzagtes HerzI
Ach! Hoffnung!
Hoffnung giesse
In Sturmnacht Morgenröthel
Dieser Boden
Ist nicht Fels, nicht Moos mehr.
Diese Berge
Nicht voll schwarzen Grauses!
Ach hier find ich wieder eine Blume!
Dieses welke Blatt,
Es lebt noch,
Harrt noch
Dass ich seiner mich erfreue!
Seltsam! — Seltsam!
Find ich diese Frucht hier?
Die mir in den Gärten droben
Ach, so lieb war —
Sie bricht den Granatapfel ab.
153
und Vorstellung^ Buch 4. § 60.
Lass dich geniessen,
Freundliche Frucht I
Lass mich vergessen
Alle den Harml
Wieder mich wähnen
Droben in Jugend,
In der vertaumelten
Lieblichen Zeit,
In den umduftenden
Himmlischen Blüthen,
In den Gerüchen
Seliger Wonne,
Die der Entzückten,
Der Schmachtenden ward! —
Sie isst einige Körner.
Labend! — Labend!
Wie greifts auf einmal
Durch diese Freuden,
Durch diese offene Wonne,
Mit entsetzlichen Schmerzen,
Mit eisernen Händen
Der Hölle durch!
Was hab ich verbrochen? —
Dass ich genoss?
Ach warum schafft
Die erste Freude hier mir Qual?
Was ists? Was ists? —
Ihr Felsen scheint hier schrecklicher herab«
zuwinken,
154
Weimar 7777.
Mich fester zu umfassen!
Ihr Wolken, tiefer mich zu drücken!
Im fernen Schoosse des Abgrunds
Dumpfe Gewitter tosend sich zu erzeugen!
Und ihr weiten Reiche oder Parzen,
Mir zuzurufen:
Du bist unser!
Die Parzen,
unsichtbar.
Du bist unser!
Ist der Rathschluss deines Ahnherrn:
Nüchtern solltest du wiederkehren;
Und der Biss des Apfels macht dich unser!
Königin wir ehren dich!
Proserpina.
Hast du's gesprochen, Vater?
Warum? Warum?
Wasjthat ich, dass du mich verstössest?
Warum rufst du mich nicht
Zu deinem lichten Thron auf!
Warum den Apfel?
O verflucht die Früchte!
Warum sind Früchte schön,
Wenn sie verdammen?
Parzen.
Bist nun unser!
Warum trauerst du?
155
Proserpina
Sieh, wir ehren dich,
Unsre Königin!
Proserpina.
O wäre der Tartarus nicht eure Wohnung,
Dass ich euch hin verwünschen könnte!
O wäre der Kocyt nicht euer ewig Bad,
Dass ich für euch
Noch Flammen übrig hätte!
Ich Königin,
Und kann euch nicht vernichten 1
In ewigem Hass sei ich mit euch verbunden I —
So schöpfet Danaiden!
Spinnt, Parzen! Wütet, Furien!
In ewig gleich elendem Schicksal!
Ich beherrsche euch,
Und bin darum elender als ihr alle.
Parzen.
Du bist unser!
Wir neigen uns dir!
Bist unser! Unser!
Hohe Königin!
Proserpina.
Fern! Weg von mir
Sei eure Treu und eure Herrlichkeit!
156
Weimar 1777.
Wie hass ich euch!
Und dich, wie zehnfach hass ich dich —
Weh mir! ich fühle schon
Die verhassten Umarmungen!
Parzen.
Unser! Unsre Königin!
Proserpina.
Warum reckst du sie nach mir?
Recke sie nach dem Avemus!
Rufe die Qualen aus Stygischen Nächten empor !
Sie steigen deinem Wink entgegen.
Nicht meine Liebe
Wie hass ich dich,
Abscheu und Gemahl,
O Pluto! Pluto!
Gieb mir das Schicksal deiner Verdammten!
Nenn es nicht Liebe ! —
Wirf mich mit diesen Armen
In die zerstörende Qual!
Parzen.
Unser! Unser! Hohe Königin!
157
Goethe trennte sich von der Jagdgesellschaf t des Herzogs
Auf dem Harz im December 1777,
Uem Geier gleich,
Der auf Morgenschlossen- Wolken
Mit sanftem Fittich ruhend
Nach Beute schaut,
Schwebe mein Liedl
Denn ein Gott hat
Jedem seine Bahn
Vorgezeichnet,
Die der Glückliche
Rasch zum freudigen
Ziele läuft —
Aber wem Unglück
Das Herz zusammenzog,
Sträubt vergebens
Gegen die Schranken
Des ehernen Fadens,
Den die doch bittre Schere
Nur einmal löst. — —
153
und ritt im Sturntwetter auf den Harz zu dem
In Dickichts-Schauer
Drängt sich das rauhe Wild,
Und mit den Sperlingen
Haben längst die Reichen
In ihre Sümpfe sich gesenkt.
Leicht ists, folgen dem Wagen,
Den Fortuna fuhrt,
Wie der gemächliche Tross
Auf gebesserten Wegen
Hinter des Fürsten Einzug.
Aber abseits, wer ists?
Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad,
Hinter ihm schlagen
Die Sträuche zusammen —
Das Gras steht wieder auf,
Die Oede verschlingt ihn.
Ach, wer heilet die Schmerzen
Dess, dem Balsam zu Gift ward.
Der sich Menschenhass
Aus der Fülle der Liebe trank?
Erst verachtet, nun ein Verächter,
Zehrt er heimlich auf
Seinen eignen Werth
In ungenügender Selbstsucht.
Ist auf deinem Psalter
Vater der Liebe, ein Ton
Seinem Ohre vernehmlich,
159
Werthertschen Menschenfeindt Plessing in Wernigerode^
So erquicke dies Herzl
Oeffne den umwölkten Blick
lieber die tausend Quellen
Neben dem Durstenden
In der Wüste! —
Der du der Freuden viel schaffst,
Jedem ein überfliessend Mass,
Segne die Brüder der Jagd,
Auf der Fährte des Schweins
Mit jugendlichem Uebermuth
Fröhlicher Mordsucht,
Späte Rächer des Unbills,
Dem schon Jahre vergeblich
Wehrt mit Knütteln der Bauer.
Aber den Finsamen hüll
In deine Gold wölken!
Umgieb mit Wintergrün,
Bis die Kose wieder heranreift,
Die feuchten Haare,
O Liebe, deines Dichters 1
Mit der dämmernden Fackel
Leuchtest du ihm
Durch die Furten bei Nacht,
Ueber grundlose Wege,
Auf öden Gefilden —
Mit dem tausendfarbigen Morgen
Lachst du ins Herz ihm — /
160
\
1
um ihm unerkannt Trost und Muth zutusprechen.
Mit dem beizenden Sturm
Trägst du ihn hoch empor —
Winterströme stürzen vom Felsen
In seine Psalmen,
Und Altar des lieblichsten Danks
Wird ihm des gefürchteten Gipfels
Schneebehangener Scheitel,
Den mit Geisterreihen
Kränzten ahnende Völker.
Du stehst, unerforscht die Geweide,
Geheimnissvoll offenbar
Ueber der erstaunten Welt
Und schaust aus Wolken
Auf ihr Reiche und Herrlichkeit,
Die du aus den Adern deiner Brüder
Neben dir wässerst.
Hartlebeil, CoetUc- Brevier.
161 11
Brief an Charlotte von Stein vom ig, Februar 1778.
An den Mond.
Füllest wieder Busch und Thal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz.
Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
lieber mein; Geschidu
Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh- und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud und Schmerz
In der Einsamkeit.
Fliesse, fliesse, lieber Fluss 1
Nimmer werd ich froh:
So verrauschte Scherz und Kuss
Und die Treue so.
Ich besass es doch einmal,
Was so köstlich ist!
Dass man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergissti
162
Brief an Charlotte von Stein 'vom ig. Februar 17^8.
Rausche, Fluss, das Thal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüstre meinem Sang
Melodien zu,
Wenn du in der Winternacht
Wüthend überschwillst,
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst. —
Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Hass verschliesst,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem geniesst.
Was, von Menschen nicht gewusst
Oder nicht bedacht.
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.
163 11
Brief an Auguste zu Stolberg vom ly. März 1778.
Grabschrift:
Ich war ein Knabe wann und gut,
Als Jüngling hatt ich frisches Blut,
Versprach einst einen Mann.
Gelitten hab ich und geliebt
Und liege nieder ohnbetrübt
Da ich nicht weiter kann.
164
Weimar^ Winter lyyS— 1779.
Der Fischer.
Uas Wasser rauscht, das Wasser schwoll,
Ein Fischer sass daran.
Sah nach dem Angel ruhevoll,
Kühl bis ans Herz hinan.
Und wie er sitzt und wie er lauscht,
Theilt sich die Fluth empor:
Aus dem bewegten Wasser rauscht
Ein feuchtes Weib hervor.
Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
»Was lockst du meine Brut
Mit Menschenwitz und Menschenlist
Hinauf in Todesgluth ?
Ach, wüsstest du, wies Fischlein ist
So wohlig auf dem Grund,
Du stiegst herunter, wie du bist.
Und würdest erst gesund.
Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenathmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?
165
In Herders Volksliedern : »Das Lied v, Fischer^ deutschet..
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
Das feuchtverklärte Blau?
Lockt dich dein eigen Angesicht
Nicht her in ewgen Thau?€ —
Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll,
Netzt ihm den nackten Fuss.
Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll
Wie bei der Liebsten Gruss.
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm —
Da wars um ihn geschehn:
Halb zog sie ihn, halb sank er hin,
Und ward nicht mehr gesehn.
166
Staubbach bei Lauterbt unnetty
Gesang der Geister über den Wassern,
Schweizerreise 1779.
ües Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muss es —
Ewig wechselnd.
^ömt von der hohen,
Steilen Felswand
Der reine Strahl,
Dann stäubt er lieblich
In Wolkenwellen
Zum glatten Fels,
Und, leicht empfangen.
Wallt er verschleiernd,
Leisrauschend
Zur Tiefe nieder.
Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen —
167
Abend des p, und Morgen des lo. October lyyg.
Schäumt er unmuthig
Stufenweise
Zum Abgrund.
Im flachen Bette
Schleicht er das Wiesenthal hin,
Und in dem glatten See
Weiden ihr Antlitz
Alle Gestirne.
Wind ist der Welle
Lieblicher Buhler —
Wind mischt vom Grund aus
Schäumende Wogen.
Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind I
168
6. September 1780, auf dem Gickelhahn bei Ilmenau,
Wanderers Nachtlied.
Ueber allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögel schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.
iw
Ilmenau^ September lySo,
An Frau von Stein.
I.
Efin Jeder hat sein Ungemach.
Stein zieht den alten Ochsen nach,
Der Herzog jungen Hasen.
Der Prinz ist gutgesinnt fürs Bett,
Und ach, wenn ich ein Misel hätt.
So schwätzt ich nicht mit Basen.
II.
Es fahret die poetsche Wuth
In unsrer Freunde junges Blut,
Es siedet über und über.
Apollo, lass es ja dabei
Und mache sie dagegen frei
Von jedem andern Fieber 1
170
JS' September i'/8o zu Kaltennordheim in Thüringen
Meine Göttin.
Welcher Unsterblichen
Soll der höchste Preis sein?
Mit keiner streit ich;
Aber ich geb ihn
Der ewig beweglichen,
Immer neuen
Seltsamsten Tochter Jovis,
Seinem Schooskinde,
Der Phantasie.
Denn ihr hat er
All die Launen,
Die er sonst nur allem
Sich vorbehält,
Zugestanden
Und hat seine Freude
An der Thörin.
Sie mag rosenbekränzt
Mit dem Lilienstengel
m
gedichtet und an Charlotte von Stein gesandt,
Blumenthäler betreten,
Sommervögeln gebieten
Und leichtnährenden Thau
Mit Bienenlippen
Von Blüthen saugen —
Oder sie mag
Mit fliegendem Haar
Und düstrem Blick
Im Winde sausen
Um Felsenwand,
Und tausendfarbig
Wie Morgen und Abend,
Immer wechselnd
Wie Mondesblicke,
Dem Sterblichen scheinen«
Lasst uns alle
Den Vater preisen.
Den alten, hohen.
Der solch eine schöne,
Unverwelkliche Gattin
Dem sterblichen Menschen
Gesellen mögen 1
Denn uns allein
Hat er sie verbunden
Mit Himmelsband
Und ihr geboten,
Ml
Herbst lySi als -^Odett im Tiefurter Journal .
In Freud und Elend
Als treue Gattin
Nicht zu entweichen.
Hingehen die armen
Andren Geschlechter
Der kinderreichen
Lebendigen £rde
In dunklem Genuss
Und trübem Leiden
Des augenblicklichen
Beschränkten Lebens,
Gebeugt vom Joche
Der Nothdurft.
Uns aber hat er
Seine gewandteste,
Verzärtelte Tochter —
Freut euchl — gegönnt.
Begegnet ihr lieblich
Wie einer Geliebten T
Lasst ihr die Würde
Der Frauen im Hausl
Und dass die alte
Schwiegermutter Weisheit
Das zarte Seelchen
Ja nicht beleidgel
173
Kaltennordheim, 75. September jySo,
Doch kenn ich ihre Schwester,
Die ältere, gesetztere,
Meine stille Freundin:
O, dass die erst
Mit dem Lichte des Lebens
Sich von mir wende,
Die edle Treiberin,.
Trösterin, Hoffnung!
174
Weimar^ Anfang August 1781,
Erlkönig.
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind.
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.
Mein Sohn, was birgst du so bang dein
Gesicht? —
Siehst; Vater, du den Erlkönig nicht,
Den Erlenkönig mit Krön und Schweif? —
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. —
Du liebes Kind, komm geh mit mirl
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir,
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand. —
Mein Vater, mein Vater, und hörest du
nicht.
Was Erlenkönig mir leise verspricht?
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind!
In dürren Blättern säuselt der Wind. —
175
Anfangsbaliade des Singspiels ^Die Fischerint,
Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töqhter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein. —
Mein Vater, mein Vater, und siehst du
nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstem Ort?
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau.
Es scheinen die alten Weiden so grau. —
Ich liebe dich, mich reizt deine schöne
Gestalt 1
Und bist du nicht willig, so brauch ich
Gewalt! —
Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an !
Erlkönig hat mir ein Leids gethan! —
Dem Vater grausets, er reitet geschwind;
Er hält in Armen das ächzende Kind.
Erreicht den Hof mit Mühe und Noth;
In seinen Armen das Kind war todt.
176
Weimar, September tySi,
Grenzen der Menschheit.
Wenn der uralte
Heilige Vater
Mit gelassener Hand
Aus rollenden Wolken
Segnende Blitze
Über die Erde sät,
Küss ich den letzten
Saum seines Kleides,
Kindliche Schauer
Treu in der Brust.
Denn mit Göttern
Soll sich nicht messen
Irgend ein Mensch«
Hebt er sich aufwärts
Und berührt
Mit dem Scheitel die Sterne,
Nirgends haften dann
Die unsichem Sohlen,
Und mit ihm spielen
Wolken und Winde.
Hartleben, Goethe-Brevier.
177 12
Absage an den Tüanismus»
Steht er mit festen,
Markigen Knochen
Auf der wohlgegründeten,
Dauernden Erde,
Reicht er nicht auf,
Nur mit der Eiche
Oder der Rebe
Sich zu vergleichen.
Was unterscheidet
Götter von Menschen?
Dass viele Wellen
Vor jenen wandeln,
Ein ewiger Strom —
Uns hebt die Welle,
Verschlingt die Welle,
Und wir versinken.
Ein kleiner Ring
Begrenzt unser Leben,
Und viele Geschlechter
Reihen sich dauernd
An ihres Daseins
Unendliche Kette.
178
Weimar, September 1781.
Das Göttliche.
lidel sei der Mensch,
Hülfreich und gut!
Denn das allein
Unterscheidet ihn
Von allen Wesen,
Die wir kennen.
Heil den unbekannten
Höhern Wesen,
Die wir ahnen!
Ihnen gleiche der Mensch!
Sein Beispiel lehr uns
Jene glauben.
Denn unfühlend
Ist die Natur:
Es leuchtet die Sonne
Über Bös und Gute,
Und dem Verbrecher
Glänzen wie dem Besten
Der Mond und die Sterne.
179 12^
Zuerst gedrtickt im Tüfurter Journal 1783,
Wind und Ströme,
Donner und Hagel
Rauschen ihren Weg
Und ergreifen,
Vorübereilend,
Einen um den andern.
Auch so das Glück
Tappt unter die Menge,
Fasst bald des Knaben
Lockige Unschuld,
Bald auch den kahlen
Schuldigen Scheitel.
Nach ewigen, ehrnen,
Grossen Gesetzen
Müssen wir alle
Unseres Daseins
Kreise vollenden.
Nur allein der Mensch
Vermag das Unmögliche:
Er unterscheidet,
Wählet und richtet —
Er kann dem Augenblick
Dauer verleihen.
Er allein darf
Den Guten lohnen.
Den Bösen strafen,
180
IVeimar, Stpiemher lySi.
Heilen und retten
Alles Irrende, Schweifende
Nützlich verbinden.
Und wir verehren
Die Unsterblichen,
Als wären sie Menschen,
Thäten im Grossen,
Was der Beste im Kleinen
Thut oder möchte.
Der edle Mensch
Sei hülfreich und gut!
Unermüdet schaff er
Das Nützliche, Rechte,
Sei uns ein Vorbild
Jener geahneten Wesen I
181
Charlotte von Stein. — 20, September lySi.
0.
Nachtgedanken.
iiuch bedaur ich, unglückselge Sterne,
Die ihr schön seid und so herrlich scheinet,
Dem bedrängten Schiffer gerne leuchtet,
Unbelohnt von Göttern und von Menschen :
Denn ihr liebt nicht, kanntet nie die Liebe.
Unaufhaltsam fuhren ewge Stunden
Eure Reihen durch den weiten Himmel.
Welche Reise habt ihr schon voUendet,
Seit ich, weilend in dem Arm der Liebsten,
Euer und der Mittemacht vergessen 1
182
Charlotte von Stein,
Der Becher.
llinen wohlgeschnitzten vollen Becher
Hielt ich drückend in den beiden Händen,
Sog begierig süssen Wein vom Rande,
Gram und Sorg auf einmal zu vertrinken.
Amor trat herein und fand mich sitzen,
Und er lächelte bescheiden weise,
Als den Unverständigen bedauernd.
»Freund, ich kenn ein schöneres Gefässe,
Werth, die ganze Seele drein zu senken:
Was gelobst du, wenn ich dir es gönne
Es mit anderm Nektar dir erfülle?« —
O, wie freundlich hat er Wort gehalten,
Da er, Lotte, dich mit sanfter Leitung
Mir, dem lange sehnenden, geeignet 1
Wenn ich deine lieben Hüften halte
Und von deinen einzig treuen Lippen
Langbewahrter Liebe Balsam koste,
Selig Sprech ich dann zu meinem Geiste;
183
V
Auf dem Wege nach Merseburgs 22. September i'/8i.
Nein, ein solch Gefass hat ausser Amom
Nie ein Gott gebildet noch besessen!
Solche Formen treibet nie Vulkanus
Mit den sinnbegabten feinen Hämmern!
Auf belaubten Hügeln mag Lyäus
Durch die ältsten, klügsten seiner Faunen
Ausgesuchte Trauben keltern lassen,
Selbst geheimnisvoller Gährung vorstehn —
Solcher Trank verschafft ihm keine Sorgfalt!
W
GoihOy Anfang October 1781.
An Lotte.
Uen Einzigen, Lotte, welchen du lieben
kannst,
Forderst du ganz für dich, und mit Recht.
Auch ist er einzig dein.
Denn, seit ich von dir bin,
Scheint mir des schnellsten Lebens
Lärmende Bewegung
Nur ein leichter Flor, durch den ich deine
Gestalt
Immerfort wie in Wolken erblicke:
Sie leuchtet mir freundlich und treu,
Wie durch des Nordlichts bewegliche Strahlen
Ewige Sterne schimmern.
185
Dem Herzog zum siebenundzwanzigsten Geburtstage,
Dem Herzog von Weimar zum
Geburtstage.
Ilmenau, 3. Sept. 1783.
Anmuthig Thal! Du immergrüner Hain!
Mein Herz begrüsst euch wieder auf das Beste!
Entfaltet mir die schwerbehangnen Aeste,
Nehmt freundlich mich in eure Schatten ein,
Erquickt von euren Höhn am Tag der Lieb
und Lust
Mit frischer Luft und Balsam meine Brust!
Wie kehrt ich oft mit wechselndem Geschicke,
Erhabner Berg, an deinen Fuss zurücke!
O lass mich heut an deinen sachten Höhn
Ein jugendlich, ein neues Eden sehn!
Ich hab es wohl auch mit um euch verdienet:
Ich sorge still, indess ihr ruhig grünet !
Lasst mich vergessen, dass auch hier die Welt
So manch Geschöpf in Erdefesseln hält,
Der Landmann leichtem Sand den Samen
anvertraut
Und seinen Kohl dem frechen Wilde baut,
ISO
auf dem Thüringer Walde^
Der Knappe karges Brod in Klüften sucht,
Der Köhler zittert, wenn der Jäger flucht.
Verjüngt euch mir, wie ihr es oft gethan.
Als fing ich heut ein neues Leben an.
Ihr seid mir hold, ihr gönnt mir diese
Träume:
Sie schmeicheln mir und locken alte Reime.
Mir wieder selbst, von alleft Menschen fern.
Wie bad ich mich in euren Düften geml
Melodisch rauscht die hohe Tanne wieder.
Melodisch eilt der Wasserfall hernieder —
Die Wolke sinkt, der Nebel drückt ins Thal,
Und es ist Nacht und Dämmrung auf einmal.
Im finstem Wald, beim Liebesblick der
Sterne,
Wo ist mein Pfad, den sorglos ich verlor?
Welch seltne Stimmen hör ich in der Feme?
Sie schallen wechselnd an dem Fels empor.
Ich eile sacht zu sehn, was es bedeutet.
Wie von des Hirsches Ruf der Jäger still
geleitet.
Wo bin ich? Ists ein Zaubermärchen-Land?
Welch nächtliches Gelag am Fuss der Felsen-
wand?
1Ö7
vom /. bis j. September 1783.
Bei kleinen Hütten, dicht mit Reis bedecket,
Seh ich sie froh ans Feuer hingestrecket :
Es dringt der Glanz hoch durch den Fichten-Saal :
Am niedem Herde kocht ein rohes Mahl:
Sie scherzen laut, indessen, bald geleeret,
Die Flasche frisch im Kreise wiederkehret.
Sagt, wem vergleich ich diese muntre Schaar ?
Von wannen kommt sie? Um wohin zu ziehen?
Wie ist an ihr doch alles wunderbar!
Soll ich sie grüssen? Soll ich vor ihr fliehen?
Ist es der Jäger wildes Geisterheer?
Sinds Gnomen, die hier Zauberkünste treiben?
Ich seh im Busch der kleinen Feuer mehr:
Es schaudert mich, ich wage kaum zu bleiben.
Ists der Aegyptier verdächtiger Aufenthalt?
Ist es ein flüchtiger Fürst wie im Ardenner-Wald?
Soll ich Verirrter hier in den verschlungenen
Gründen
Die Geister Shakespeares gar verkörpert finden ?
Ja, der Gedanke führt mich eben recht:
Sie sind es selbst, wo nicht ein gleich Geschlecht,
Unbändig schwelgt ein Geist in ihren Mitten,
Und durch die Kohheit fühl ich edle Sitten.
Wie nennt ihr ihn? Wer ists, der dort gebückt
Nachlässig stark die breiten Schultern drückt?
Er sitzt zunächst, gelassen an der Flamme,
Die markige Gestalt aus altem Heldenstamme.
188
Erst j8is in die Werke aufgenotHfnen.
EJr saugt begierig am geliebten Rohr,
Es steigt der Dampf an seiner Stirn empor.
Gutmüthig trocken weiss er Freud und Lachen
Im ganzen Zirkel laut zu machen,
Wenn er mit ernstlichem Gesicht
Barbarisch bunt in fremder Mundart spricht.
Wer ist der andre, der sich nieder
An einen Sturz des alten Baumes lehnt,
Und seine langen, feingestalten Glieder
Ekstatisch faul nach allen Seiten dehnt,
Und, ohne dass die Zecher auf ihn hören,
Mit Geistesflug sich in die Höhe schwingt
Und von dem Tanz der himmelhohen Sphären
Ein monotones Lied mit grosser Inbrunst singt ?
Doch scheinet allen etwas zu gebrechen.
Ich höre sie auf einmal leise sprechen.
Des Jünglings Ruhe nicht zu unterbrechen,
Der dort am Ende, wo das Thal sich schliesst,
In einer Hütte, leicht gezimmert,
Vor der ein letzter Blick des kleinen Feuers
schimmert.
Vom Wasserfall umrauscht, des milden Schlafs
geniesst
Mich treibt das Herz, nach jener Kluft zu
wandern —
Ich schleiche still und scheide von den andern.
189
Der Goethe von 1783 spricht mit dem von 1776.
»Sei mir gegrüsst, der hier in später Nacht
Gedankenvoll an dieser Schwelle wacht 1
Was sitzest du entfernt von jenen Freuden?
Du scheinst mir auf was Wichtiges bedacht.
Was ists, dass du in Sinnen dich verlierest,
Und nicht einmal dein kleines Feuer schürest?«
» »O, frage nicht I Denn ich bin nicht bereit,
Des Fremden Neugier leicht zu stillen.
Sogar verbitt ich deinen guten Willen:
Hier ist zu schweigen und zu leiden Zeit.
Ich bin dir nicht im Stande selbst zu sagen
Woher ich sei, wer mich hierher gesandt.
Von fremden Zonen bin ich her verschlagen
Und durch die Freundschaft festgebannt.
Wer kennt sich selbst? Wer weiss, was er
vermag ?
Hat nie der Muthige Verwegnes unternommen?
Und was du thust, sagt erst der andre Tag,
War es zum Schaden oder Frommen.
Liess nicht Prometheus selbst die reine
Himmelsgluth
Auf frischen Thon vergötternd niederfliessen ?
Und könnt er mehr als irdisch Blut
Durch die belebten Adern giessen?
Ich brachte reines Feuer vom Altar —
Was ich entzündet, ist nicht reine Flamme.
Der Sturm vermehrt die Gluth und die Gefahr :
Ich schwanke nicht, indem ich michverdam me.
190
Die %Episode*^ des Gedichts giebt eine Vision
Und wenn ich unklug Muth und Freiheit sang
Und Redlichkeit und Freiheit sonder Zwang,
Stolz auf sich selbst und herzliches Behagen,
Erwarb ich mir der Menschen schöne Gunst.
Doch ach I Ein Gott versagte mir die Kunst,
Die arme Kunst, mich künstlich zu betragen.
Nun sitz ich hier, zugleich erhoben und gedrückt,
Unschuldig und gestraft, und schuldig und be-
glückt. —
Doch rede sacht ? Denn unter diesem Dach
Ruht all mein Wohl und all mein Ungemach :
Ein edles Herz, vom Wege der Natur
Durch enges Schicksal abgeleitet,
Das, ahnungsvoll, nun auf der rechten Spur
Bald mit sich selbst und bald mit Zauber-
schatten streitet
Und was ihm das Geschick durch die Geburt
geschenkt,
Mit Müh und Schweiss erst zu erringen denkt.
Kein liebevolles Wort kann seinen Geist ent-
hüllen
Und kein Gesang die hohen Wogen stillen.
Wer kann der Raupe, die am Zweige kriecht.
Von ihrem künftgen Futter sprechen?
Und wer der Puppe, die am Boden liegt.
Die zarte Schale helfen durchzubrechen?
Es kommt die Zeit, sie drängt sich selber los
Und eilt auf Fittichen der Rose in den Schooss.
191
aus der Sturm- und Drangzeit der siebziger Jahre^
Gewiss, ihm geben auch die Jahre
Die rechte Richtung seiner Kraft.
Noch ist bei tiefer Neigung für das Wahre
Ihm Irrthum eine Leidenschaft.
Der Vorwitz lockt ihn in die Weite,
Kein Fels ist ihm zu schroff, kein Steg zu
schmal ;
Der Unfall lauert an der Seite
Und stürzt ihn in den Arm der Qual.
Dann treibt die schmerzlich überspannte Regung
Gewaltsam ihn bald da, bald dort hinaus.
Und von unmuthiger Bewegung
Ruht er unmuthig wieder aus.
Und düster wild an heitern Tagen,
Unbändig, ohne froh zu sein.
Schläft er, an Seel und Leib verwundet und
zerschlagen,
Auf einem harten Lager ein.
Indessen ich hier still und athmend kaum
Die Augen zu den freien Sternen kehre.
Und, halb erwacht und halb im schweren
Traum,
Mich kaum des schweren Traums erwehre.««
Verschwinde du!
Und o wie dank ich euch,
Dass ihr mich heut auf einen Pfad gestellet,
192
die Goethe mit dem Herzog durchgemacht
Wo auf ein einzig Wort die ganze Gegend
gleich
Zum schönsten Tage sich erhellet 1
Die Wolke flieht, der Nebel fällt,
Die Schatten sind hinweg — ihr Götter, Preis
und Wonne 1
Es leuchtet mir die wahre Sonne,
Es lebt mir eine schönre Weltl
Das ängstliche Gesicht ist in die Luft zerronnen.
Ein neues Leben ists, es ist schon lang be-
gonnen.
Ich sehe hier, wie man nach langer Reise
Im Vaterland sich wieder kennt,
Ein ruhig Volk in stillem Fleisse
Benutzen, was Natur an Gaben ihm gegönnt.
Der Faden eilet von dem Rocken
Des Webers raschem Stuhle zu.
Und Seil und Kübel wird in längrer Ruh
Nicht am verbrochnen Schachte stocken.
Es wird der Trug entdeckt, die Ordnung
kehrt zurück.
Es folgt Gedeihn und festes irdsches Glück.
So mög, o Fürst, der Winkel deines Landes
Ein Vorbild deiner Tage sein !
Du kennest lang die Pflichten deines Standes
Und schränkest nach und nach die freie
Seele ein.
Hartleben, Goethe-Brevier.
193 13
und jetzt utfertounäen haiii.
Der kann sich manchen Wunsch gewähren.
Der kalt sich selbst und seinem Willen lebt :
Allein wer andre wohl zu leiten strebt,
Muss fähig sein viel zu entbehren.-
So wandle du — der Lohn ist nicht gering —
Nicht schwankend hin, wie jener Sämann ging,
Dass bald ein Korn, des Zufalls leichtes Spiel,
Hier auf den Weg, dort zwischen Domen fiel:
NeinI Streue klug wie reich mit männlich
steter Hand
Den Segen aus auf ein geackert Land I
Dann lass es ruhn : die Ernte wird erscheinen
Und dich beglücken und die Deinen.
194
Wilhelm Meister. — Weimar, i'/Sj.
Der Sänger.
»Was hör ich draussen vor dem Thor,
Was auf der Brücke schallen?
Lasst den Gesang vor unserm Ohr
Im Saale wiederhallen!«
Der König sprachs, der Page lief,
Der Page kam, der König rief:
»Lasst mir herein den Alten!«
»Gegrüsset seid mir, edle Herrn,
Gegrüsst ihr, schöne Damen!
Welch reicher Himmel! Stern bei Stern!
Wer kennet ihre Namen?
Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit
Schliesst, Augen, euch! Hier ist nicht Zeit
Sich staunend zu ergötzen.«
Der Sänger drückt die Augen ein
Und schlug in vollen Tönen.
Die Ritter schauten muthig drein
Und in den Schooss die Schönen.
Der König, dem es wohlgefiel,
Liess, ihn zu ehren für sein Spiel
Eine goldne Kette holen.
195 13*
Ballade des Harfners, Ende des zweiten Buchs.
»Die goldne Kette gieb mir nicht,
Die Kette gieb den Rittern,
Vor deren kühnem Angesicht
Der Feinde Lanzen splittern 1
Gieb sie dem Kanzler, denn du hast,
Und lass ihn noch die goldne Last
Zu andern Lasten tragen U
»Ich singe, wie der Vogel singt.
Der in den Zweigen wohnet:
Das Lied, das aus der Kehle dringt,
Ist Lohn, der reichlich lohnet 1
Doch darf ich bitten, bitt ich eins:
Lass mir den besten Becher Weins
In purem Golde reichen!«
Er setzt ihn an, er trank ihn aus:
»O Trank voll süsser Label
O, wohl dem hochbeglückten Haus,
Wo das ist kleine Gabe !
Ergehts euch wohl, so denkt an mich
Und danket Gott so warm, als ich
Für diesen Trunk euch danke U
196
Wilhelm Meister, — Weimarj 1783.
Die Lieder des Harfners.
I.
Wer nie sein Brod mit Thränen ass,
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Bette weinend sass,
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte !
Ihr führt ins Leben uns hinein,
Ihr lasst den Armen schuldig werden,
Dann überlasst ihr ihn der Pein —
Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.
Ihm färbt der Morgensonne Licht
Den reinen Horizont mit Flammen,
Und über seinem schuldgen Haupte bricht
Das schöne Bild der ganzen Welt zusammen!
197
Wilhelm Meister. — Weimar^ 1783.
I
II.
Wer sich der Einsamkeit ergiebt,
Ach, der ist bald allein!
Ein jeder lebt, ein jeder liebt
Und lässt ihn seiner Pein. —
Ja, lasst mich meiner Qual!
Und kann ich nur einmal
Recht einsam sein,
Dann bin ich nicht allein.
Es schleicht ein Liebender lauschend sacht,
Ob seine Freundin allein —
So überschleicht bei Tag und Nacht
Mich Einsamen die Pein,
Mich Einsamen die Qual.
Ach, werd ich erst einmal
Einsam im Grabe sein,
Da lässt sie mich allein!
196
Wilhelm Meister. — Weimar^ 17S4.
Mignon.
I.
Kennst du den Ort, wo die Citronen blühn,
Im grünen Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?
Kennst du ihn wohl?
Dahin! Dahin
Möcht ich mit dir, o mein Gebieter, ziehn.
Kennst du das Haus ; Auf Säulen ruht sein
Dach,
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
»Was hat man dir, du armes Kind, gethan?«
Kennst du es wohl?
Dahin I Dahin
Möcht ich mit dir, o mein Gebieter, ziehn.
Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
Das Maulthier sucht im Nebel seinen Weg,
In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut —
Es stürzt der Fels, und über ihn die Fluth,
Kennst du ihn wohl?
Dahin! Dahin
Geht unser Wegl Gebieter, lass uns ziehn I
199
t
Wilhelm Meister. — Wevnar^ i'/SS-
n.
JNur wer die Sehnsucht kennt,
Weiss, was ich leide.
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh ich ans Firmament
Nach jener Seite,
Ach, der mich liebt und kennt,
Ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide —
Nur wer die Sehnsucht kennt.
Weiss, was ich leide!
200
Ipkigente auf Tauris. — Weimar^ 17S5.
Lied der Parzen.
Es fürchte die Götter
Das Menschengeschlecht!
Sie halten die Henschaft
In ewigen Händen
Und können sie brauchen,
Wie's ihnen gefallt.
Der fürchte sie doppelt,
Den je sie erheben I
Auf Klippen und Wolken
Sind Stühle bereitet
Um goldene Tische.
Erhebet ein Zwist sich —
So stürzen die Gäste,
Geschmäht und geschändet,
In nächtliche Tiefen,
Und harren vergebens,
Im Finstem gebunden,
Gerechten Geric]btes.
201
Erste Fassung, März 1779.
Sie aber, sie bleiben
In ewigen Festen
An goldenen Tischen.
Sie schreiten vom Berge
Zu Bergen hinüber —
Aus Schlünden der Tiefe
Dampft ihnen der Athem
Erstickter Titanen,
Gleich Opfergerüchen,
Ein leichtes Gewölke.
Es wenden die Herrscher
Ihr segnendes Auge
Von ganzen Geschlechtem,
Und meiden, im Enkel
Die ehmals geliebten
Still redenden Züge
Des Ahnherrn zu sehn.
So sangen die Parzen.
Es horcht der Verbannte
In nächtlichen Höhlen,
Der Alte die Lieder,
Denkt Kinder und Enkel
Und schüttelt das Haupt.
202
Cctstel GandolfOf October lySy.
Amor als Landschaftsmaler.
Oass ich früh auf einer Felsenspitze,
Sah mit starren Augen in den Nebel:
Wie ein grau grundirtes Tuch gespannet,
Deckt er alles in die Breit und Höhe.
Stellt ein Knabe sich mir an die Seite,
Sagte: »Lieber Freund, wie magst du, starrend.
Auf das leere Tuch gelassen schauen?
Hast du denn zum Malen und zum Bilden
Alle Lust auf ewig wohl verloren?«
Sah ich an das Kind und dachte heimlich:
»Will das Bübchen doch den Meister machen I«
»Willst du immer trüb und müssig bleiben,«
Sprach der Knabe, »kann nichts Kluges werden 1
Sieh, ich will dir gleich ein Bildchen malen,
Dich ein hübsches Bildchen malen lehren.«
Und er richtete den Zeigefinger,
Der so röthlich war wie eine Rose,
Nach dem weiten ausgespannten Teppich,
Fing mit seinem Finger an zu zeichnen.
203
%Die schöne Mailänderin €.
Oben malt er eine schöne Sonne,
Die mir in die Augen mächtig glänzte,
Und den Saum der Wolken macht er golden,
Liess die Strahlen durch die Wolken dringen.
Malte dann die zarten, leichten Wipfel
Frisch erquickter Bäume, zog die Hügel,
Einen nach dem andern, frei dahinter.
Unten liess ers nicht an Wasser fehlen,
Zeichnete den Fluss so ganz natürlich,
Dass er schien im Sonnenstrahl zu glitzern,
Dass er schien am hohen Rand zu rauschen.
Ach, da standen Blumen an dem Flusse,
Und da waren Farben auf der Wiese,
Gold und Schmelz und Purpur und ein Grünes,
Alles, wie Smaragd und wie Karfunkel!
Hell und rein lasirt er drauf den Himmel
Und die blauen Berge fem und femer,
Dass ich, ganz entzückt und neugeboren.
Bald den Maler, bald das Bild beschaute.
»Hab ich doch,« so sagt er, »dir* bewiesen,
Dass ich dieses Handwerk gut verstehe:
Doch es ist das schwerste noch zurücke.«
Zeichnete damach mit spitzem Finger
Und mit grosser Sorgfalt an dem Wäldchen,
Grad ans £nde, wo die Sonne kräftig
Von dem hellen Boden widerglänzte -^:
204
Castel GandolfOf Octoher 1787,
Zeichnete das allerliebste Mädchen,
Wohlgebildet, zierlich angekleidet,
Frische Wangen unter braunen Haaren —
Und die Wangen waren von der Farbe
Wie das Fingerchen, das sie gebildet.
»Oh du Knabe !< rief ich, »welch ein Meister
Hat in seine Schule dich genommen,
Dass du so geschwind und so natürlich
Alles klug beginnst und gut vollendest?«
Da ich noch so rede, sieh: da rühret
Sich ein Windchen und bewegt die Gipfel,
Kräuselt alle Wellen auf dem Flusse,
Füllt den Schleier des voUkommnen Mädchens,
Und, was mich Erstaunten mehr erstaunte:
Fängt das Mädchen an den Fuss zu rühren,
Geht, zu kommen, nähert sich dem Orte,
Wo ich mit dem losen Lehrer sitze 1
Da nun alles, alles sich bewegte,
*
Bäume, Fluss und Blumen und der Schleier
Und der zarte Fuss der AUerschönsten —
Glaubt ihr wohl, ich sei auf meinem Felsen
Wie ein Felsen still und fest geblieben?
205
%Die schöne Mailänderin^, — Rom^ November 1787.
Cupido.
LupidOy loser, eigensinniger Knabe I
Du l)atst mich um Quartier auf einige Stunden.
Wie viele Tag und Nächte bist du geblieben
Und bist nun herrisch und Meister im Hause
geworden I
Von meinem breiten Lager bin ich ver-
trieben —
Nun sitz ich an der Erde, Nächte gequälet.
Dein Muthwill schüret Flamm auf Flamme
des Herdes,
Verbrennet den Vorrath des Winters und
senget mich Armen.
Du hast mir mein Geräth verstellt und
verschoben :
Ich such und bin wie blind und irre geworden.
Du lärmst so ungeschickt: ich fürchte, das
Seelchen
Entflieht, um dir zu entfliehn, und räumet die
Hütte.
206
Christiane, — Weimar^ Hochsommer iy88.
Morgenklagen.
Eroticon.
U du loses, leidigliebes Mädchen,
Sag mir an, womit hab ichs verschuldet,
Dass du mich auf diese Folter spannest,
Dass du dein gegeben Wort gebrochen?
Drucktest doch so freundlich gestern Abend
Mir die Hände, lispeltest so lieblich:
»Ja, ich komme, komme gegen Morgen
Ganz gewiss, mein Freund, auf deine Stube.«
Angelehnet liess ich meine Thüre:
Hatte wohl die Angeln erst geprüfet
Und mich recht gefreut, dass sie nicht knarrten.
Welche Nacht des Wartens ist vergangen —
Wacht ich doch und zählte jedes Vierteil
Schlief ich ein und wenig Augenblicke,
War mein Herz beständig wach geblieben,
Weckte mich von meinem leisen Schlummer.
207
Aus der ersten Zeit seiner
Ja, da segnet ich die Finsternisse,
Die so ruhig alles überdeckten,
Freute mich der allgemeinen Stille,
Horchte lauschend immer in die Stille,
Ob sich nicht ein Laut bewegen möchte.
»Hätte sie Gedanken, wie ich denke,
Hätte sie Gefühl, wie ich empfinde.
Würde sie den Morgen nicht erwarten,
Würde schon in dieser Stunde kommen.«
Hüpft ein Kätzchen oben übern Boden,
Knisterte das Mäuschen in der Ecke,
Regte sich, ich weiss nicht was im Hause,
Immer hofft ich, deinen Schritt zu hören,
Immer glaubt ich, deinen Tritt zu hören.
Und so lag ich lang und immer länger —
Und es fing der Tag schon an zu grauen.
Und es rauschte hier und rauschte dorten.
»Ist es ihre Thüre? Wärs die meine!«
Sass ich aufgestemmt in meinem Bette,
Schaute nach der halberhellten Thüre,
Ob sie sich nicht wohl bewegen möchte?
Angelehnet blieben beide Flügel
Auf den leisen Angeln ruhig hangen.
Und der Tag ward immer hell- und heller!
Hört ich schon des Nachbars Thüre gehen,
203
Liehschaft mit Christiane Vulpiuti
— '•'" -r I I «■
Der das Taglohn zu gewinnen eilet,
Hört ich bald darauf die Wagen rasseln:
War das Thor der Stadt nun auch eröffnet,
Und es regte sich der ganze Plunder
Des bewegten Marktes durcheinander.
Ward nun in dem Haus ein Gehn und
Kommen
Auf und ab die Stiegen, hin und wieder
Knarrten Thüren, klapperten die Tritte,
Und ich konnte wie vom schönen Leben
Mich noch nicht von meiner Hoffnung
scheiden.
Endlich, als die ganz verhasste Sonne
Meine Fenster traf und meine- Wände,
Sprang ich auf und eilte nach dem Garten,
Meinen heissen, sehnsuchtsvollen Athem
Mit der kühlen Morgenluft zu mischen.
Dir vielleicht im Garten zu begegnen:
Und nun bist du weder in der Laube,
Noch im hohen Lindengang zu finden l
Hartleben, Goethe -llr«vi«r'
200 14
Christiane. — Weimar^ Hochsommer 1788. — ^
Der Besuch.
Meine Liebste wollt ich heut beschleichen ;
Aber ihre Thüre war verschlossen.
»Hab ich doch den Schlüssel in der Tasche!
Oeffn ich leise die geliebte Thüre!«
Auf dem Saale fand ich nicht das Mädchen,
Fand das Mädchen nicht in ihrer Stube;
Endlich, da ich leis die Kammer öffne,
Find ich sie, gar zierlich eingeschlafen.
Angekleidet auf dem Bette liegen.
Bei der Arbeit war sie eingeschlafen;
Das Gestrickte mit den Nadeln ruhte
Zwischen den gefaltnen zarten Händen.
Und ich setzte mich an ihre Seite,
Ging bei mir zu Rath, ob ich sie weckte.
Da betrachtet ich den schönen Frieden,
Der auf ihren Augenlidern ruhte.
Auf den Lippen war die stille Treue,
Auf den Wangen Lieblichkeit zu Hause,
Und die Unschuld eines guten Herzens
Regte sich im Busen hin und wieder.
210
Auf den dringlichen Wunsch von Karoline von Herder
Jedes ihrer Glieder lag gefallig,
Aufgelöst vom süssen Götterbalsam,
Freudig sass ich da, und die Betrachtung
Hielte die Begierde, sie zu wecken,
Mit geheimen Banden fest und fester. .
»O du Liebe,« dacht ich, »kann der
Schlummer,
Der Verräther jedes falschen Zuges,
Kann er dir nicht schaden, nichts entdecken,
Was des Freundes zarte Meinung störte?
4
Deine holden Augen sind geschlossen.
Die mich offen schon allein bezaubern.
Es bewegen deine süssen Lippen
Weder sich zur Rede noch zum Kusse.
Aufgelöst sind diese Zauberbande
Deiner Arme, die mich sonst umschlingen.
Und die Hand, die reizende Gefährtin
Süsser Schmeicheleien, unbeweglich.
Wärs ein Irrthum, wie ich von dir denke,
War es Selbstbetrug, wie ich dich liebe,
Müsst ichs jetzt entdecken, da sich Amor
Ohne Binde neben mich gestellet.«
Lange sass ich so und freute herzlich
Ihres Werthes mich und meiner Liebe:
Schlafend hatte sie mir so gefallen,
Dass ich mich nicht traute, sie zu wecken.
211 14*
in der ersten Sammlung der Gedichte unterdrückte
Leise leg ich ihr zwei Pomeranzen
Und zwei Rosen auf das Tischchen nieder:
Sachte, sachte schleich ich meiner Wege.
»Oeffnet sie die Augen, meine Gute,
Gleich erblickt sie diese bunte Gabe,
Staunt: wie immer bei verschlossnen Thüren
Dieses freundliche Geschenk sich finde.
Seh ich diese Nacht den Engel wieder,
O, wie freut sie sich — vergilt mir doppelt
Dieses Opfer meiner zarten Liebe!«
iH
Weimar, 178g. — Als -kKophtische Liedern
Zwei Bass- Arien.
zam Grosskophta.
I.
L/asset Gelehrte sich zanken und streiten,
Streng und bedächtig die Lehrer auch sein,
Alle die Weisesten aller der Zeiten
Lächeln und winken und stimmen mit ein:
Thöricht, auf Bessrung der Thoren zu harren !
Kinder der Klugheit, o habet die Narren
Eben zum Narren auch, wie sichs gehört!
Merlin der Alte, im leuchtenden Grabe,
Wo ich als Jüngling gesprochen ihn habe,
Hat mich mit ähnlicher Antwort belehrt:
Thöricht, auf Bessrung der Thoren zu harren 1
Kinder der Klugheit, o habet die Narren
Eben zum Narren auch, wie sichs gehört I
Und auf den Höhen der indischen Lüfte
Und in den Tiefen ägyptischer Grüfte
Hab ich das heilige Wort nur gehört:
Thöricht, auf Bessrung der Thoren zu harren I
Kinder der Klugheit, o habet die Narren
Eben zum Narren auch, wie sichs gehört I
213
in Schillers Musenalmanach auf 17 g6.
II.
vJehl Gehorche meinen Winken,
Nutze deine jungen Tage,
Lerne zeitig klüger sein:
Auf des Glückes grosser Wage
Steht die Zunge selten ein !
Du musst steigen oder sinken.
Du musst herrschen und gewinnen
Oder dienen und verlieren,
Leiden oder triumphiren —
Amboss oder Hammer sein 1
214
-j
Römische Elegien,
Römische Elegien.
I.
oaget, Steine, mir an, o sprecht, ihr hohen
Paläste 1
Strassen, redet ein Wort! Genius, regst du
dich nicht?
Ja ! — Es ist alles beseelt von deinen heiligen
Mauern,
Ewige Roma, nur mir schweiget noch alles
so still.
O, wer flüstert mir zu, an welchem Fenster
erblick ich
Einst das holde Geschöpf, das mich ver-
sengt und erquickt?
Ahn ich die Wege noch nicht, durch die ich
immer und immer,
Zu ihr und von ihr zu gehn, opfre die
köstliche Zeit?
Noch betracht ich Paläst und Kirchen, Ruinen
und Säulen,
Wie ein bedächtiger Mann schicklich die
Reise benutzt.
215
Nicht in Rom, sondern nach der Heimkehr tms Italien,
Doch bald ist es vorbei! Dann wird ein
einziger Tempel,
Amors Tempel nur sein, der den Geweihten
empfangt. —
Eine Welt zwar bist du, o Rom, doch ohne
die Liebe
Wäre die Welt nicht die Welt, wäre denn
Rom auch nicht Roml
IL
h/hret, wen ihr auch wollt! Nun bin ich
endlich geborgen!
Schöne Damen und ihr, Herren der feineren
Welt:
Fraget nach Oheim und Vettern und alten
Muhmen und Tanten,
Und dem gebundnen Gespräch folge das
traurige Spiel.
Auch ihr übrigen fahret mir wohl, in grossen
und kleinen
Zirkeln, die ihr mich oft nah der Verzweif-
lung gebracht:
Wiederholet, politisch und zwecklos, jegliche
Meinung,
Die den Wandrer mit Wuth über Europa
verfolgt.
216
vom Herbst iy88 bis Frühjahr i*jgo gedichtet.
So verfolgte das Liedchen »Malbrough«
den reisenden Briten
Einst von Paris nach Livom, dann von
Livorho nach Rom,
Weiter nach Neapel hinunter, und war er nach
Smyma gesegelt,
»Malbroughl« empfing ihn auch dort! »Mal-
broughic im Hafen das Lied.
Und so musst ich bis jetzt auf allen Tritten
und Schritten
Schelten hören das Volk, schelten der Könige
Rath. —
Nun entdeckt ihr mich nicht so bald in meiiiem
Asyle,
Das mir Amor der Fürst, königlich schützend,
verlieh.
Hier bedecket er mich mit seinem Fittich I
Die Liebste
Fürchtet, römisch gesinnt, wüthende Gallier
nicht:
Sie erkundigt sich nie nach neuer Märe, sie
spähet
Sorglich den Wünschen des Manns, dem
sie sich eignete, nach.
Sie ergötzt sich an ihm, dem freien, rüstigen
Fremden,
Der von Bergen und Schnee, hölzernen
Häusern erzählt.
217
Hervorgerufen sind die Elegien durch das
Theilt die Flammen, die sie in seinem Busen
entzündet)
Freut sich, dass er das Gold nicht wie der
Römer bedenkt.
Besser ist ihr Tisch nun bestellt; es fehlet
an Kleidern,
Fehlet am Wagen ihr nicht, der nach der
Oper sie bringt.
Mutter und Tochter erfreun sich ihres nordi-
schen Gastes,
Und der Barbare beherrscht römischen
Busen und Leib.
III.
Lass dich, Geliebte, nicht reun, dass du
mir so schnell dich ergeben!
Glaub es : ich denke nicht frech, denke
nicht niedrig von dir.
Vielfach wirken die Pfeile des Amor: einige
ritzen,
Und vom schleichenden Gift kranket auf
Jahre das Herz —
Aber, mächtig befiedert, mit frisch geschliffener
Schärfe
Dringen die andern ins Mark, zünden be-
hende das Blutl
218
Verhältnis mit Christiane^ die er
In der heroischen Zeit, da Götter und Göttinnen
liebten,
Folgte Begierde dem Blick, folgte Genuss
der Begier.
Glaubst du, es habe sich lange die Göttin
der Liebe besonnen,
Als im Idäischen Hain einst ihr Anchises
gefiel? —
Hätte Luna gesäumt, den schönen Schläfer
zu küssen,
O, so hätt ihn geschwind, neidend, Aurora
geweckt. —
Hero erblickte Leandern am lauten Fest, und
behende
Stürzte der Liebende sich heiss in die
nächtliche Fluth. —
Rhea Sylvia wandelt, die fürstliche Jungfrau,
der Tiber
Wasser zu schöpfen, hinab, und sie ergreifet
der Gott.
So erzeugte sich Mars zwei Söhne ! Die Zwil-
linge tränket
Eine Wölfin — und Rom nennt sich die
Fürstin der Welt!
219
bald nach der Rückkehr aus Italien^
IV.
rromm sind wir Liebende, still verehren wir
alle Dämonen,
Wünschen uns jeglichen Gott, jegliche Göttin
geneigt.
Und so gleichen wir euch, o römische Sieger I
Den Göttern
Aller Völker der Welt botet ihr Wohnungen
an:
Habe sie schwarz und streng aus altem Basalt
der Aegypter,
Oder ein Grieche sie weiss, reizend, aus
Marmor geformt. —
Doch verdriesset es nicht die Ewigen, wenn
wir besonders
Weihrauch köstlicher Art Einer der Gött-
lichen streun.
Ja» wir bekennen euch gern : es bleiben unsre
Gebete,
Unser täglicher Dienst Einer besonders ge-
weiht.
Schalkhaft, munter und ernst begehen wir
heimliche Feste,
Und das Schweigen geziemt allen Geweih-
ten genau.
220
im Juli 1788 in Weimar kennen lernte.
* — -— ■ _ I IM II _L
Eher lockten wir selbst an die Fersen durch
grässliche Thaten
Uns die Erinnyen her, wagten es eher, des
Zeus
Hartes Gericht am rollenden Rad und am
Felsen zu dulden.
Als dem reizenden Dienst unser Gemüth
zu entziehn.
Diese Göttin, sie heisst Gelegenheit! Lernet
sie kennen!
Sie erscheinet euch oft, immer in andrer
Gestalt,
Tochter des Proteus möchte sie sein, mit
Thetis gezeuget.
Deren verwandelte List manchen Heroen
betrog.
So betrügt nun die Tochter den Unerfahmen,
den Blöden:
Schlummernde necket sie stets, Wachende
fliegt sie vorbei.
Gern ergiebt sie sich nur dem raschen, thäti-
gen Manne,
Dieser findet sie zahm, spielend und zärt-
lich und hold. —
£inst erschien sie auch mir, ein bräunliches
Mädchen, die Haare
Fielen ihr dunkel und reich über die Stime
herab,
221
Am 2. August lySg schreibt er aus Eüenach an Herder:
Kurze Locken ringelten sich ums zierliche
Hälschen,
Ungeflochtenes Haar krauste vom Scheitel
sich auf.
Und ich verkannte sie nicht ! ergriff die Eilende I
Lieblich
Gab sie Umarmung und Kuss bald mir ge-
lehrig zurück.
O, wie war ich beglückt! — Doch stille, die
Zeit ist vorüber,
Und umwunden bin ich, römische Flechten,
von euch.
V.
Froh empfind ich mich nun auf klassischem
Boden begeistert:
Lauter und reizender spricht Vorwelt und
Mitwelt zu mirl
Hier befolg ich den Rath, durchblättre die
Werke der Alten
Mit geschäftiger Hand, täglich mit neuem
Genuss.
Aber die Nächte hindurch hält Amor mich
anders beschäftigt —
Werd ich auch halb nur gelehrt, bin ich
doch doppelt beglückt.
222
^ Einige Erotica sind gearbeitet worden, t
Und belehr ich mich nicht, indem ich des
lieblichen Busens
Formen spähe, die Hand leite die Hüften
hinab!
Dann versteh ich den Marmor erst recht: ich
denk und vergleiche —
Sehe mit fühlendem Aug, fühle mit sehen-
der Hand.
Raubt die Liebste denn gleich mir einige
Stunden des Tages,
Giebt sie Stunden der Nacht mir zur Ent-
schädigung hin.
Wird doch nicht immer geküsst, es wird ver-
nünftig gesprochen -
Ueberfällt sie der Schlaf, lieg ich und denke
mir viel.
Oftmals habe ich auch schon in ihren Armen
gedichtet
Und des Hexameters Mass leise mit fingern-
der Hand
Ihr auf den Rücken gezählt. Sie athmet in
lieblichem Schlummer,
Und es durchglühet ihr Hauch mir bis ins
Tiefste die Brust. —
Amor schüret indess die Lampe und denket
der Zeiten,
Da er den nämlichen Dienst seinen Trium-
vim gethan.
223
InGoethes erster Reinschrift tragen die Elegien den Titel :
VI.
* Kannst du, o Grausamer, mich in solchen
Worten betrüben?
Reden so bitter und hart liebende Männer
bei euch?
Wenn das Volk mich verklagt, ich muss es
dulden — und bin ich
Etwa nicht schuldig? Doch ach: schuldig
nur bin ich mit dir!
Diese Kleider, sie sind der neidischen Nach-
barin Zeugen,
Dass die Wittwe nicht mehr einsam den
Gatten beweint«
Bist du ohne Bedacht nicht oft bei Mond-
schein gekommen,
Grau, im dunkeln Sürtout, hinten gerundet
das Haar?
Hast du dir scherzend nicht selbst die geist-
liche Maske gewählet?
Solls ein Prälate denn sein, gut: der Prälate
bist dul
In dem geistlichen Rom, kaum scheint es zu
glauben, doch schwör ich:
Nie hat ein Geistlicher sich meiner Um-
armung gefreut.
224
yErotica Romanat,
Arm war ich, leider, und jung und wohl be-
kannt den Verführern:
Falconieri hat oft mir in die Augen gegafft.
Und ein Kuppler Albanis mich mit gewichtigen
Zetteln
Bald nach Ostia, bald nach den vier Brunnen
gelockt»
Aber wer nicht kam, war das Mädchen I So
hab ich von Herzen
Rothstrumpf immer gehasst und Violet-
strumpf dazu.
Denn: »ihr Mädchen bleibt am Ende doch
die Betrognenc,
Sagte der Vater, wenn auch leichter die
Mutter es nahm.
Und so bin ich denn auch am Ende betrogen I
Du zürnest
Nur zum Scheine mit mir, weil du zu fliehen
gedenkst.
Gehl Ihr seid der Frauen nicht werthl Wir
tragen die Kinder
Unter dem Herzen, und so tragen die Treue
wir auchl
Aber ihr Männer, ihr schüttet mit eurer Kraft
und Begierde
Auch die Liebe zugleich in den Umarmungen
ausic —
Also sprach die Geliebte und nahm den Kleinen
vom Stuhle,
Hardeben, Goethe*Brevicr.
225 15
Die Elegien sind %uerst gedruckt in
Drückt ihn küssend ans Harz, Thränen ent-
quollen dem Blick.
Und wie sass ich beschämt, dass Reden feind-
licher Menschen
Dieses liebliche Bild mir zu beflecken ver-
mocht. —
Dunkel brennt das Feuer nur augenblicklich
und dampfet.
Wenn das Wasser die Gluth stürzend und
jählings verhüllt —
Aber sie reinigt sich schnell, verjagt die
trübenden Dämpfe!
Neuer und mächtiger dringt leuchtend die
Flamme hinauf!
vn.
Lr, wie Hihi ich in Rom mich so froh, ge-
denk ich der Zeiten,
Da mich ein gravdicher Tag hinten im
Norden umfing,
Trübe der Himmel und schwer auf meinen
Scheitel sich neigte.
Färb- und gestaltlos die Welt um den Er-
matteten lag,
Und ich über mein Ich, des unbefriedigten
Geistes
226
Schülers fforen, Juli 1795,
Düstre Wege zu spähn, still in Betrachtung
versank.
Nun umleuchtet der Glanz des helleren Aethers
die Stime!
Phöbus rufet, der Gott, Formen und Farben
hervor.
Sternhell glänzet die Nacht, sie klingt von
weichen Gesängen,
Und mir leuchtet der Mond heller als nor-
discher Tag. —
Welche Seligkeit ward mir Sterblichemi Träum
ich ? Empfanget
Dein ambrosisches Haupt, Jupiter Vater, den
Gast?
Ach, hier lieg ich und strecke nach deinen
Knieen die Hände
Flehend aus. O vernimm, Jupiter Xenius,
michl
Wie ich hereingekommen, ich kanns nicht
sagen — es fasste
Hebe den Wandrer und zog mich in die
Hallen heran.
Hast du ihr einen Heroen heraufzuführen ge-
boten?
Irrte die Schöne? Vergieb! Lass mir des
Irrthums Gewinn!
Deine Tochter Fortuna, sie auch — die herr-
lichsten Gaben
227 15*
Christiane besuchte in jenem ersten Sommer
Theilet sie mädchenhaft aus, wie es die
Laune gebeut I
Bist du der wirthliche Gott? O dann: Ver-
stösse den Gastfreund
Nicht von deinem Olymp wieder zur Erde
hinab! —
»Dichter! Wohin versteigest du dich?« — Ver-
gieb mir! Der hohe
Capitolinische Berg ist dir ein zweiter Olymp.
Dulde mich, Jupiter, hier, und Hermes führe
mich später
Cestius' Mal vorbei, leise zum Orkus hinab 1
vm.
Wenn du mir sagst, du habest als Kind,
Geliebte, den Menschen
Nicht gefallen, und dich habe die Mutter
verschmäht,
Bis du grösser geworden und still dich ent-
wickelt — ich glaub es:
Gerne denk ich mir dich als ein besonderes
Kind.
Fehlet Bildung und Farbe doch auch der
Blüthe des Weinstocks,
Wenn die Beere, gereift, Menschen und
Götter entzückt.
228
Goethe heimlich in seinem Gartenhause.
W-
B
IX.
iierbstlich leuchtet die Flamme vom länd-
lich geselligen Herde,
Knistert und glänzet, wie rasch I sausend
vom Reisig empor.
Diesen Abend erfreut sie mich mehr, denn
eh noch zur Kohle
Sich das Bündel verzehrt, unter die Asche
sich neigt.
Kommt mein liebliches Mädchen. Dann
flammen Reisig und Scheite,
Und die erwärmete Nacht wird uns ein
glänzendes Fest. —
Morgen frühe, geschäftig, verlässt sie das Lager
der Liebe,
Weckt aus der Asche behend Flamn^en aufs
neue hervor.
Denn das gab ihr Amor vor vielen andern:
die Freude
Wieder zu wecken, die kaum still wie zu
Asche versank.
229
Dreiviertel Jahr langhlieh das Verhältnis unetitdeckt. —
X.
Alexander und Cäsar und Heinrich und
Friedrich, die Grossen,
Gäben die Hälfte mir gern ihres erworbenen
Ruhms,
Wenn ich ihnen dies Lager auf eine Nacht
nur vergönnte!
Aber die Armen, sie hält strenge des Orkus
Gewalt.
Freue dich also, Lebendger, der lieberwärmen-
den Stätte,
Ehe den fliehenden Fuss schauerlich Lethe
dir netzt!
XI.
buch, o Grazien, legt die wenigen Blätter
ein Dichter
Auf den reinen Altar, Knospen der Rose
dazu —
Und er thut es getrost. Der Künstler freuet
sich seiner
W^rJ^ßtatt, wenn sie um ihn immer ein
Pantheon scheint!
230
Schiller schreibt an Goethe den 20. Februar 1802
Jupiter senket die göttliche Stirn, und Junö
erhebt sie,
Phöbus schreitet hervor, schüttelt das lockige
Haupt.
Trocken schauet Minerva herab, und Hermes,
der leichte,
Wendet zur Seite den BHck, schalkisch und
zärtlich zugleich.
Aber nach Bacchus, dem weichen, dem
träumenden, hebt Cythere
Augen, voll süsser Begier, selbst in dem
Marmor noch feucht.
Sie gedenket seiner Umarmung und scheinet
zu fragen:
»Sollte der herrliche Sohn uns an der
Seite nicht stehn?«
xn.
llörest du, Liebchen, das muntre Geschrei
den Flamittischen Weg her?
Schnitter sind es: sie ziehn wieder nach
Hause zurück,
Weit hinweg. Sie haben dem Römer die Ernte
vollendet.
Der für Ceres den Kranz selber zu flechten
verschmäht.
231
ü6er die Elegien: ylch weiss nichts darüber.
Keine Feste sind mehr der grossen Göttin
gewidmet,
Die statt Eicheln zur Kost goldenen Weizen
verlieh.
Lass uns beide das Fest im Stillen freudig
begehen !
Sind zwei Liebende doch sich ein ver-
sammeltes Volk. —
Hast du wohl je gehört von jener mystischen
Feier,
Die von Eleusis hieher frühe dem Sieger
gefolgt?
Griechen stifteten sie, und immer riefen nur
Griechen
Selbst in den Mauern Roms: »Kommt zur
geheiligten Nacht Ic
Fem entwich der Profane — da bebte der
wartende Neuling,
Den ein weisses Gewand, Zeichen der Rein-
heit, umgab.
Wunderlich irrte darauf der Eingeführte durch
Kreise
Seltner Gestalten — im Traum schien er zu
wallen — denn hier
Wanden sich Schlangen am Boden umher,
verschlossene Kästchen,
Reich mit Aehren umkränzt, trugen hier
Mädchen vorbei.
232
selbst unter Ihren eifrnen Werken, t —
Vielbedeutend gebärdeten sich die Priester
und summten —
Ungeduldig und bang harrte der Lehrling
auf Licht.
Erst nach mancherlei Proben und Prüfungen
ward ihm enthüllet,
Was der geheiligte Kreis seltsam in Bildern
verbarg. —
Und was war das Geheimnis, als dass Demeter,
die grosse,
Sich gefMlig einmal auch einem Helden
bequemt.
Als sie dem Jason einst, dem rüstigen König
der Kreter,
Ihres unsterblichen Leibs holdes Verborgne
gegönnt.
Da war Kreta beglückt! Das Hochzeitbette
der Göttin
Schwoll von Aehren, und reich drückte den
Acker die Saat.
Aber die übrige Welt verschmachtete: denn
es versäumte
Ueber der Liebe Genuss Ceres den schönen
Beruf, —
Voll Erstaunen vernahm der Eingeweihte das
Märchen,
Winkte der Liebsten . . . Verstehst du nun,
Geliebte, den Wink? —
233
Goethe an Schiller ^ 12. Mati^gs: *Mü den Eleven wird
Jene buschige Myrte beschattet ein heiliges
Plätzchen I
Unsre Zufriedenheit bringt keine Gefährde
der Welt.
xm.
Amor bleibet ein Schalk, und wer ihm ver-
traut, ist betrogen!
Heuchelnd kam er zu mir: »Diesmal nur
traue mir noch,
Redlich mein ichs mit dir: du hast dein Leben
und Dichten,
Dankbar erkenn ich es wohl, meiner Ver-
ehrung geweiht.
Siehe, dir bin ich nun gar nach Rom gefolget!
Ich möchte
Dir im fremden Gebiet gern was GefsUliges
thun.
Jeder Reisende klagt, er finde schlechte 6e-
wirthung —
Welchen Amor empfiehlt, köstlich bewirthet
ist erl
Du betrachtest mit Staunen die Trümmer
alter Gebäude
Und durchwandelst mit Sinn diesen gehei-
ligten Raum.
234
nicht viel zu thun sein^ als dass man du zweite und die
Du verehrest noch mehr die werten Reste
des Bildens
Einziger Künstler, die ich stets in der
Werkstatt besucht
Diese Gestalten — ich formte sie selbst ! Ver-
zeih mir, ich prahle
Diesmal nicht: du gestehst, was ich dir
sage, sei wahr? —
Nun du mir lässiger dienst, wo sind die
schönen Gestalten,
Wo die Farben, der Glanz deiner Erfin-
dungen hin?
Denkst du nun wieder zu bilden, o Freund?
Die Schule der Griechen
Blieb noch offen, das Thor schlössen die
Jahre nicht zu.
Ich, der Lehrer, bin ewig jung und liebe die
Jungen.
Nicht so altklug gethani Munter! Begreife
mich wohl!
Das Antike war neu, da jene Glücklichen
lebten !
Lebe glücklich, und so lebe die Vorzeit
in dir!
Stoff zum Liede, wo nimmst du ihn her?
Ich muss dir ihn geben.
Und den höheren Stil lehret die Liebe
dich nur.«
235
sechzehnte (in den Hören) weglässt^.
Also sprach der Sophiste. Wer widersprach
ihml Und leider
Bin ich zu folgen gewöhnt, wenn der Ge-
bieter befiehlt. —
Nun? Verrätherisch hält er sein Wort! Giebt
Stoff zu Gesängen:
Aber, er raubt mir die Zeit, Kraft und
Besinnung zugleich I
Blicke, Händedruck und Küsse, gemüthliche
Worte,
Silben köstlichen Sinns wechselt ein lieben-
des Paar:
Da wird ein Lispeln Geschwätze, da wird
ein Stottern zur Rede —
Solch ein Hymnus verhallt ohne prosodisches
Massl
Dich, Aurora, wie kannt ich dich sonst als
Freundin der Musen!
Hat, Aurora, dich auch Amor, der lose,
verführt?
Du erscheinest mir nun als seine Freundin
und weckest
Mich an seinem Altar wieder zum festlichen
Tag.
Find ich die Fülle der Locken an meinem
Busen — das Köpfchen
Ruhet und drücket den Arm, der sich dem
Halse bequemt —
236
Die beiden sind denn auch später nicht in die Werke
Welch ein freudig Erwachen 1 Erhieltet ihr,
ruhige Stunden
Mir das Denkmal der Lust, die in den
Schlaf uns gewiegt 1 —
Sie bewegt sich im Schlummer und sinkt auf
die Breite des Lagers,
Weggewendet, und doch lässt sie mir Hand
noch in Hand.
Herzliche Liebe verbindet uns stets und treues
Verlangen,
Und den Wechsel behielt nur die Begierde
sich vor, —
Einen Druck der Hand, — ich sähe die himm-
lischen Augen
Wieder offen 1 — O nein! Lasst auf der
Bildung mich ruhn!
Bleibt geschlossen ! Ihr macht mich verworren
und trunken, ihr raubet
Mir den stillen Genuss reiner Betrachtung
zu früh.
Diese Formen, wie gross 1 Wie edel gewendet
die Glieder!
Schlief Ariadne so schön — Theseus, du
konntest entfliehn?
Einen Russ nur auf diese Lippen I O Theseus,
nun scheide!
Blick ihr ins Auge! Sie wacht! — Ewig
nun hält sie dich fest.
237
aufgenommen. — Siehe Seite 2S4 — 2Sg. —
XIV.
Zünde mir Licht an, Knabe! — »Noch ist
es hell. Ihr verzehret
Oel und Docht nur umsonst. Schliesset
die Läden doch nicht!
Hinter die Häuser verbarg sich die Sonne —
nicht hinter die Berge!
Ein halb Stündchen noch währts bis zum
Geläute der Nacht.«
Unglückseliger! Geh und gehorche! Mein
. Mädchen erwart ich —
Tröste mich, Lämpchen, indess, lieblicher
Bote der Nacht!
XV.
Läsam war ich wohl nie zu fernen Britannen
gefolget —
Florus hätte mich leicht in die Popine ge-
schleppt I
Denn mir bleiben weit mehr die Nebel des
traurigen Nordens
Als ein geschäftiges Volk südlicher Flöhe
verhasst.
238
Der erste, der die Elegien aus dem Manuscript
Und von heut an seid mir noch schöner ge-
grüsset, ihr Schenken:
Osterien« .wie euch schicklich der Römer
benennt I
Denn ihr zeigtet mir heute die Liebste, vom
Oheim begleitet,
Den die Gute so oft, mich zu besitzen,
betrügt.
Hier stand unser Tisch, den Deutsche ver-
traulich umgaben,
Drüben suchte das Kind neben der Mutter
den Platz,
Rückte vielmals die Bank und wusst es artig
zu machen,
Dass ich halb ihr Gesicht, völlig den Nacken
gewann.
Lauter sprach sie, als hier die Römerin pfleget,
kredenzte.
Blickte rückwärts nach mir, goss und ver-
fehlte das Glas.
Wein floss über den Tisch — und sie mit
zierlichem Finger
Zog auf dem hölzernen Blatt Kreise der
Feuchtigkeit hin.
Meinen Namen verschlang sie mit ihrem —
ich schaute begierig
Immer dem Fingerchen nach, und sie be-
merkte mich wohl.
239
kennen lernte^ war Wieland^
Endlich zog sie behende das Zeichen der
römischen Fünfe
Und ein Strichlein davor. Schnell, und
sobald ichs gesehn.
Schlang sie Kreise durch Kreise, die Lettern
und Ziffern zu löschen —
Aber die köstliche — IV — blieb mir ins
Auge geprägt!
Stumm war ich sitzen geblieben und biss die
glühende Lippe
Halb aus Schalkheit und Lust, halb aus
Begierde mir wund.
Noch so lange bis Njiphtl Dann noch vier
Stunden zu warten!
Hohe Sonne, du weilst und du beschauest
dein Rom!
Grösseres sähest du nichts und wirst nichts
Grösseres sehen,
Wie es dein Priester Horaz in der Ent-
zückung versprach.
Aber heute verweile nicht länger und wende
die Blicke
Von dem Siebengebirg früher und williger
ab!
Einem Dichter zu Liebe verkürze die herr-
lichen Stunden,
Die mit begierigem Blick selig der Maler
geniesst !
240
dem Goethe im Mai lySg einige vorlas
Glühend blicke noch schnell zu diesen hohen
Fagaden,
Kuppeln und Säulen zuletzt und Obelisken
herauf —
Stürze dich eilig ins Meer, um morgen früher
zu sehen,
Was du mit göttlicher Lu^t viele Jahr-
hunderte sahst:
Diese feuchten, mit Rohr so lange bewachsnen
Gestade,
Diese von Bäumen und Busch düster be-
schatteten Höhn.
Wenig Hütten zeigten sie erst: dann sahst du
auf einmal
Sie vom wimmelnden Volk glücklicher
Räuber belebt.
Alles schleppten sie drauf an diese Stätte
zusammen :
Kaum war das übrige Rund deiner Be-
trachtung noch wert.
Sahst eine Welt hier entstehn — sahst eine
Welt hier in Trümmern,
Aus den Trümmern aufs neu fast eine
grössere Weltl
Dass ich diese noch lange, von dir beleuchtet^
erblicke.
Spinne die Parze mir klug langsam den
Faden herab! —
Hartleben, Goethe-Brevier.
241 16
Und über »dessen gute Art und anti'ken Sinn^
Aber sie eile herbei, die schön bezeichnete
Stunde I
Glücklich! Hör ich sie schon? NeinI
Doch ich höre schon Drei.
SO| ihr lieben Musen, betrogt ihr wieder die
Länge
Dieser Weile, die mich von der Geliebten
getrennt.
Lebet wohll Nun eil ich und furcht euch
nicht zu beleidgen —
Denn ihr Stolzen, ihr gebt Amor doch
immer den Rang.
XVL
»Warum bist du, Geliebter, nicht heute zur
Vigne gekommen?
Einsam, wie ich versprach, wartet ich oben
auf dich.c —
Beste, schon war ich hinein: da sah ich zum
Glücke den Oheim,
Neben den Stöcken bemüht, hinwärts und
herwärts sich drehn.
Schleichend eilt ich hinaus. — »O, welch
ein Irrthum ergriff dicht
Nur eine Vqgelscheu wars, was dich vertrieb I
Die Gestalt
242
sie anzusehen €, er hoch erfreut war. —
Flickten wir emsig zusammen aus alten Kleidern
und Rohren:
Achl Ich half ihm daran, selbst mir zu
schaden bemüht.
Nun, sein Wunsch ist erfüllt. Er hat den
losesten Vogel
Heute verscheuchet, der ihm Gärtchen und
Nichte bestiehlt. €
XVII.
Manche Töne sind mir zuwider, doch
bleibet am meisten
Hundegebell mir verhasst: kläffend zerreisst
es mein Ohr.
Einen Hund nur hör ich sehr oft mit frohem
Behagen
Bellend kläffen: den Hund, den sich der
Nachbar erzog.
Denn er bellte mir einst mein Mädchen an,
da sie sich heimlich
Zu mir stahl und verrieth unser Geheimniss
beinah.
Jetzo, hör ich ihn bellen, so denk ich nur
immer: sie kommt wohl?
Oder ich denke der Zeit, da die Erwartete
kam«
243 16*
Dagegen fanden sie Herder und sogar der Herzog
XVIII.
llines ist ipir verdriesslich vor vielen Dingen,
ein andres
Bleibt mir abscheulich, empört jegliche Faser
in mir —
Nur der blosse Gedanke 1 Ich will es euch,
Freunde, gestehen:
Gar verdriesslich ist mir einsam das Lager
zu Nacht —
Aber ganz abscheulich ists, auf dem Wege
der Liebe
Schlangen zu fürchten und Gift unter den
Rosen der Lust:
Wenn im schönsten Moment der hin sich
gebenden Freude
Deinem sinkenden Haupte lispelnde Sorge
sich naht. —
Darum macht mich Faustine so glücklich : sie
theüet das -Lager
Gerne mit mir und bewahrt Treue dem
Treuen genau.
Reizendes Hindemiss wiU die rasche Jugend;:
ich liebe.
Mich des versicherten Guts lange bequem
zu erfreun«
244
anstösstg und wid^rrüthen den Abdruck in den Hören.
Welche Seligkeit ists! Wir wechseln sichere
Küsse,
Athem und Leben getrost saugen und flössen
wir ein.
So erfreuen wir uns der langen Nächte! Wir
lauschen,
Busen an Busen gedrängt, Stürmen und
Regen und Guss.
Und so dämmert der Morgen heran. Es
bringen die Stunden
Neue Blumen herbei, schmücken uns fest-
lich den Tag.
Gönnet mir, o Quirlten, das Glück I Und jedem
gewähre
Aller Güter der Welt erstes und letztes der
Gott!
XIX.
Och wer erhalten wir uns den guten Namen,
denn Fama
Steht mit Amor, ich weiss, meinem Ge-
bieter, in Streit.
Wisst ihr auch, woher es entsprang, dass beide
sich hassen?
Alte Geschichten sind das, und ich erzähle
sie wohl.
245
Die neunzehnte Elegie ist veranlasst
Immer war sie die mächtige Göttin, doch für
die Gesellschaft
Unerträglich y denn gern führt sie das
herrschende Wort.
Und so war sie von je bei allen Götter-
gelagen
Mit der Stimme von Erz Grossen und
Kleinen verhasst
So berühmte sie einst sich übermüthig, sie
habe
Jovis herrlichen Sohn ganz sich zum Sklaven
gemacht.
»Meinen Herkules führ ich dereinst, o Vater
der Götter, €
Rief triumphirend sie aus, »wiedergeboren
dir zu.
Herkules ist es nicht mehr, den dir Alkmene
geboren —
Seine Verehrung für mich macht ihn auf
Erden zum Gott.
Schaut er nach dem Olymp, so glaubst du,
er schaue nach deinen
Mächtigen Knieen? Vergiebl Nur in den
Aether nach mir
Blickt der würdigste Mann I Nur mich zu ver-
dienen, durchschreitet
Leicht sein mächtiger Fuss Bahnen, die
Keiner betrat!
246
durch die allmählich wachsende Klatscherei
Doch, ich begegn' ihm auch auf seinen Wegen I
Ich preise
Seinen Namen voraus, eh ^r die That noch
beginnt 1
Mich vermählst du ihm einst: der Amazonen
Besieger
Werd auch meiner, t|nd ihn nenn ich mit
Freuden Gemahl Ic —
Alles schwieg. Sie mochten nicht gern die
Prahlerin reizen:
Denn sie denkt sich, erzürnt, leicht was
Gehässiges aus.
Amom bemerkte sie nicht Er schlich bei
Seite: den Helden
Bracht er mit weniger Kunst u^ter der
Schönsten Gewalt.
Nun vermummt er sein Paar: ihr hängt er
die Bürde des Löwen
Ueber die Schultern und lehnt mühsam die
Keule dazu.
Drauf bespickt er mit Blume^ des ^elden
sträubende Haare,
Reichet den Rocken der Faust, die sich
dem Scherze bequemt.
So vollendet er bald die neckische Gruppe.
Dann läuft er.
Ruft durch den ganzen Olymp: »Herrliche
Thaten geschehnl
247
über Goethes Verhältnis mit Christiane.
Nie hat Erd und Himmel, die unermüdete
Sonne
Hat auf der ewigen Bahn keines der Wunder
erblickt!«
Alles eilte. Sie glaubten dem losen Knaben,
denn ernstlich
Hatt er gesprochen: und auch Fama, sie
blieb nicht zurück.
Wer sich freute, den Mann so tief erniedrigt
zu sehen.
Denkt ihr? Juno. Es galt Amom ein
freundlich Gesicht.
Fama daneben, wie stand sie beschämt, ver-
legen, verzweifelnd!
Anfangs lachte sie nur: »Masken, ihr Götter,
sind das!
Meinen Helden, ich kenn ihn zu gut! Es
haben Tragöden
Uns zum besten!« Doch bald sah sie mit
Schmerzen: er wars! —
Nicht den tausendsten Theil verdross es Vul-.
kanen, sein Weibchen
Mit dem rüstigen Freund unter den Maschen
zu sehn.
Als das verständige Netz im rechten Moment
sie umfasste.
Rasch die Verschlungnen umschlang, fest
die Geniessenden hielt.
248
Im März i^8g erfuhr davon die Frau von Stein^ die es
Wie sich die Jünglinge freuten, Merkur und
Bacchus! Sie beide
Mussten gestehen, es sei, über dem Busen
zu ruhn
Dieses herrlichen Weibes, ein schöner Ge-
danke. Sie baten:
»Löse, Vulkan, sie noch nicht I Lass sie
noch einmal besehn I«
Und der Alte war so Hahnrei und hielt sie
nur fester. —
Aber Fama, sie floh rasch und voll Grimmes
davon.
Seit der Zeit ist zwischen den zweien der
Fehde nicht Stillstand:
Wie sie sich Helden erwählt — gleich ist
der Knabe darnach.
Wer s i e am höchsten verehrt — den weiss e r
am besten zu fassen
Und den Sittlichsten greift er am gefähr-
lichsten an.
Will ihm einer entgehn, den bringt er vom
Schlimmen ins Schlimmste.
Mädchen bietet er an : wer sie ihm thöricht
verschmäht,
Muss erst grimmige Pfeile von seinem Bogen
erdulden :
Mann erhitzt er auf Mann, treibt die Be-
gierden aufs Thierl
249
Herders Frau erzählte: diese ihrem Gatten u. s, w.
Wer sich seiner schämt, der muss erst leiden:
dem Heuchler
Streut er bittem Genuss unter Verbrechen
und Noth. —
Aber auch sie», die Göttin, verfolgt ihn mit
Augen und Ohren I
Sieht sie ihn einmal bei dir, gleich ist sie
feindlich gesinnt:
Schreckt dich mit ernstem Blick, verachtenden
Mienen, und heftig
Strenge verruft sie das Haus, das er ge-
wöhnlich besucht
Und so geht es auch mir : schon leid ich ein
wenig — die Göttin,
Eifersüchtig, sie forscht meinem Geheimnisse
nach.
Doch es ist ein altes Gesetz: ich schweig und
verehre —
Denn der Könige Zwist büssten die Griechen
wie ich.
250
Das Goethe^Brevier gieht die Elegien fast durchweg
XX.
Zieret Stärke den Mann und freies, muthiges
Wesen,
O, so ziemet ihm fast tiefes Geheimniss
noch mehr.
Städtebezwingerin du, Verschwiegenheit! Für-
stin der Völker I
Theure Göttin, die mich sicher durchs
Leben geführt,
Welches Schicksal erfahr ich? Es löset scher-
zend die Muse,
Amor löset, der Schalk, mir den verschlos-
senen Mund. —
Ach, schon wird es so schwer, der Könige
Schande verbergen!
Weder die Krone bedeckt, weder ein
phrygischer Bund
Midas verlängertes Ohr: der nächste Diener
entdeckt es.
Und ihm ängstet und drückt gleich das
Geheimniss die Brust.
In die Erde vergrub er es gern, um sich zu
erleichtem —
Doch die Erde verwahrt soldhe Geheim-
nisse nicht.
251
in der ältesten Lesart — der Hören — wieder,
Rohre spriessen hervor und rauschen und
lispeln im Winde:
Midas! Midas der Fürst, trägt ein ver-
längertes Ohr! —
Schwerer wird es nun mir, ein schönes Ge-
heimnis zu wahren:
Ach, den Lippen entquillt Fülle des Herzens
so leicht!
Keiner Freundin darf ichs vertraun: sie
möchte mich schelten —
Keinem Freunde: vielleicht brächte der
Freund mir Gefahr.
Mein Entzücken dem Hain, dem schallenden
Felsen zu sagen,
Bin ich endlich nicht jung, bin ich nicht
einsam genug. —
Dir, Hexameter, dir, Pentameter, sei es ver-
trauet,
Wie sie des Tags mich erfreut, wie sie des
Nachts mich beglückt.
Sie, von vielen Männern gesucht, vermeidet
die Schlingen,
Die ihr der Kühnere frech, heimlich der
Listige legt.
Klug und zierlich schlüpft sie vorbei und
kennet die Wege,
Wo sie der Liebste gewiss lauschend, be-
gierig empfängt. —
252
Goethes spätere » Verbesserungetn^ sind meist vom Übel.
Zaudre, Lunal Sie kommt — damit sie der
Nachbar nicht sehe!
Rausche, Lüftchen, im Laubl Niemand
vernehme den Tritt 1
Und ihr, wachset und blüht, geliebte Lieder!
Und wieget
Euch im leisesten Hauch lauer und Heben-
der Luft,
Und entdeckt den Quinten, wie jene Rohre
geschwätzig,
Eines glücklichen Paars schönes Geheimniss
zuletzt !
252
Diese beiden Elegien entstanden gleichzeitig mit den
Römische Elegien.
In den Ausgaben unterdrückt.
I.
Mehr, als ich ahndete, schön, das Glück, es
ist mir geworden:
Amor führte mich klug allen Palästen vorbei.
Ihm ist es lange bekannt, auch hab ich es
selbst wohl erfahren,
Was ein goldnes Gemach hinter Tapeten
verbirgt.
Nennet blind ihn und Knaben und ungezogen,
ich kenne
Klugen Amor, dich wohl, nimmerbestech-
licher Gottl
Uns verführten sie nicht, die majestätschen
Fa^aden,
Weder das ernste Cortil, noch der galante
Balkon.
Eilig ging es vorbei, und niedere, zierliche
Pforte
Nahm den Führer zugleich, nahm den Ver-
langenden auf.
254
vorigen^ denen sie ursprünglich als Nr. II und XVI
Alles verschafft er mir da, hilft Alles und
alles erhalten,
Streuet jeglichen Tag frischere Rosen mir
auf.
Hab ich den Himmel nicht hier? — Was
giebst du, schöne Borghese,
Nipotina, was giebst deinem Geliebten du
mehr?
Tafel, Gesellschaft und Chors und Spiel und
Oper und Bälle,
Amom rauben sie oft nur die gelegenste
Zeit.
Oder will »ie bequem den Freund am Busen
verbergen —
Wünscht er von alle dem Schmuck nicht
schon behend sie befreit?
zugeordnet waren. Sie wurden aus Prüderie unterdrückt
II.
Zwei gefährliche Schlangen, vom Chore
der Dichter gescholten,
Grausend kennt sie die Welt Jahre die
tausende schon:
Python, dich und dich, Lemäischer Drache!
Doch seid ihr
Durch die rüstige Hand thätiger Götter
gefällt.
Ihr zerstöret nicht mehr mit feurigem Athem
und Geifer
Heerde, Wiesen und Wald, goldene Saaten
nicht mehr. —
Doch, welch ein feindlicher Gott hat. uns im
Zorne die neue
Ungeheure Geburt giftigen Schlammes ge-
sandt?
Ueberall schleicht er sich ein tmd in den
lieblichsten Gärtchen
Lauert tückisch der Wurm, packt den Ge-
niessenden an.
256
und sind erst jetzt — leider immer noch castriert —
Sei mir, hesperischer Drache, gegrüsst, du, du
zeigtest dich muthig,
Du vertheidigtest kühn goldener Aepfel
Besitz I
Aber dieser vertheidiget nichts — und wo
er sich findet,
Sind die Gärten, die Frucht keiner Ver-
theidigung werth.
Heimlich krümmet er sich im Busche, besudelt
die Quellen,
Geifert, wandelt in Gift Amors belebenden
Thau. —
O, wie glücklich warst du, Lukrezl Du
konntest der Liebe
Ganz entsagen und doch jeglichem Körper
vertraun,
Selig warst du Properz! . . .
Und wenn Cynthia dich aus jenen Um-
armungen schreckte.
Untreu fand sie dich zwar — aber sie
fand dich gesund.
Jetzt : wer hütet sich nicht, langweilige Treue
zu brechen.
Wen die Liebe nicht hält, hält die Besorg-
lichkeit auf.
Und auch da, wer weiss 1 Gewagt ist jegliche
Freude.
Hartleben, Goethe-Brevier.
257 17
im philologischen Apparat
O der goldenen Zeit, da Jupiter noch vom
Olympus
Sich zu Semele bald, bald zu Callisto begab.
Ihm lag selber daran, die Schwelle des heiligen
Tempels
Rein zu finden, den er liebend und mächtig
betrat.
O wie hätte Juno getobt, wenn im Streite der
Liebe
Gegen sie der Gemahl giftige Waffen ge-
kehrt.
Doch wir sind nicht ganz — wie alte Heiden —
verlassen.
Immer noch schwebet ein Gott über die
Erde dahin.
Eilig und ewig geschäftig. Ihr kennt ihn alle :
verehrt ihn I
Ihn, den Boten des Zeus, Hermes, den
heilenden Gottl
Fielen des Vaters Tempel zu Grund, be-
zeichnen die Säulen
Paarweis kaum noch den Platz alter ver-
ehrender Pracht,
Wird des Sohnes Tempel doch stehn und
ewige Zeiten
Wechselt der Bittende stets dort mit dem
Dankenden ab.
258
der Weimarafter Ausgabe abgedruckt.
Eins nur fleh ich im Stillen. An euch, ihr
Grazien, wend ich
Dieses heisse Gebet tief aus dem Busen
herauf:
Schützet mir mein kleines, mein artiges
Gärtchen, entfernet
Jegliches Uebel von mir 1 Reichet mir Amor
die Hand,
O so gebet mir stets, sobald ich dem Schelmen
vertraue,
Ohne Sorgen und Furcht, ohne Gefahr den
Genuss !
259 17*
Venetianische Epigramme.
Venetianische Epigramme.
I.
oarkophagen und Urnen verzierte der Heide
mit Leben:
Faunen tanzen umher, mit der Bachantinnen
Chor
Machen sie bunte Reihe; der ziegengefüssete
Pausback
Zwingt den heiseren Ton wild aus dem
schmetternden Hom.
Cymbeln, Trommeln erklingen : wir sehen und
hören den Marmor.
Flatternde Vögel, wie schmeckt herrlich
dem Schnabel die Frucht!
Euch verscheuchet kein Lärm, noch weniger
scheucht er den Amor,
Der in dem bunten Gewühl erst sich der
Fackel erfreut.
So überwältiget Fülle den Tod. Und die Asche
da drinnen
Scheint im stillen Bezirk noch sich des
Lebens zu freun.
Und so ziere denn auch den Sarkophagen
des Dichters
Diese Rolle, die er reichlich mit Leben
geschmückt I
260
I
Venedig, Frühjdhr lygo.
' 2.
Kaum erblickt ich den blaueren Himmel, die
glänzende Sonne,
Reich, vom Felsen herab, Epheu zu Kränzen
geschmückt,
Sah den emsigen Winzer die Rebe der Pappel
verbinden —
Ueber die Wiege Virgils kam mir ein lau-
lichter Wind —
Da gesellten sich wieder die Musen zum Freunde:
wir pflogen
Abgerissnes Gespräch, wie es den Wanderer
freut.
3.
Immer halt ich die Liebste begierig im Arme
geschlossen.
Immer drängt sich mein Herz fest an den
Busen ihr an,
Immer lehnet mein Haupt an ihren Knieen,
ich blicke
Nach dem lieblichen Mund, ihr nach den
Augen hinauf.
»Weichling!« schölte mich einer: »und so
verbringst du die Tage?«
Ach, ich verbringe sie schlimm! Höre
nur, wie mir geschieht!
Leider wend ich den Rücken der einzigen^
Freude des Lebens:
261
Die Epigramme entstanden auf der zweiten
Schon den zwanzigsten Tag schleppt mich
der Wagen dahin.
Vetturine trotzen mir nun, es schmeichelt der
Kämmrer,
Und der Bediente vom Platz sinnet auf
Lügen und Trug.
Will ich ihnen entgehn, so fasst mich der
Meister der Posten,
[Posüllone sind Herrn], dann die Dogane
dazu ! —
»Ich verstehe dich nicht. Du widersprichst
dirl Du schienest
Paradiesisch zu ruhn, ganz wie Rinaldo
beglückt.«
Ach! ich vertehe mich wohl: es ist mein
Körper auf Reisen,
Und es ruhet mein Geist stets der Geliebten
im Schooss.
4.
Noch ist Italien, wie ichs verliess ! Noch stäuben
die Wege,
Noch ist der Fremde geprellt, stell er sich,
wie er auch will.
Deutsche Rechtlichkeit suchst du in allen
Winkeln vergebens!
Leben und Weben ist hier, aber nicht Ord-
nung und Zucht.
262
italienischen Reise im April und Mai lygo.
Jeder sorgt nur für sich, ist eitel, misstrauet
dem andern,
Und die Meister des Staats sorgen nur
wieder für sich. —
Schön ist das Land, doch achl Faustinen
find ich nicht wieder —
Das ist Italien nicht mehr, das ich mit
Schmerzen verliessl
5-
Ruhig gelehnt in der Gondel durchfuhr ich
die Reihen der Schiffe,
Die in dem grossen Kanal, viele befrachtete
stehn,
Mancherlei Waare findest du da für manches
Bedürfniss,
Weizen, Wein und Gemüs, Scheite wie
leichtes Gesträuch. —
Pfeilschnell drangen wir durch: da traf ein
verlorener Lorbeer
Derb mir die Wangen. Ich rief: »Daphne,
verletzest du mich?
Lohn erwartet ich eher.c Die Nymphe
lispelte lächelnd:
»Dichter sündgen nicht schwer. Leicht ist
die Strafe. Fahr hinlc
263
Sie geben hei vielfacher Erinnerung
6.
Seh ich den Pilgrim, so kann ich mich nie
der Thränen enthalten.
O, wie beseliget uns Menschen ein falscher
Begriff!
7.
Eine Liebe hatt ich: sie war mir lieber als
alles I
Aber ich hab sie nicht mehr! »Schweig
und ertrag den Verlust !c
8.
Diese Gondel vergleich ich der sanft ein-
schaukelnden Wiege,
Und das Kästchen darauf scheint ein ge-
räumiger Sarg.
Recht so! Zwischen Sarg und Wiege — wir
schwanken und schweben
Auf dem grossen Kanal träumend ins
Leben dahin.
9.
Feierlich sehen wir neben dem Dogen den
Nuntius gehen:
Sie begraben den Herrn, einer versiegelt
den Stein.
Was der Doge sich denkt, ich weiss es nicht,
aber der andre
Lächelt über den Ernst dieses Gepränges
gewiss.
264
H
an Christiane und sein häusliches Liebesglück
■ I III ■ - — - » I
lO.
Warum treibt sich das Volk so und schreit?
Es will sich ernähren,
Kinder zeugen und die nähren, 30 gut es
vermag.
Merke dir, Reisender, das und thue zu Hause
desgleichen 1
Weiter bringt es kein Mensch, stell er sich,
wie er auch will.
II.
»Wie sie klingeln, die Pfaffen! Wie angelegen
sies machen,
Dass man komme, nur ja plappre, wie gestern
so heuti«
Scheltet mir nicht die Pfaffen ! Sie kennen des
Menschen Bedürfniss:
Denn wie ist er beglückt, plappert er morgen
wie heutl
12.
Mache der Schwärmer sich Schüler wie Sand am
Meere — der Sand ist
Sand. Die Perle sei mein, du, o vernünftiger
Freund !
13.
Süss, den sprossenden Klee mit weichlichen
Füssen im Frühling
Und die Wolle des Lamms tasten mit zärt-
licher Hand —
265
ein Tagebuch seiner Eindrucke in Venedig.
Süss, voll Blüthen zu sehn die neulebendigen
Zweige,
Dann das grünende Laub locken mit
sehnendem Blick. —
Aber süsser, mit Blumen dem Busen der
Schäferin schmeicheln —
Ach I Den gewohnten Genuss lässt mich
entbehren der Mail
14.
Diesem Amboss vergleich ich das Land, dem
Hammer den Fürsten —
Und dem Volke das Blech, das in der
Mitte sich krümmt.
Wehe dem armen Blech, wenn nur willkürliche
Schläge
Ungewiss treffen, und nie fertig der Kessel
erscheint !
15-
Schüler macht sich der Schwärmer genug und
rühret die Menge,
Wenn der vernünftige Mann einzelne
Liebende zählt.
Wunderthätige Bilder sind meist nur schlechte
Gemälde :
Werke des Geists und der Kunst sind für
den Pöbel nicht dal
266
Goethe schreibt aus Venedig an den Herzog:
i6.
Mache zum Herrscher sich der, der seinen
Vortheil verstehet —
Doch wir wählten uns den, der sich auf
unsern versteht.
17.
Noth lehrt beten. Man sagts. Will einer es
lernen, er gehe
Nach Italien I Noth findet der Fremde
gewiss.
18.
Welch ein heftig Gedränge nach diesem Laden !
Wie emsig
Wägt man, empfängt man das Geld, reicht
man die VVaare dahin I
Schnupftabak wird hier verkauft, — Das heisst
sich selber erkennen!
Niesswurz holt sich das Volk ohne Verord-
nung und Arzt.
19.
Jeder Edle Venedigs kann Doge werden. Das
macht ihn
Gleich als Knaben so fein, eigen, bedächtig
und stolz.
Darum sind die Oblaten so zart im katho-
lischen Wälschland:
Denn aus demselbigen Teig weihet der
Pfaffe den Gott.
267
^Uehrigens muss ich im Ver traun gesteh n, dass meifier'
20.
Ruhig am Arsenal stehn zwei altgriechische
Löwen.
Klein wird neben dem Paar Pforte wie
Thurm und Kanal.
Käme die Mutter der Götter herab, es
schmiegten sich beide
Vor den Wagen, und sie freute sich ihres
Gespanns.
Aber nun ruhen sie traurig: der neue ge-
flügelte Kater
Schnurrt überall, und ihn nennet Venedig
Patron.
21.
Emsig wallet der Pilger! Und wird er den
Heiligen finden,
Hören und sehen den Mann, welcher die
Wunder gethan?
Nein, es führte die Zeit ihn hinweg : du findest
nur Reste,
Seinen Schädel, ein paar seiner Gebeine
verwahrt. —
Wir sind allesammt Pilger, die wir Italien suchen:
Nur ein zerstreutes Gebein ehren wir gläubig
und froh.
268
Liehe für Italien durch diese Reise ein tötlicher Stoss
*< •
Jupiter Pluvius, heut erscheinst du ein freund-
licher Dämon,
Denn ein vielfach Geschenk giebst du in
einem Moment:
Giebst Venedig zu trinken, dem Lande grünen-
des Wachsthum —
Manches kleine Gedicht giebst du dem
Büchelchen hier.
23.
Giesse nur, tränke nur fort die rothbemäntelten
Frösche,
Wässre das durstende Land, dass es uns
Broccoli schickt!
Nur durchwässre mir nicht dies Büchlein I Es
sei mir ein Fläschchen
Reinen Araks, und Punsch mache sich jeder
nach Lustl
24.
»Sanct Johannes im Koth« heisst jene Kirche.
Venedig
Nenn ich mit doppeltem Recht heute Sanct
Markus im Koth.
25.
Hast du Bajä gesehn, so kennst du das Meer
imd die Fische,
Hier ist Venedig : du kennst nun auch den
Pfuhl und den Frosch.
269
versetzt wird. Nicht dass mirs in irgend einem Sinne
26.
»Schläfst du noch immer?« Nur still und lass
mich ruhen! Erwach ich,
Nun, was soll ich denn hier? Breit ist das
Bette, doch leer. —
Ist überall ja doch Sardinien, wo man allein
schläft,
Tibur, Freund, überall, wo dich die Lieb-
liche weckt.
27.
Alle Neun, sie winkten mir oft, [ich meine
die Musen,]
Doch ich achtet es nicht, hatte das Mädchen
im Schooss.
Nun verliess ich mein Liebchen: mich haben
die Musen verlassen,
Und ich schielte verwirrt, seitwärts nach
Messer und Strick.
Doch von Göttern ist voll der Olymp: du
kamst mich zu retten,
Langeweile 1 Sei mir, Mutter der Musen,
gegrüssti
28.
Welch ein Mädchen ich wünsche zu haben?
Ihr fragt mich? Ich hab sie,
Wie ich sie wünsche! Du sagst, dünkt mich,
mit wenigem viel.
270
Übel gegangen wäre — wie wollt es auch f — aber
An dem Meere ging ich und suchte mir
Muscheln. In einer
Fand ich ein Perlchen. Es bleibt nun mir
am Herzen verwahrt.
29.
Vieles hab ich versucht, gezeichnet, in Kupfer
gestochen,
Oel gemalt, in Thon hab ich auch manches
gedruckt,
Unbeständig jedoch, und nichts gelernt noch
geleistet.
Nur ein einzig Talent bracht ich der Meister-
schaft nah:
Deutsch zu schreiben. Und so verderb ich
unglücklicher Dichter
In dem schlechtesten Stoff leider nun Leben
und Kunst.
30.
Schöne Kinder tragt ihr und steht mit ver-
deckten Gesichtern,
Bettelt — das heiss ich : mit Macht reden
ans männliche Herz!
Jeder wünscht sich ein Knäbchen, wie ihr
das dürftige zeiget.
Und ein Liebchen, wie mans unter dem
Schleier sich denkt.
271
t
die erste Blüthe der Neigung und Neugierde
31.
Das ist dein eigenes Kind nicht, worauf du
bettelst, und rührst mich.
O, wie rührt mich erst die, die mir mein
eigenes bringt!
32.
Warum leckst du dein Mäulchen, indem du
mir eilig begegnest?
Wohl, dein Züngelchen sagt mir, wie ge-
sprächig es sei.
33.
Sämmtliche Künste lernt und treibet der
Deutsche. Zu jeder
Zeigt er ein schönes Talent, wenn er sie
ernstlich ergreift.
Eine Kunst nur treibt er und will sie nicht
lernen: die Dichtkunst.
Darum pfuscht er auch so. Freunde, wir
habens erlebt t
34.
Oft erklärtet ihr euch als Freunde des Dichters,
ihr Götter!
Gebt ihm auch, was er bedarf! Massiges
braucht er, doch viel:
Erstlich freundh'che Wohnung, dann leidlich
zu essen — zu trinken
272
ist abgefallen^ und ich hin doch auf und ab
Gut: der Deutsche versteht sich auf den
Nektar wie ihr.
Dann geziemende Kleidung und Freunde,
vertraulich zu schwatzen,
Dann ein Liebchen des Nachts, das ihn
von Herzen begehrt.
Diese fünf natürlichen Dinge verlang ich vor
allem.
Gebet mir ferner dazu Sprachen, die alten
und neu'n,
Dass ich der Völker Gewerb und ihre Ge-
schichten vernehme.
Gebt mir ein reines Gefühl, was sie in
Künsten gethani
Ansehn gebt mir im Volke, verschafft bei
Mächtigen Einfluss,
Oder was sonst noch bequem unter den
Menschen erscheint I
Gut — schon dank ich euch, Götter I Ihr habt
den glücklichsten Menschen
Ehstens fertig, denn ihr gönntet das meiste
mir schon.
35.
Klein ist unter den Fürsten Germaniens freilich
der meine,
Kurz und schmal ist sein Land, massig
nur, was er vermag.
Hartleben, Goethe* Brevier. 18
273
ein wenig schelmfuHgtscher geworden»
Aber so wende nach innen, so wende nach
aussen die Kräfte
Jeder I Da war es ein Fest, Deutscher mit
Deutschen zu sein.
Doch was priesest du ihn, den Thaten und
Werke verkünden?
Und bestochen erschien deine Verehrung
vielleicht ;
Denn mir hat er gegeben, was Grosse selten
gewähren,
Neigung, Müsse, Vertraun, Felder und
Garten und Haus.
Niemand braucht ich zu danken als ihm,
und manches bedurft ich.
Der ich mich auf den Erwerb schlecht als
ein Dichter verstand.
Hat mich Europa gelobt, was hat mir Europa
gegeben?
Nichts! Ich habe, wie schwer! meine Ge-
dichte bezahlt.
Deutschland ahmte mich nach, und Frank-
reich mochte mich lesen.
England, freundlich empfingst du den zer-
rütteten Gast!
Doch was fördert es mich, dass auch sogar
der Chinese
Malet mit ängstlicher Hand Werthem und
Lotten auf Glas?
274
Meine Etegien haben ihre Summe erreicht.
Niemals frug ein Kaiser nach mir, es hat sich
kein König
Um mich bekümmert, und Er war mir
August und Mäcen.
36.
Eines Menschen Leben, was ists ? Doch Tau-
sende können
Reden über den Mann, was er und wie
ers gethan.
Weniger ist ein Gedicht. Doch können es
Tausend geniessen.
Tausende tadeln. Mein Freund, lebe nur,
dichte nur fort!
37.
Müde war ich geworden, nur immer Gemälde
zu sehen.
Herrliche Schätze der Kunst, wie sie Venedig
bewahrt.
Denn auch dieser Genuss verlangt Erholung
und Müsse:
Nach lebendigem Reiz suchte mein schmach-
tender Blick.
Gauklerin ! Da ersah ich in dir zu den Bübchen
das Urbild,
Wie sie Johannes Beilin reizend mit Flügeln
gemalt,
275 18»
Dagegen bringe ich ein libellum epigratnmatutn
Wie sie Paul Veronese mit Bechern dem
Bräutigam sendet,
Dessen Gäste, getäuscht, Wasser gemessen
für Wein.
38.
Wie von der künstlichsten Hand geschnitzt,
das liebe Figürchen,
Weich und ohne Gebein, wie die Molluska
nur schwimmt!
Alles ist Glied und alles Gelenk und alles
gefällig.
Alles nach Massen gebaut, alles nach Will-
kür bewegt.
Menschen hab ich gekannt und Thiere, so
Vögel als Fische,
Manches besondre Gewürm, Wtmder der
grossen Natur,
Und doch staun ich dich an. Bettine, lieb-
liches Wunder,
Die du alles zugleich bist und ein Engel
dazu.
39.
Kehre nicht, liebliches Kind, die Beinchen
hinauf zu dem Himmel I
Jupiter sieht dich, der Schalk, und Ganymed
ist besorgt.
276
zurück j das steh Ihres Beifalls^
40,
Wende die Füsschen zum Himmel nur ohne
Sorge ! Wir strecken
Arme betend empor, aber nicht schuldlos
wie du.
41.
Seitwärts neigt sich dein Hälschen. Ist das
ein Wunder? Es trägt ja
Oft dich Ganze, du bist leicht, nur dem
Hälschen zu schwer.
Mir ist sie gar nicht zuwider, die schiefe
Stellung des Köpfchens —
Unter schönerer Last beugte kein Nacken
sich je.
42.
So verwirret mit dumpf-willkürlich verwebten
Gestalten,
Höllisch und trübe gesinnt, Bi:eughel den
schwankenden Blick —
So zerrüttet auch Dürer mit apokalyptischen
Bildern,
Menschen und Grillen zugleich, unser ge-
sundes Gehirn —
So erreget ein Dichter, von Sphinxen, Sirenen,
Centauren
Singend mit Macht, Neugier in dem ver-
wunderten Ohr —
277
hoffe i'chi erfreuen soll.< —
So beweget ein Traum den Sorglichen, wenn
er zu greifen,
Glaubt und vorwärts zu gehn — alles ver-
änderlich schwebt —
So verwirrt uns Bettine, wenn sie die Glieder
verwechselt I
Doch erfreut sie uns gleich, wenn sie die
Sohlen betritt.
43.
Gern tiberschreit ich die Grenze, mit breiter
Kreide gezogen.
Wenn du Bottegha dir machst, drängst du
mich artig zurück.
44.
»Achl mit diesen Seelen, was macht er?
Jesus Maria!
Bündelchen Wäsche sind das, wie man zum
Brunnen sie trägt.
Wahrlich, sie fällt 1 Ich halt es nicht aus ! Komm
gehn wirl — Wie zierlich,
Sieh nur, wie steht sie, wie leicht I Alles
mit Lächeln und Lust!« —
Altes Weib, du bewunderst mit Recht Bettinen :
du scheinst mir
Jünger zu werden und schön, da dich mein
Liebling erfreut.
278
Am 26. October 1*^94 machte Goethe Schiller
45.
Alles seh ich so gerne von dir, doch seh ich
am liebsten,
Wenn der Vater behend über dich selber
dich wirft,
Du dich im Schwung überschlägst und nach
dem tödtlichen Sprunge
Wieder stehest und läufst, eben als war
nichts geschehn.
46.
Schon entrunzeln sich alle Gesichter, die
Furchen der Mühe,
Sorgen und Armuth fliehn, Glückliche
glaubt man zu sehn.
Dir erweicht sich der Schiffer und klopft dir
die Wange: der Säckel
Thut sich dir kärglich zwar, ab^r er thut
sich doch auf,
Und der Bewohner Venedigs entfaltet den
Mantel und reicht dir.
Eben als flehtest du laut bei den Mirakeln
Antons,
Bei des Herren fünf Wunden, dem Herzen
der seligsten Jungfrau,
Bei der feurigen Qual, welche die Seelen
durchfegt 1
279
den Vorschlags seinem damals geplanten
Jeder kleine Knabe, der Schiffer, der Höke,
der Bettler
Drängt sich und freut sich bei dir, dass
er ein Kind bt wie du.
47.
Dichten ist ein lustig Handwerk, nur find
ich es theuer:
Wie dies Büchlein mir wächst, gehn die
Zechinen mir fort.
48.
»Welch ein Wahnsinn ergriff dich im Müssig-
gang ? Hältst du nicht inne ?
Wird dies Mädchen ein Buch? Stimme
was Klügeres anl« —
Wartet, bald will ich die Könige singen, die
Grossen der Erde,
Wenn ich ihr Handwerk und sie besser
verstehe wie jetzt.
Unterdessen sing ich Bettinen, denn Gaukler
und Dichter
Sind gar nahe verwandt, suchen und
finden sich gern.
49.
»Böcke, zur Linken mit euch!« So ordnet
künftig der Richter.
»Und ihr Schäfchen, ihr sollt ruhig zur
Rechten mir stehn!«
280
i Musenalmanach < ein Büchlein Epigramme
Wohll Doch eines verschweigen die Evange-
listen. Dann sagt er:
»Seid, Vernünftige, mir grad gegenüber-
gestellt!«
50.
Wisst ihr, wie ich gewiss euch Epigramme in
Schaaren
Fertige? Führet mich nur weit von der
Liebsten hinweg!
Alle Freiheits- Apostel, sie waren mir immer
zuwider :
Willkür suchte doch nur jeder am Ende
für sich.
Willst du viele befrein, so wag es, vielen zu
dienen!
Wie gefährlich das sei, willst du es wissen?
Versuchs !
52.
Was hat Joseph gewollt und was wird Leopold
wollen ?
Menschen sind sie wie wir — Menschen,
wir sind es wie sie.
Nie gelingt es der Menge, für sich zu wollen ;
wir Wissens.
Doch wer verstehet für uns alle zu wollen,
er zeigs!
281
ein- oder anzurücken, — Er schreibt \ ^Getrennt
Jeglichen Schwänner schlagt mir ans Kreuz
im dreissigsten Jahre!
Kennt er nur einmal die Welt, wird der
Betrogene der Schelm.
54.
Frankreichs traurig Geschick, die Grossen
mögens bedenken,
Aber bedenken fürwahr sollen es Kleine
noch mehr.
Grosse gingen zu Grunde, doch wer be-
schützte die Menge
Gegen die Menge? Da war Menge der
Menge Tyrann.
SS.
Tolle Zeiten hab ich erlebt und hab nicht
ermangelt,
Selbst auch thöricht zu sein, wie es die
Zeit mir gebot.
56.
»Sage, thun wir nicht recht? Wir müssen
den Pöbel betrügen!
Sieh nur, wie ungeschickt, sieh nur, wie
wild er sich zeigt!«
Ungeschickt und wild sind alle rohen Be-
trogenen,
Seid nur redlich und so führt ihn zum
Menschlichen an!
282
bedeuten sie nichts; wir würden aber wohl
Fürsten prägen so oft auf kaum versilbertes
Kupfer
Ihr bedeutendes Bild, lange betrügt sich
das Volk.
Schwärmer prägen den Stempel des Geistes
auf Lügen und Unsinn —
Wem der Probirstein fehlt, hält sie für
redliches Gold.
S8.
»Jene Menschen sind toll,« so sagt ihr von
heftigen Sprechern,
Die wir in Frankreich laut hören auf
Strassen und Markt.
Auch mir scheinen sie toll. Doch redet ein
Toller in Freiheit
Weise Sprüche, wenn, ach, Weisheit im
Sklaven verstummt.
59.
Lange haben die Grossen der Franzen Sprache
gesprochen.
Halb nur geachtet den Mann, dem sie vom
Munde nicht floss.
Nun lallt alles Volk entzückt die Sprache der
Franken.
Zürnet, Mächtige, nicht I Was ihr verlangtet,
geschieht.
283
aus einigen Hunderten, die mitunter nickt
60.
»Seid doch nicht so frech, Epigramme I«
Warum nicht? Wir sind nur
Ueberschriften : die Welt hat die Kapitel
des Buchs.
61.
Wie dem hohen Apostel ein Tuch voll Thiere
gezeigt ward,
Rein und unrein, so zeigt, Lieber, das Büch-
lein sich dir.
62.
Ob ein Epigramm wohl gut sei? Kannst dus
entscheiden? —
Weiss man doch eben nicht stets, was er
sich dachte, der Schalk.
63-
Je gemeiner es ist, je näher dem Neide, der
Missgunst,
Um so eher begreifst du das Gedichtchen
gewiss.
64.
Chloe schwöret, sie liebt mich. Ich glaubs
nicht. »Aber sie liebt dich I «
Sagt mir ein Kenner. Schon gut. Glaubt
ichs, da war es vorbei.
284
producibel sind, doch eine Anzahl auswählen können,
6s.
Niemand liebst du, und mich, Philarchos,
liebst du so heftig.
Ist denn kein anderer Weg, mich zu be-
zwingen, als der?
66.
Ist denn so gross das Geheimniss, was Gott, die
Welt und der Mensch sei?
NeinI Doch Keiner mags gern hören, da
bleibt es geheim.
67.
Vieles kann ich ertragen. Die meisten be-
schwerlichen Dinge
Duld ich mit ruhigem Mut, wie es ein
Gott mir gebeut.
Wenige sind mir jedoch wie Gift und Schlange
zuwider.
Viere: Rauch des Tabaks, Wanzen und
Knoblauch und Kreuz 1
68.
Längst schon hätt ich euch gern von jenen
Thierchen gesprochen,
Die so zierlich und schnell fahren dahin
und daher.
Schlängelchen scheinen sie gleich, sie haben
vier Füsse, sie laufen.
285
die sich aufeinander heziehn und ein Ganzes bilden.
Kriechen und schleichen, und leicht schleppen
die Schwänzchen sie nach.
Seht: hier sind sie! Und hierl Nun sind sie
verschwunden! Wo sind sie?
Welche Ritze, welch Kraut nahm die ent-
fliehenden auf?
Wollt ihr mirs künftig erlauben, so nenn ich
die Thierchen Lacerten,
Denn ich brauche sie noch oft als gefälliges
Bild.
69.
Wer Lacerten gesehn, der kann sich die zier-
lichen Mädchen
Denken, die über den Platz fahren dahin
und daher.
Schnell und beweglich sind sie und gleiten,
stehen und schwätzen,
Und es rauscht das Gewand hinter der
eilenden drein.
Sieh: hier ist sie! Und hierl Verlierst du sie
einmal, so suchst du
Sie vergebens, so bald kommt sie nicht
wieder hervor.
Wenn du aber die Winkel nicht scheust, nicht
Gässchen und Treppchen,
Folg ihr, wie sie dich lockt, in die Spelunke
hinein 1
286
Das nächste Mal, das wir zusatnmenkommetif sollen
70.
Was Spelunke nun sei, verlangt ihr zu wissen?
Da wird ja
Fast zum Lexikon dies epigrammatische
Buch.
Dunkele Häuser sinds in engen Gässchen:
zum Kaffee
Führt dich die Schöne, und sie zeigt sich
geschäftig, nicht du.
71.
Zwei der feinsten Lacerten, sie hielten sich
immer zusammen:
Eine beinahe zu gross, eine beinahe zu klein.
Siehst du beide zusammen, so wird die Wahl
dir unmöglich:
Jede besonders, sie schien einzig die schönste
zu sein.
72.
Heilige Leute, sagt man, sie wollten besonders
dem Sünder
Und der Sünderin wohl. Gehts mir doch
eben auch so.
»War ich ein häusliches Weib und hätte, was
ich bedürfte.
Treu sein wollt ich und froh, herzen und
küssen den Mann.c
287
Sie die leichtfertige Brut im Neste zusammen sehn.^ —
So sang unter andern gemeinen Liedern ein
Dimchen
Mir in Venedig, und nie hört ich ein frömmer
Gebet.
74.
Wundem kann es mich nicht, dass Menschen
die Hunde so lieben,
Denn ein erbärmlicher Schuft ist wie der
Mensch so der Hund.
[Wundem kann es mich nicht, dass manche
die Hunde verläumden.
Denn es beschämet zu oft leider den
Menschen der Hund.
Schoptmhauer.\
75-
Frech wohl bin ich geworden, es ist kein
Wunder. Ihr Götter
Wisst und wisst nicht allein, dass ich auch
fromm bin tmd treu.
76.
»Hast du nicht gute Gesellschaft gesehn? Es
zeigt uns dein Büchlein
Fast nur Gaukler und Volk, ja, was noch
niedriger ist« —
288
Am 77. Augtist tygs schreibt Goethe an Schilter: ^ffier
Gute Gesellschaft hab ich gesehn : man nennt
sie die gute,
Wenn sie zum kleinsten Gedicht keine Ge-
legenheit giebt.
77.
Was mit mir das Schicksal gewollt? Es wäre
verwegen,
Das zu fragen, denn meist will es mit vielen
nicht viel.
Einen Dichter zu bilden? Die Absicht war ihm
gelungen,
Hätte die Sprache sich nicht unüberwindlich
gezeigt.
78.
»Mit Botanik giebst du dich ab? Mit Optik?
Was thust du?
Ist es nicht schönrer Gewinn, rühren ein
zärtliches Herz?« —
Ach, die zärtlichen Herzen 1 Ein Pfuscher
vermag sie zu rühren.
Sei es mein einziges Glück, dich zu berühren,
Natur I
79.
Weiss hat Newton gemacht aus allen Farben.
Gar manches
Hat er euch weis gemacht, das ihr ein
Säculum glaubt.
Hartleb«n, Goethe-Brevier.
289 19
schicke ich Ihnen endlich die Sammlung Epigramme . ,
80.
»Alles erklärt sich wohl,« so sagt mir ein
Schüler, »aus jenen
Theorien, die uns weislich derMeister gelehrt.«
Habt ihr einmal das Kreuz von Holze tüchtig
gezimmert,
Passt ein lebendiger Leib freilich zur Strafe
daran.
81.
Wenn auf beschwerlichen Reisen ein Jüngling
zur Liebsten sich windet,
Hab er dies Büchlein I Es ist reizend und
tröstlich zugleich.
Und erwartet dereinst ein Mädchen den Liebsten,
sie halte
Dieses Büchlein, und nur, kommt er, so
werfe sies weg!
82.
Wie die Winke des Mädchens, das keine Zeit
hat, und eilig
Im Vorbeigehn nur freundlich mir streifet
den Arm,
So vergönnt, ihr Musen, dem Reisenden kleine
Gedichte —
O, behaltet dem Freund grössere Gunst
noch bevor I
290
Meinen Namen wünsch ich aus mehreren Ursachen
83.
Wenn, in Dunst und Wolken verhüllt, die
Sonne nur trübe
Stunden sendet, wie still wandeln die Pfade
wir fort!
Dränget Regen den Wandrer, wie ist uns des
ländlichen Daches
Schirm willkommen I Wie sanft ruht ^ichs
in stürmischer Nacht f' —
Aber die Göttin kehret zurück. Schnell!
Scheuche die Nebel
Von der Stirne hinweg! Gleiche der Mutter
Natur !
84.
Willst du die Freuden der Liebe mit reinem
Gefühle geniessen,
O, lass Frechheit und Ernst ferne vom
Herzen dir sein!
Jene will Amor verjagen, und dieser gedenkt
ihn zu fesseln —
Siehe: da lächelt der Gott Beiden das
Gegenteil zu.
85.
Götüicher Morpheus, umsonst bewegst du die
lieblichen Mohne —
Dieses Auge bleibt wach, schliesst es mir
Amor nicht zu.
291 19»
nickt auf dem Titel . . .c
86.
Liebe flössest du ein und Begier! Ich fühl es
und brenne.
Liebenswürdige, nun flösse Vertrauen mir ein!
87.
Ha I Ich kenne dich, Amor, so gut als einer !
Da bringst du
Deine Fackel, und sie leuchtet im Dunkel
uns vor.
Aber bald führest du uns verworrene Pfade:
wir brauchten
Deine Fackel erst recht — ach, und die
falsche verlischt!
88.
Eine einzige Nacht an deinem Herzen! —
Das andre
Giebt sich. Es trennet uns noch Amor
in Nebel und Nacht,
Ja, ich erlebe den Morgen, an dem Aurora
die Freunde
Busen an Busen belauscht — Phöbus, der
frühe, sie weckt!
89.
Ist es dir Ernst, so zaudre nicht länger und
mache mich glücklich!
Wolltest du scherzen? Es sei, Liebchen,
des Scherzes genug!
292
So imirde denn die Sammlung
90.
Dass ich schweige, verdriesst dich? Was soll
ich reden? Du merkest
Auf der Seufzer, des Blicks leise Beredsam-
keit nicht.
Eine Göttin vermag mir der Liebe Siegel
zu lösen:
Nur Aurora, die uns traulich umschlungene
weckt I
Ja, dann töne mein Hymnus den frühen
Göttern entgegen,
Wie das Memnonische Bild lieblich Ge-
heimnisse sang.
91.
Welch ein lustiges Spiel I Es windet am
Faden die Scheibe,
Die von der Hand entfloh, eilig sich wieder
herauf.
Seht, so schein ich mein Herz bald dieser
Schönen, bald jener
Zuzuwerfen, doch gleich kehrt es im Fluge
zurück.
92.
O, wie achtet ich sonst auf alle Zeiten des
Jahres,
Grüsste den kommenden Lenz, sehnte dem
Herbste mich nachl
293
in Schillers ^Musenalmanach auf das Jahr lygöt
Aber nun ist nicht Sommer noch Winter, seit
mich Beglückten
Amors Fittich bedeckt, ewiger Frühling
umschwebt.
93-
»Sage, wie lebst du?« Ich lebe! Und wären
hundert und hundert
Jahre dem Menschen gegönnt, wünscht ich
mir morgen wie heut.
94.
Götter, wie soll ich euch danken! Ihr habt
mir alles gegeben,
Was der Mensch sich erfleht — nur in
der Regel fast nichts.
95-
In der Dämmrung des Morgens den höchsten
Gipfel erklimmen.
Frühe den Boten des Tags grüssen, dich,
freundlichen Stern!
Ungeduldig die Blicke der Himmelsfürstin er-
warten —
Wonne des Jünglings, wie oft locktest du
Nachts mich heraus!
Nun erscheinet ihr mir, Boten des Morgens,
ihr himmlischen Augen
Meiner Geliebten, und stets kommt mir
die Sonne zu früh.
294
anonym^ unter dem Titel: Tt Epigramme,
96, .
Du erstaunest und zeigst mir das Meer: es
scheinet zu brennen!
Wie bewegt sich die Fluth leuchtend ums
nächtliche Schiff I
Mich verwundert es nicht. Das Meer gebar
Aphroditen,
Und entsprang nicht aus ihr, uns eine
Flamme, der Sohn?
97.
Glänzen sah ich das Meer und blinken die
liebliche Welle,
Frisch mit günstigem Wind zogen die Segel
dahin.
Keine Sehnsucht fühlte mein Herz, es wendete
rückwärts
Nach dem Schnee des Gebirgs bald sich
der schmachtende Blick.
Südwärts liegen der Schätze wie viel ! Doch
einer im Norden
Zieht, ein grosser Magnet, unwiderstehlich
zurück.
98.
Ach, mein Mädchen verreist! Sie steigt zu
Schiffe! — Mein König,
Aeolus, mächtiger Fürst ! Halte die Stürme
zurück I
295
Venedig i7go€, zuerst abgedruckt.
»Thörichter!« ruft mir der Gott, »befürchte
nicht wüthende Stürme,
Fürchte das Lüftchen, wenn sanft Amor
die FJügel bewegt!«
99.
Arm und kleiderlos war das Mädchen, als ich
es geworben,
Damals gefiel sie mir nackt, wie sie mir
jetzt noch gefallt
100.
Oftmals hab ich geirrt und habe mich wieder
gefunden.
Aber glücklicher nie. Nun ist dies Mädchen
mein Glück!
Ist auch dieses ein Irrthum, so schont mich,
ihr klügeren Götter!
Und benehmt mir ihn erst drüben am kalten
Gestad !
lOI.
Traurig, Midas, war dein Geschick : in beben-
den Händen
Fühltest du, hungriger Greis, schwere ver-
wandelte Kost.
Mir im ähnlichen Fall gehts lustiger: was
ich berühre,
Wird mir unter der Hand gleich ein
behendes Gedicht.
296
Das Goethe-Brevier stellt atich von den Epigrammen
Holde Musen, ich sträube mich nicht! Nur
dass ihr mein Liebchen,
Drück ich es fest an die Brust, nicht mir
zum Märchen verkehrt!
102.
»Ach, mein Hals ist ein wenig geschwollen Ic
so sagte mein Liebchen
Aengstlich. — Stille, mein Kind! Still,
und vernimm du das Wort:
Dich hat die Hand der Venus berührt. Sie
deutet dir leise,
Dass sie das Körperchen bald, ach, un-
aufhaltsam entstellt.
Bald verdirbt sie die schlanke Gestalt, die
zierlichen Brüstchen,
Alles schwillt nun, es passt nirgends das
neuste Gewand. —
Sei nur ruhig I Es deutet die fallende Blüthe
dem Gärtner,
Dass die liebliche Frucht schwellend im
Herbste gedeiht.
103.
Wonniglich ists, die Geliebte verlangend im
Arme zu halten.
Wenn ihr klopfendes Herz Liebe zuerst
dir gesteht.
297
vielfach die ältere^ deutschere Lesart wieder her.
Wonniglicher, das Pochen des Neulebendigen
fühlen,
Das in dem lieblichen Schooss immer sich
nährend bewegt.
Schon versucht es die Sprünge der raschen
Jugend, es klopfet
Ungeduldig schon an, sehnt sich nach himm-
lischem Licht.
Harre noch wenige Tage ! Auf allen Pfaden
des Lebens
Führen die Hören dich streng, wie es das
Schicksal gebeut.
Widerfahre dir, was dir auch wolle, du wachsen-
der Liebling —
Liebe bildete dich — werde dir Liebe zu
Theil !
104.
Und so tändelt ich mir, von allen Freunden
geschieden,
In der Neptunischen Stadt Tage wie Stunden
hinweg.
Alles, was ich erfuhr, ich würzt es mit süsser
Erinnrung,
Würzt es mit Hoffnung: sie sind lieblichste
Würzen der Welt!
296
wl
r
Epigramme des Jahres i'jgo.
Venetianische Epigramme.
Nachlese.
I.
Welche Hoffnung ich habe? Nur eine, die
heut mich beschäftigt:
Morgen mein Liebchen zu sehn, das ich
acht Tage nicht sah.
II.
Weit und schön ist die Welt — doch, o wie
dank ich dem Himmel,
Dass ein Gärtchen, beschränkt, zierlich,
mir eigen gehört.
Bringt mich wieder nach Hause! Was hat
ein Gärtner zu reisen?
Ehre bringts ihm und Glück, wenn er sein
Gärtchen besorgt.
III.
Eine Liebe wünscht ich und konnte sie niemals
gewinnen —
Wünschen lässt sich noch wohl, aber ver-
dienen nicht gleich.
299
Entstanden theils im Frühjahr in Venedigs
IV.
Lange sucht ich ein Weib mir. Ich suchte,
da fand ich nur Dirnen.
Endlich erhascht ich mir dich, Dimchen —
da fand ich ein Weib.
V.
Alles, was ihr wollt, ich bin euch wie immer
gewärtig.
Aber einsam des Nachts schlafen? — O!
Freunde, verzeiht.
VI.
Ach, sie neiget das Haupt, die holde Knospe!
Wer giesset
Eilig erquickendes Nass neben die Wurzel
ihr hin,
Dass sie froh sich entfalte, die schönen Stun-
den der Blüthe
Nicht zu frühe vergehn, endlich auch reife
die Frucht?
Aber auch mir, — mir sinket das Haupt
von Sorgen und Mühe.
Liebes Mädchen, ein Glas schäumenden
Weines herbeil
doo
theils auf der seh lesischen Reise im Hochsommer 1790.
VII.
Fürchte nicht, liebliches Mädchen, die Schlange,
die dir begegnet I
Eva kannte sie schon, frage den Pfarrer,
mein Kind.
VIII.
Nackend willst du nicht neben mir liegen, du
süsse Geliebte?
Schamhaft hältst du dich noch mir im Ge-
wände verhüllt? —
Sag mir: begehr ich dein Kleid! Begehr ich
den lieblichen Körper?
Nein ! Die Scham ist ein Kleid I Zwischen
Verliebten hinweg!
IX.
Ob erfüllt sei, was Moses und was die Pro-
pheten gesprochen,
An dem heiligen Christ, Freunde, das weiss
ich nicht recht.
Aber das weiss ich: erfüllt sind Wünsche,
Sehnsucht und Träume,
Wenn das liebliche Kind süss mir am Busen
entschläft.
301
^
Goethe schloss sie von der Sammlung i'/gs aus
X.
Alle sagen mir, Kind, dass du mich lachend
betrügest —
O betrüge mich nur immer und immer
so forti
XI.
Knaben liebt ich wohl auch, doch lieber
sind mir die Mädchen —
Hab ich als Mädchen sie satt, dient sie
als Knabe mir noch.
XII.
Wären der Welt die Augen zu öffnen, was
könnte geschehen?
Besser, du siebest die Welt selber und
findest dein Theil.
XIII.
Das Gemeine lockt Jeden. Siehst du in Kürze
von Vielen
Etwas geschehen — getrost denke nur: das
ist gemein!
XIV.
Viele folgten dir gläubig und haben des
irdischen Lebens
Rechte Wege verfehlt, wie es dir selber
erging.
302
und sie sind auch in den späteren
Folgen mag ich dir nicht. Ich möchte dem
Ende der Tage
Als ein vernünftiger Mann, als ein ver-
gnügter mich nahn,
XV.
Offen stehet das Grab! Welch herrliches
Wunder I Der Herr ist
Auferstanden! — Wers glaubt 1 Schelmen,
ihr trugt ihn ja weg.
XVI.
Was auch Helden gethan, was Kluge gelehrt,
es verachtets
Wähnender christlicher Stolz neben den
Wundem des Herrn.
Und doch schmückt er sich selbst und seinen
nackten Erlöser
Mit dem Besten heraus, was uns der Heide
verliess. —
So versammelt der Pfaflfe die edelsten leuch-
tenden Kerzen
Um das gestempelte Brot, das er zum
Gott sich geweiht.
XVII.
Thöricht war es, ein Brot zu vergotten —
wir beten ja Alle
Täglich ums tägliche Brot — geb es der
Himmel uns heuti
303
Ausgaben unterdrückt geblieben.
XVIII.
Zum Erdulden ists gut ein Christ sein —
nimmer zu wanken:
Und so mat:hte sich auch christliche Lehre
zuerst
XIX.
Was vom Christenthum gilt, gilt von den
Stoikern — freien
Menschen geziemet es nicht, Christ oder
Stoiker seinl
^
304
Weimar^ Octoher I7g4.
Epistel.
Jetzt, da jeglicher liest und viele Leser das
Buch nur
Ungeduldig durchblättern und,' selbst die
Feder ergreifend,
Auf das Büchlein ein Buch mit seltner Fertig-
keit pfropfen,
Soll auch ich, du willst es, mein Freund,
dir über das Schreiben
Schreibend, die Menge Vermehren und meine
Meinung verkünden,
Dasis auch andere wieder darüber meinen
und immer
So ins Unendliche fort die schwankende
Woge sich wälze.
Doch so fähret der Fischer dem hohen
Meer zu, sobald ihm
Günstig der Wind und der Morgen erscheint:
er treibt sein Gewerbe,
Wenn auch hundert Gesellen die blinkende
Fläche durchkreuzen.
Hartlebea. Goethe-Brevier.
305 20
Am 28. Octoher Ijg4
Edler Freund, du wünschest das Wohl des
Menschengeschlechtes,
Unserer Deutschen besonders und ganz vor-
züglich des nächsten
Bürgers und ftirchtest die Folgen gefährlicher
Bücher: wir haben
Leider oft sie gesehen. Was sollte man,
oder was könnten
Biedere Männer vereint, was könnten die
Herrscher bewirken?
Ernst und wichtig erscheint mir die Frage,
doch trifft sie mich eben
In vergnüglicher Stimmung. Im warmen
heiteren Wetter
Glänzet fruchtbar die Gegend, mir bringen
liebliche Lüfte
lieber die wallende Flut süss duftende Kühlung
herüber,
Und dem Heitern erscheint die Welt auch
heiter, und ferne
Schwebt die Sorge mir nur in leichten Wölk-
chen vorüber.
Was mein leichter Griffel entwirft, ist \t\c\X
zu verlöschen,
Und viel tiefer präget sich nicht der Ein-
druck der Lettern,
Die, so sagt man, der Ewigkeit trotzen.
Freilich an viele
m
sandte Goethe die Epistel an Schüler.
Spricht die gedruckte Columne, doch bald,
wie jeder sein Antlitz,
Das er im Spiegel gesehen, vergisst, die be-
haglichen Züge,
So vergisst er das Wort, wenn auch von Erze
gestempelt.
Reden schwanken so leicht herüber, hinüber,
wenn viele
Sprechen und jeder nur sich im eignen
Worte, sogar auch
Nur sich selbst im Worte vernimmt, das der
andere sagte.
Mit den Büchern ist es nicht anders. ^ Liest
doch nur jeder
Aus dem Buch sich heraus, und ist er ge-
waltig, so liest er
In das Buch sich hinein : amalgamirt sich das
Fremde.
Ganz vergebens strebst du daher, durch
Schriften des Menschen
Schon entschiedenen Hang und seine Neigung
zu wenden —
Aber bestärken kannst du ihn wohl in seiner
Gesinnimg,
Oder, war er noch neu, in dieses ihn tauchen
und jenes.
307 20»
M
Sie erschien anonym an der Spitze
Sag ich, wie ich es denke, so scheint
durchaus mir: es bildet
Nur das Leben den Mann, und wenig be-
deuten die Worte.
Denn zwar hören wir gern, was unsre Meinung
bestätigt.
Aber das Hören bestimmt nicht die Meinung.
Was uns zuwider
Wäre, glaubten wir wohl dem künstlichen
Redner, doch eilet
Unser befreites Gemüt, gewohnte Bahnen zu
suchen.
Sollen wir freudig horchen und willig ge-
horchen, so musst du
Schmeicheln. Sprichst du zum Volke, zu
Fürsten und Königen, allen
Magst du Geschichten erzählen, worin als
wirklich erscheinet.
Was sie wünschen, und was sie selber zu
leben begehrten.
Wäre Homer von allen gehört, von allen
gelesen.
Schmeichelt' er nicht dem Geiste sich ein,
es sei auch der Hörer,
Wer er sei? Und klinget nicht immer im hohen
Palaste,
In des Königes Zelt, die Ilias herrlich dem
Helden?
308
des ersten Heftes der Hören,
Hört nicht aber dagegen Ul3rssens wandernde
Klugheit
Auf dem Markte sich besser, da wo sich der
Bürger versammelt?
Dort sieht jeglicher Held sich in Helm und
Harnisch — es sieht hier
Sich der Bettler sogar in seinen Lumpen ver-
edelt. —
Also hört ich einmal, am wohlgepflasterten
Ufer
Jener neptuntschen Stadt, allwo man geflügelte
Löwen
Göttlich verehrt, ein Märchen erzählen. Im
Kreise geschlossen
Drängte das horchende Volk sich um den
zerlumpten Rhapsoden.
Einst, so sprach er, verschlug mich der Sturm
ans Ufer der Insel,
Die Utopien heisst. Ich weiss nicht, ob sie
ein andrer
Dieser Gesellschaft jemals betrat, sie lieget im
Meere,
Links von Herkules Säulen. Ich ward gar
freundlich empfangen.
In ein Gasthaus führte man mich, woselbst
ich das beste
Essen und Trinken fand und weiches Lager
und Pflege.
309
Epistel.
So verstrich ein Monat geschwind. Ich hatte
des Kummers
Völlig vergessen und jeglicher Not: da fing
sich im stillen
Aber die Sorge nun an : wie wird die Zeche
dir leider
Nach der Mahlzeit bekommen? Denn nichts
enthielte der Seckel.
Reiche mir weniger ! bat ich den Wirth — er
brachte nur immer
Desto mehr. Da wuchs mir die Angst, ich
konnte nicht länger
Essen und sorgen und sagte zuletzt: Ich bitte,
die Zeche
Billig zu machen, Herr Wirth I Er aber mit
finsterem Auge
Sah von der Seite mich an, ergriff den Knittel
und schwenkte
Unbarmherzig ihn über mich her und traf
mir die Schultern,
Traf den Kopf und hätte beinah mich zu
Tode geschlagen.
Eilend lief ich davon und suchte den Richter :
man holte
Gleich den Wirth, der ruhig erschien und be-
dächtig versetzte:
Also müss es allen ergehn, die das heilige
Gastrecht
310
Weimar^ October 1794.
Unserer Insel verletzten und unanständfg und
gottlos
Zeche verlangen vom Manne, der sie doch
höflich bewirthet.
Sollt ich solche Beleidigung dulden im eigenen
Hause !
Nein! Es hätte fürwahr statt meines Herzens
ein Schwamm nur
Mir im Busen gewohnt, wofern ich dergleichen
gelitten.
Darauf sagte der Richter zu mir: Vergesset
die Schläge,
Denn Ihr habt die Strafe verdient, ja schärfere
Schmerzen.
Aber wollt Ihr bleiben und mitbewohnen die
Insel,
Müsset Ihr Euch erst würdig beweisen und
tüchtig zum Bürger.
Ach I versetzt ich, mein Herr, ich habe leider
mich niemals
Gerne zur Arbeit gefügt. So hab ich auch
keine Talente,
Die den Menschen bequemer ernähren: man
hat mich im Spott nur
Hans Ohnsorge genannt und mich von Hause
vertrieben. —
311
Epistel — Weimary Octoher i794*
O, sei uns gegrüsst ! versetzte der Richter :
Du sollst dich
Oben setzen zu Tisch, wenn sich die Ge-
meinde versammelt,
Sollst im Rathe den Platz, den du verdienest,
erhalten.
, r
Aber hüte dich wohl, dass nicht ein schänd-
licher Rückfall
ff
Dich zur Arbeit verleite, dass man nicht etwa
das Grabscheit
Oder das Ruder bei dir im Hause finde, du
wärest
Gleich auf immer verloren und ohne Nahrung
und Ehre!
Aber auf dem Markte zu sitzen, die Arme
geschlungen
Ueber dem schwellenden Bauch, zu hören
lustige Lieder
Unserer Sänger, zu sehn die Tänze der
Mädchen, der Knaben
Spiele, das werde dir Pflicht, die du ge-
lobest und schwörest! —
So erzählte der Mann, und heiter waren
die Stirnen
Aller Hörer geworden, und alle wünschten
des Tages
Solche Wirthe zu finden, ja, solche Schläge zu
dulden.
312
Bruckslück einer Epistel, lygs»
Fragment.
Denn der Körper verlangt und ist be-
quem zu ersättgen:
Fülle bringt ihm das Jahr an wiederkehrenden
Früchten,
Und die Erde gewährt ihm tausendfältige
Nahrung.
Auch vergönnt ihm der Gott, sich in dem
Garten, der Liebe
Reichlich zu weiden und Freude vertauschend
sich schön zu erquicken. —
Aber die Seele begehrt, und s i e wird nimmer
befriedigt 1
Denn sie bildet sich ein, sie sei von höherem
Ursprung,
Durch ein unwürdiges Band an ihren Gatten
gefesselt.
Da beträgt sie sich übel im Hause : die hohen
Verwandten
Liegen ihr immer im Sinn, und Sehnen nach
jenen Palästen
Lässet ihr keine Ruh und raubt ihr den zärt-
lichen Antheil
An dem stilleren Haushalt und an der engeren
Wohnung —
Ja, sie verachtet sogar die eigenen Kinder
des Gatten . . .
313
Jena, April 1795.
Nähe des Geliebten.
Ich denke deini wenn mir der Sonne Schimmer
Vom Meere strahlt —
Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer
In Quellen malt.
Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege
Der Staub sich hebt —
In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen
Stege
Der Wandrer bebt.
Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem
Rauschen
Die Welle steigt —
Im stillen Haine geh ich oft zu lauschen,
Wenn alles schweigt.
Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne,
Du bist mir nah!
Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne.
O, wärst du da!
314
^795' — J***^ Schillers Musenalmanach bestimmt^
Die Spmnerin,
Als ich still und rahig spann^
Ohne nur zu stocken,
Trat ein schöner junger Mann
Nahe mir zum Rocken,
Lobte, was zu loben war —
Solhe das was schaden? —
Mein dem Flachse gleiches Haar
Und den gleichen Faden.
Ruhig war er nicht dabei,
Liess es nichf beim Alten —
Und der Faden riss pntzwei,
Den ich lang erhaltep*
Und des Flachses Stein-Gewicht
Gab noch viele Zahlen —
Aber, ach, ich konnte nicht
Mehr mit ihnen prahlen,
Als ich sie zum Weber trug,
Fühlt ich was sich regen.
Und mein armes Herze schlug
Mit geschwindem Schlägen. —
315
aber als tanstössigt nicht aufgenommen.
Nun beim heissen Sonnenstich
Bring ichs auf die Bleiche,
Und mit Mühe bück ich mich
Nach dem nächsten Teiche.
Was ich in dem Kämmerlein
Still und fein gesponnen,
Kommt' — wie kann es anders sein ?
Endlich an die Sonnen.
i
316
Ursprünglich als Duett zwischen Pafageno u. Papagena
Wer kauft Liebesgötter?
Von allen schönen Waaren,
Zum Markte hergefahren,
Wird keine mehr behagen,
Als die wir euch getragen
Aus fremden Ländern bringen,
O höret, was wir singen,
Und seht die schönen Vögel I
Sie stehen zum Verkauf.
Zuerst beseht den grossen,
Den lustigen, den losen!
Er hüpfet leicht und munter
Von Baum und Busch herunter -
Gleich ist er wieder droben I
Wir wollen ihn nicht loben.
O seht den muntern Vogel
Er steht hier zum Verkauf.
Betrachtet nun den kleinen 1
Er will bedächtig scheinen,
Und doch ist er der lose
So gut als wie der grosse.
317
für die Fortsetzung der Zauberflöte (1795) bestimmt.
Er zeiget meist im Stillen
Den allerbesten Willen.
Der lose, kleine Vogel,
Er steht hier zum Verkauf.
O seht das kleine Täubchen»
Das liebe Turtelweibchen I
Die Mädchen sind so zierlich,
Verständig und manierlich I
Sie mag sich gerne putzen
Und eure Liebe nutzen.
Der kleine, zarte Vogel,
Er steht hier zum Verkauf,
Wir wollen sie nicht loben,
Sie stehn zu allen Proben.
Sie lieben sich das Neue,
Doch über ihre Treue
Verlangt nicht Brief und Siegel —
Sie haben alle Flügel.
Wie artig sind die Vögel:
Wie reizend ist der Kauft
^
318
Schillers Musenalmanach auf lygÖ
Meeres Stäle.
1 iefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche rings umher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich l
In der ungeheuren Weite
Reget keine Welle sich.
Glückliche Fahrt.
Uie Nebel zerreissen,
Der Himmel ist helle,
Und Aeolus löset
Das ängstliche Band,
Es säuseln die Winde,
Es rührt sich der Schiffer.
Geschwinde 1 Geschwinde !
Es theilt sich die Welle,
Es naht sich die Feme —
Schon seh ich das Landl
919
Zwei Arten zu Vulpius*
Die Spröde.
An dem reinsten Frühlingsmorgen
Ging die Schäferin und sang,
Jung und schön und ohne Sorgen,
Dass es durch die Felder klang,
So la lal — Le rallal
Thyrsis bot ihr für ein Mäulchen
Zwei, drei Schäfchen gleich am Ort;
Schalkhaft blickte sie ein Weilchen,
Doch sie sang und lachte fort,
So la lal — Le ralla!
Und ein andrer bot ihr Bänder,
Und der dritte bot sein Herz —
Doch sie trieb mit Herz und Bändern
So wie mit den Lämmern Scherz,
Nur la lal — Le rallal
320
»Theatralischen Abentheuern*, — 1796,
Die Bekehrte.
Dei dem Glanz der Abendröthe
Ging sie still den Wald entlang,
Dämon sass und blies die Flöte,
Dass es von den Felsen klangt
So la lal — Le rallal
Und er zog sie zu sich nieder/
Küsste sie so hold, so süss.
Und sie sagte: »Blase wieder 1«
Und der gute Junge blies,
So la la! —
»Meine Kuh ist nun verloren,
Meine Freude floh davon,
Und es schwebt vor meinen Ohren
Immer nur der alte l^on,
So la lal — Le ralla . . .c
Hartleben, Goethe*Brevier.
321 21
Jena, — 12, bis 14. Mai i^gö.
Alexis und Dora.
IdyUe.
*Achl Unaufhaltsam strebet das Schiff mit
jedem Momente
Durch die schäumende Fluth weiter und
weiter hinaus 1
Langhin furcht sich die Gleise des Kiels, worin
die Delphine
Springend folgen, als flöh ihnen die Beute
davon —
Alles deutet auf glückliche Fahrt: der ruhige
Bootsmann
Ruckt am Segel gelind, das sich für alle
bemüht.
Alle Gedanken sind vorwärts gerichtet, wie
Flaggen und Wimpel,
Nur ein Trauriger steht rückwärts gewendet
am Mast,
Sieht die Berge schon blau, die scheidenden,
sieht in das Meer sie
Niedersinken — es sinkt jegliche Freude
vor ihm.
322
Am 14. Juni lygö sa$tdie Goethe
Auch dir ist es verschwunden, das Schiff, das
deinen Alexis,
Dir, o Dora, den Freund, ach, dir den
Bräutigam raubt.
Auch du blickest vergebens nach mir. Noch
schlagen die Herzen
Für einander, doch, ach, nun an einander
nicht mehr. —
Nur ein Augenblick wars» in dem ich lebte:
der wieget
Alle Tage, die sonst kalt mir verschwinden-
den, auf.
Nur ein Augenblick wars, der letzte, da stieg
mir ein Leben
Unvermuthet in dir wie von den Göttern
herab I
Nur umsonst verklärst du mit deinem Lichte
den Aether,
Phöbus, mir ist er verhasst, dieser allleuch-
tende Tagl
In mich selber kehr ich zurück, da will ich
im Stillen
Wiederholen die Zeit, als sie mir täglich
erschien, —
War es möglich, die Schönheit zu sehn und
nicht zu empfinden?
Wirkte der himmlische Reiz nicht auf dein
stumpfes Gemüth?
323 21*
die Idylle an Schiller für den
Klage dkhy Armer, nicht aal — So legt der
Dichter ein Räthsel,
Künstlich mit Worten verschräidct, oft der
Versammlung ins Ohr.
Jeden freuet die seltne Verknüpfung der zier-
lichen Bilder^
Aber noch fehlet das Wort, das die Be-
deutung verwahrt.
Ist es endlich gefunden^ dann heitert sich jedes
Gemüth auf
Und erblickt im Gesicht doppelt erfreulichen
Sinn. —
Ach! Warum so spät, o Amor, nahmst du
die Binde,
Die du ums Aug mir geknüpft, warum zu
spät mir hinweg?
Lange schon harrte das Schiff befrachtet auf
günstige Lüfte,
Endlich strebte der Wind glücklich vom
Ufer ins Meer . . .
Leere Zeiten der Jugend und leere Träume
der Zukunft I
Ihr verschwindet, es bleibt einzig di« Stunde
mir nur.
Ja: sie bleibt I Es bleibt mir das Glück! Ich
halte dich, Dora!
Und die Hoffnung zeigt, Dora, dein Bild
mir allein. —
324
l_
Musenalmanach auf I7g7.
Oefter sah ich zum Tempel dich gehn, ge-
schmückt tmd gesittet,
Und das Mütterchen ging feierlich neben
dir her.
Eilig warst du und frisch, zu Markte die
Früchte zu tragen,
Und vom Brunnen, wie kühn wiegte dein
Haupt das Geföss!
Da erschien erst dein Hals, erschien -dein
Nacken vor allen,
Und vor allen erschien deiner Bewegtmgen
Mass.
Oftmals hab ich gesorgt, es möchte der Krug
dir entStürzen,
Doch erhielt er sich stet auf dem geringelten
Tuch. —
Schöne Nachbarin, ja, so war ich gewohnt
dich zu sehen.
Wie man die Sterne sieht, wie man den
Mond sich beschaut.
Sich an ihnen erfreut, und innen im ruhigen
Busen,
Nicht der entfernteste Wunsch, sie zu be-
sitzen, sich regt. —
Jahre, so gingt ihr dahin! Nur zwanzig
Schritte getrennet
Wa^en die Häuser, und nie hab ich die
Schwelle berührt . . .
325
Schiller schreibt: t, , . so voll Einfalt
-
Und nun trennt uns die grässliche Woge ! Du
lügst nur den Himmel,
Welle! Dein herrliches Blau ist mir die
Farbe der Nacht! — —
Alles rührte sich schon, da kam ein Knabe
gelaufen
An mein väterlich Haus, rief mich zum
Strande hinab:
»Schon erhebt sich das Segel, es flattert im
Winde«, so sprach er,
»Und, gelichtet mit Kraft, trennt sich der
Anker vom Sand.
Komm, Alexis, o komm!« Da drückte der
wackere Vater
Würdig die segnende Hand mir auf das
lockige Haupt,
Sorglich reichte die Mutter ein nachbereitetes
Bündel :
»Glücklich kehre zurück!« riefen sie, »glück-
lich und reich!«
Und so sprang ich hinweg, das Bündelchen
unter dem Arme,
An der Mauer hinab, fand an der Thüre
dich stehn
Deines Gartens. Du lächeltest mir und sagtest :
»Alexis!
Sind die Lärmenden dort deine Gesellen
der Fahrt?
326
bei einer unergründlichen Tiefe der Empfindung.
Fremde Küsten besuchest du nun, und köst-
liche Waaren
Handelst du ein und Schmuck reichen
Matronen der Stadt.
Aber bringe mir auch ein leichtes Kettchen!
Ich will es
Dankbar zahlen. So oft hab ich die Zierde
gewünscht!«
Stehen war ich geblieben und fragte nach
Weise des Kaufmanns
Erst nach Form und Gewicht deiner Be-
stellung genau.
Gar bescheiden erwogst du den Preis — da
blickt ich indessen
Nach dem Halse, des Schmucks unserer
Königin werth!
Heftiger tönte vom Schiff das Geschrei, da
sagtest du freundlich:
»Nimm aus dem Garten noch einige Früchte
mit dir!
Nimm die reifsten Orangen, die weissen Feigen !
Das Meer bringt
Keine Früchte, sie bringt jegliches Land
nicht hervor.«
Und so trat ich herein. Du brachst nun die
Früchte geschäftig,
Und die goldene Last zog das geschürzte
Gewand,
327
Durch die Eilfertigkeit^ welche dps Tvartenäe
Oefters bat ich, es sei 0.1m genug» Und immer
noch eixie
Schönere Fjrucht fiel dir, leise berührt, in
die tlstnd.
Endlich kamst du zur Laube hinan, da fand
sich ein Körbchen,
Und die Myrthe bog blühend sich über
uns hin. —
Schweigend begi^nnest du nun geschickt die
Früchte zu ordnen:
Erst 4i^ Orange« die schwer ruht al$ ein
goldener BaU«
Dann die weichliche Feige, die jed^ Druck
ftc^on entstellet —
Und mit Myrthe bedeckt ward und geziert
das Gpschenk . . .
Aber ich hob es nicht auf. — Ich stand. —
Wir sahen einander
In die Augen — und mir ward vor dem
Auge so trüb^
Deinen Busen fiihlt ich 1^ meinem! Den
herrliche^ Nacken,
Jhii umschlang nun mein Arm I Tausendmal
küsst ich dep Halsl
Mir war dein Haupt auf die Scihulter gesunken,
nun knüpften auch deine
Lieblichen Arme das Band um den Be-
glückten herum.
328
^
Sch^svolk in die Handlung bringt^
Amors Hände fühlt ich: er drückt' uns ge-
waltig zustammen,
Und aus heiterer Luft donnert' es dreimal I
Da üoss
Häufig die Thräne vom Aug mir herab: du
weintest — ich weinte.
Und vor Jammer und Glück schien uns
die Welt zu vergehn. —
Immer heftiger riefen die Schiffer 1 Da wollten
die Füsse
Mich nicht tragen — <- ich rief: »Dora 1 Und
bist du nicht mein?«
»Ewigl« sagtest 4u leise. — Da schienen
unsere Thränen
Wie durch göttliche Luft leise vom Auge
gehaucht.
Näher rief es: »Alexis!« — Da blickte der
suchende Knabe
Durch die Thüre herein. Wie er das
Körbchen empfing . . .
Wie er mich trieb . . . wie ich dir die Hand
noch drückte ... zu Schiffe
Wie ich gekommen? — Ich weiss, dass ich
ein Trunkener schien I
Und so hielten mich auch die Gesellen:
sie schonten den Kranken,
Und schon deckte der Hauch trüber Ent-
fernung die Stadt.
329
li
wird das Schattspiel für die zwei Liehenden
»Ewig!« sagtest du leise — o Dora, mir
schallt es im Ohre
Mit dem Donner des Zeus I Ja ! Sie stand
neben dem Thron,
Seine Tochter, die Göttin det Liebe 1 Die
Grazien standen
Ihr zur Seiten! Er ist götterbekräftigt, der
Bund! -— —
O, so eile denn, Schiff, mit allen günstigen
Winden !
Strebe, mächtiger Kiel, trenne die schäu-
mende Fluthl
Bringe dem fremden Hafen mich zu, damit
mir der Goldschmied
Aus der Werkstatt sogleich reiche das himm-
lische Pfand!
Wahrlich! Es soll zur Kette werden, das
Kettchen, o Dora!
Neunmal umgebe sie dir locker gewunden
den Hals!
Ferner schaff ich noch Schmuck, den mannig-
faltigsten, goldne
Spangen sollen dir auch reichlich verzieren
die Hand!
Da wetteifre Rubin und Smaragd, der lieb-
liche Saphir
Stelle dem Hyacinth sich gegenüber, und
Gold
330
so enge^ so drangvoll^ und so bedeutend der Zustand^
Halte das Edelgestein in schöner Verbindung
zusammen !
O, wie den Bräutigam freut: einzig zu
schmücken die Braut!
Seh ich Perlen, so denk ich an dich! Bei
jeglichem Ringe
Kommt mir der länglichen Hand schönes
Gebild in den Sinn.
Tauschen will ich und kaufen: du sollst das
Schönste von allem
Wählen, ich widmete gern alle die Ladung
nur dir.
Doch nicht Schmuck und Juwelen allein ver-
schafft dein Geliebter —
Was ein häusliches Weib freuet, das bringt
er dir auch:
Feine wollene Decken mit Purpursäumen, ein
Lager
Zu bereiten, das uns traulich und weichlich
empfangt.
Köstlicher Leinwand Stücke: du sitzest und
nähest und kleidest
Mich und dich und auch — wohl noch ein
drittes darein. — —
Bilder der Hoffnung, o täuschet mein Herz 1 O
mässiget, Götter,
Diesen gewaltigen Brand, der mir den
Busen durchtobt! —
331
dass dieser Moment wirklich den Gehalt
Aber auch sie verlang ich zurück, die
schmerzliche Freude,
Wenn die Sorge sich kalt, grässlich ge-
lassen, mir naht!
Nicht der Erinnyen Fackel, das Bellen der
höllischen Hunde
Schreckt den Verbrecher so in der Ver-
zweiflung Gefild,
Als das gelassne Gespenst mich schreckt, das
die Schöne von fern mir
Zeiget — : zum Garten, die Thür — wirk-
lich! Noch stehet sie auf!
Und ein anderer kommt! Für ihn auch
fallen die Früchte I
Und die Feige gewährt stärkenden Honig
auch ihm!
Lockt sie auch ihn nach der Laube? Und folgt
er? — — O, macht mich, ihr
Götter,
Blind ! Verwischet das Bild jeder Erinnrung
in mir?
Ja! Ein Mädchen ist sie! Und die sich ge-
schwinde dem einen
Giebt, sie kehret sich auch schnell zu dem
andern herum!
Lache nicht diesmal, o Zeus, der frech ge-
brochenen Schwüre!
Donnere schrecklicher! Triff! — — —
Halte die Blitze zurück.
332
eines ganzen Lebens bekommt.*
Sende die schwankenden Wolken m i r nach 1
Im nächtlichen Dunkel
Treffe dein leuchtender Blitz diesen un-
glücklichen Mastl
Streue die Planken umher und gieb der
tobenden Welle
Diese W^aaren, und mich gieb den Delphinen
zum RaubU
Nun, ihr Musen, genug 1 Vergebens strebt
ihr zu schildern,
Wie sich Jammer und Glück wechseln in
liebender Brust.
Heilen könnet ihr nicht die Wunden, die
Amor geschlagen —
Aber Linderung kommt einzig, ihr Guten,
von euch.
333
Wilhelm Meister^ -— Juni 1796,
Mignon.
iieiss mich nicht reden» heiss mich schweigen,
Denn mein Geheimniss ist mir Pflicht.
Ich möchte dir mein ganzes Innre zeigen,
Allein dasr Schicksal will es nicht.
Zur rechten Zeit vertreibt der Sonne Lauf
Die finstre Nacht, und sie muss sich erhellen.
Der harte Fels schliesst seinen Busen auf,
Missgönnt der Erde nicht die tiefverborgnen
Quellen.
Ein jeder sucht im Arm des Freundes Ruh,
Dort kann die Brust in Klagen sich ergiessen,
Allein ein Schwur drückt mir die Lippen zu.
Und nur ein Gott vermag sie aufzuschliessen.
334
Weimar^ September lygÖ.
An Mignon.
Ueber Thal und Fluss getragen,
Ziehet rein der Sonne Wagen.
Ach, sie regt in ihrem Lauf
So wie deine, meine Schmerzen
Tief im Herzen
Immer Morgens wieder auf.
Kaum will mir die Nacht noch frommen,
Denn die Träume selber kommen
Nun in trauriger Gestalt,
Und ich fUhle dieser Schmerzen
Still im Herzen
Heimlich bildende Gewalt.
Schon seit manchen schönen Jahren
Seh ich unten Schiffe fahren.
Jedes kommt an seinen Ort.
Aber, ach, die steten Schmerzen
Fest im Herzen
Schwimmen nicht im Strome fort.
^
Schillers Musenalmanach auf 1797.
Schön in Kleidern muss ich kommen,
Aus dem Schrank sind sie genommen,
Weil es heute Festtag ist.
Niemand ahnet, dass von Schmerzen
Herz im Herzen
Grimmig mir zerrissen ist.
Heimlich muss ich immer weinen,
Aber freundlich kann ich scheinen
Und sogar gesund und roth.
Wären tödtlich diese Schmerzen
Meinem Herzen —
Ach, schon lange war ich todt.
336
Aus dem Balladenjahr, — Mai tygy.
Der Schatzgräber.
Arm am Beutel, krank am Herzen
Schleppt ich meine langen Tage —
Armuth ist die grösste Plage,
Reichthum ist das höchste GutI
Und zu enden meine Schmerzen,
Ging ich einen Schatz zu graben:
Meine Seele sollst du haben I
Schrieb ich hin mit eignem Blut.
Und so zog ich Kreis um Kreise,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochen werk zusammen —
Die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelernte Weise
Grub ich nach dem alten Schatze
Auf dem angezeigten Platze —
Schwarz und stürmisch war die Nacht.
Und ich sah ein Licht von weitem -
Und es kam gleich einem Sterne
Hinten aus der fernsten Feme,
Eben als es zwölfe schlug.
Hartleben, Goethe-Brevier.
337 22
Schillers Musenalmanach auf lygS.
Und da galt kein Vorbereiten I
Heller wards mit einem Male
Von dem Glanz der vollen Schale,
Die ein schöner Knabe trug
Holde Augen sah ich blinken
Unter dichtem Blumenkranze:
In des Trankes Himmelsglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hiess mich freundlich trinken.
Und ich dacht: es kann der Knabe
Mit der schönen, lichten Gabe
Wahrlich nicht der Böse sein.
»Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst mit ängstlicher Beschwörung
Nicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens!
Tages Arbeit, Abends Gäste!
Saure Wochen, frohe Feste!
Sei dein künftig Zauberwort!«
338
Aus dem Baltadenjahr. — Mat 17 gy.
Legende vom Hufeisen.
Als noch, verkannt und sehr gering,
Unser Herr auf der Erde ging
Und viele Jünger sich zu ihm fanden,
Die sehr selten sein Wort verstanden,
Liebt er sich gar über die Massen
Seinen Hof zu halten auf der Strassen,
Weil unter des Himmels Angesicht
Man immer besser und freier spricht.
Er Hess sie die höchsten Lehren
Aus seinem heiligen Munde hören.
Besonders durch Gleichniss und Exempel
Macht er einen jeden Markt zum Tempel
So schlendert er in Geistes Ruh
Mit ihnen einst einem Städtchen zu.
Sah etwas blinken auf der Strass,
Das ein zerbrochen Hufeisen was.
Er sagte zu Sanct Peter drauf:
Heb doch einmal das Eisen auf!
339 22*
Schillers Musenalmanach auf 1798.
Sanct Peter war nicht aufgeräumt,
Er hatte soeben im Gehen geträumt,
So was vom Regiment der Welt,
Was einem jeden wohlgefällt.
Denn im Kopf hat das keine Schranken,
Das waren so seine liebsten Gedanken.
Nun war der Fund ihm viel zu klein:
Hätte müssen Krön und Scepter sein I
Aber wie sollt er seinen Rücken
Nach einem halben Hufeisen bücken?
Er also sich zur Seite kehrt
Und thut, als hätt ers nicht gehört.
Der Herr, nach seiner Langmuth, drauf
Hebt selber das Hufeisen auf
«
Und thut auch weiter nicht dergleichen.
Als sie nun bald die Stadt erreichen.
Geht er vor eines Schmiedes Thür,
Nimmt von dem Mann drei Pfennig dafür.
Und als sie über den Markt nun gehen,
Sieht er daselbst schöne Kirschen stehen.
Kauft ihrer so wenig oder so viel,
Als man für einen Dreier geben will.
Die er sodann nach seiner Art
Ruhig im Aermel aufbewahrt.
Nun gings zum andern Thor hinaus,
Durch Wies und Felder, ohne Haus,
Auch war der Weg von Bäumen bloss.
340
atte^MBS>>
Alis dem Balladenjahr. — Mai lygy.
Die Sonne schien, die Hitz war grossi
So dass man viel an solcher Statt
Für einen Trunk Wasser gegeben hätt.
Der Herr geht immer voraus vor allen,
Lässt unversehens eine Kirsche fallen.
Sanct Peter war gleich dahinter her,
Als wenn es ein goldner Apfel war!
Das Beerlein schmeckte seinem Gaurn.
Der Herr nach einem kleinen Raum
Ein ander Kirschlein zur Erde schickt,
Wonach Sanct Peter schnell sich bückt.
So lässt der Herr ihn seinen Rücken
Gar vielmal nach den Kirschen bücken«
Das dauert eine ganze Zeit.
Dann sprach der Herr mit Heiterkeit:
Thätst du zur rechten Zeit dich regen,
Hättst dus bequemer haben mögen.
Wer geringe Dinge wenig acht.
Sich um geringere Mühe macht.
341
Der Zauberlehrling,
Der Zauberlehrling.
iJat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben I
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben 1
Seine Wort und Werke
Merkt ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Thu ich Wunder auch.
Walle 1 walle
Manche Strecke,
Dass zum Zwecke
Wasser fliesse
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergiessel
Und nun komm, du alter Besen,
Nimm die schlechten Lumpenhüllen I
Bist schon lange Knecht gewesen,
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
Oben sei ein Kopfl
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf!
342
Atis dem Balladenjahr. — • Juttt lygy.
Walle! walle
Manche Strecke,
Dass zum Zwecke
Wasser fliesse
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergiesse!
Seht: er läuft zum Ufer nieder,
Wahrlich, ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male?
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!
Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! —
Ach, ich merk es! Wehe! Wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!
Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen!
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein.
343
Schülers Musenalmanach auf lygS
Ach, und hundert Flüsse
Stürzen auf mich einl
Nein, nicht länger
Kann ichs lassen,
Will ihn fassen —
Das ist Tücke!
Ach I Nun wird mir immer bänger —
Welche Miene! Welche Blicke!
O, du Ausgeburt der Hölle:
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
Der nicht hören will !
Stock, der du gewesen,
Steh doch wieder still!
Willst am Ende
Gar nicht lassen?
Will dich fassen.
Will dich halten
Und das alte Holz behende
Mit dem scharfen Beile spalten.
Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
Gleich, o Kobold, liegst du nieder! —
Krachend trifft die glatte Schärfe.
344
Aus dem Balladenjahr, — Mai J797-
Wahrlich, brav getroffen!
Seht: er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
Und ich athme frei:
Wehe! Wehe!
Beide Theile
Stehn in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach, ihr hohen Mächtet
Und sie laufen! Nass und nässer
Wirds im Saal und auf den Stufen —
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! Hör mich rufen! —
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Noth ist gross !
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los. —
»In die E cke,
Besen! Besen!
Seids gewesen!
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu seinem Zwecke,
Erst hervor der alte Meister.«
345
Aus dem Balladenjahr. — 4. bis 6. Juni i797-
Die Braut von Corinth.
JNach Corinthus von Athen gezogen
Kam ein Jüngling, dort noch unbekannt.
Einen Bürger hofft er sich gewogen,
Beide Väter waren gastverwandt,
Hatten frühe schon
Töchterchen und Sohn
Braut und Bräutigam voraus genannt.
Aber wird er auch willkommen scheinen,
Wenn er theuer nicht die Gunst erkauft?
Er ist noch ein Heide mit den Seinen,
Und sie sind schon Christen und getauft.
Keimt ein Glaube neu,
Wird oft Lieb und Treu
Wie ein böses Unkraut ausgerauft.
Und schon lag das ganze Haus im Stillen,
Vater, Töchter, nur die Mutter wacht.
Sie empfängt den Gast mit bestem Willen,
Gleich ins Prunkgemach wird er gebracht.
Wein und Essen prangt.
Eh er es verlangt —
So versorgend wünscht sie gute Nacht.
346
Juni 1797,
Aber bei dem wohlbestellten Essen
Wird die Lust der Speise nicht erregt.
Müdigkeit lässt Speis und Trank vergessen,
Dass er angekleidet sich aufs Bette legt.
Und er schlummert fast,
Als ein seltner Gast
Sich zur offnen Thür berein bewegt.
Denn er sieht, bei seiner Lampe Schimmer
Tritt, mit weissem Schleier und Gewand,
Sittsam still ein Mädchen in das Zimmer,
Um die Stirn ein schwarz- und goldnes Band.
Wie sie ihn erblickt,
Hebt sie, die erschrickt,
Mit Erstaunen eine weisse Hand.
Bin ich, rief sie aus, so fremd im Hause,
Dass ich von dem Gaste nichts vernahm?
Ach, so hält man mich in meiner Klause !
Und nun überfallt mich hier die Scham.
Ruhe nur so fort
Auf dem Lager dort,
Und ich gehe schnell, so wie ich kam.
Bleibe, schönes Mädchen! ruft der Knabe,
Rafft von seinem Lager sich geschwind:
Hier ist Ceres, hier ist Bacchus Gabe,
Und du bringst den Amor, liebes Kind!
Bist vor Schrecken blass?
Liebe, komm und lass,
Lass uns sehn, wie froh die Götter sind!
347
Schillers Musenalmanach auf lygS,
Ferne bleib, o Jüngling, bleibe stehen!
Ich gehöre nicht den Freuden an.
Schon der letzte Schritt ist, ach, geschehen
Durch der guten Mutter kranken Wahn,
Die genesend schwur,
Jugend und Natur
Sei dem Himmel künftig unterthan.
Und der alten Götter bunt Gewimmel
Hat sogleich das stille Haus geleert.
Unsichtbar wird einer nur im Himmel,
Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt,
Opfer fallen hier,
Weder Lamm noch Stier,
Aber Menschenopfer unerhört. —
Und er fragt und wäget alle Worte,
Deren keines seinem Geist entgeht. —
Ist es möglich, dass am stillen Orte
Die geliebte Braut hier vor mir steht?
Sei die meine nur!
Unsrer Väter Schwur
Hat vom Himmel Segen uns erfleht. —
Mich erhältst du nicht, du gute Seelei
Meiner zweiten Schwester gönnt man dich.
Wenn ich mich in stiller Klause quäle,
Achl In ihren Armen denk an mich.
Die an dich nur denkt,
Die sich liebend kränkt —
In die Erde bald verbirgt sie sich. —
348
Juni 1797.
NeinI Bei dieser Flamme seis geschworen,
Gütig zeigt sie Hymen uns voraus,
Bist der Freude nicht noch mir verloren,
Kommst mit mir in meines Vaters Haus.
Liebchen, bleibe hierl
Feire gleich mit mir
Unerwartet unsern Hochzeitsschmaus I —
Und schon wechseln sie der Treue Zeichen
Golden reicht sie ihm die Kette dar,
Und er will ihr eine Schale reichen,
Silbern, künstlich, wie nicht eine war. —
Die ist nicht für mich,
Doch ich bitte dich,
Eine Locke gieb von deinem Haarl —
Eben schlug die dumpfe Geisterstunde,
Und nun schien es ihr erst wohl zu sein.
Gierig schlürfte sie mit blassem Munde
Nun den dunkel blutgefslrbten Wein.
Doch vom Weizenbrot,
Das er freundlich bot.
Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein.
Und dem Jüngling reichte sie die Schale,
Der wie sie nun hastig lüstern trank.
Liebe fordert er beim stillen Mahle —
Ach, sein armes Herz war liebekrank.
Doch sie widersteht.
Wie er immer fleht,
Bis er weinend auf das Bette sank.
349
Schillers Musenalmanach auf 1798.
1 ~- - - - - —
Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder :
Ach, wie ungern seh ich dich gequält 1
Aber, ach, berührst du meine Glieder,
Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt:
Wie der Schnee so weiss,
Aber kalt wie Eis
Ist das Liebchen, das du dir erwählt. —
Heftig fasst er sie mit starken Armen,
Von der Liebe Jugendkraft durchmannt:
Hoffe doch bei mir noch zu erwarmen.
Wärst du selbst mir aus dem Grab gesandt!
Wechsel hauch und Kuss !
Liebesüberfluss !
Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt? —
Liebe schliesset fester sie zusammen,
Thränen mischen sich in ihre Lust.
Gierig saugt sie seines Mundes Flammen,
Eins ist nur im andern sich bewusst.
Seine Liebeswuth
Wärmt ihr starres Blut —
Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.
Unterdessen schleichet auf dem Gange
Häuslich spät die Mutter noch vorbei,
Horchet an der Thür und horchet lange.
Welch ein sonderbarer Ton es sei.
Klag- und Wonnelaut
Bräutigams und Braut
Und des Liebestammeins Raserei.
350
Juni jygy.
Unbeweglich bleibt sie an der Thüre,
Weil sie erst sich überzeugen muss,
Und sie hört die höchsten Liebesschwüre,
Lieb- und Schmeichelworte, mit Verdruss — :
— Still! Der Hahn erwacht 1 —
— Aber morgen Nacht
Bist du wieder da? — Und Kuss auf Kuss.
Länger hält die Mutter nicht das Zürnen,
Oeffnet das bekannte Schloss geschwind:
Giebt es hier im Hause solche Dirnen,
Die dem Fremden gleich zu Willen sind? —
So zur Thür hinein. —
Bei der Lampe Schein
Sieht sie — Gott! Sie sieht ihr eigen Kind!
Und der Jüngling will im ersten Schrecken
Mit des Mädchens eignem Schleierflor,
Mit dem Teppich die Geliebte decken —
Doch sie windet gleich sich selbst hervor.
Wie mit Geists Gewalt
Hebet die Gestalt
Lang und langsam sich im Bett empor.
Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte:
So missgönnt ihr mir die schöne Nacht!
Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte!
Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?
Ists euch nicht genug,
Dass ins Leichentuch,
Dass ihr früh mich in das Grab gebracht?
351
Schillers Musenalmanach auf I7g8,
Aber aus der schwerbedeckten Enge
Treibet mich ein eigenes Gericht.
Eurer Priester summende Gesänge
Und ihr Segen haben kein Gewicht.
Salz und Wasser kühlt
Nicht, wo Jugend fühlt —
Achl Die Erde kühlt die Liebe nicht.
Dieser Jüngling war mir erst versprochen,
Als noch Venus heitrer Tempel stand.
Mutter, habt ihr doch das Wort gebrochen,
Weil ein fremd, ein falsch Gelübd euch band 1
Doch kein Gott erhört,
Wenn die Mutter schwört.
Zu versagen ihrer Tochter Hand.
Aus dem Grabe werd ich ausgetrieben.
Noch zu suchen das vermisste Gut,
Noch den schon verlornen Mann zu lieben
Und zu saugen seines Herzens Blut.
Ists um den geschehn,
Muss nach andern gehn,
Und das junge Volk erliegt der Wuth.
Schöner Jüngling! Kannst nicht länger leben,
Du versiechest nun an diesem Ort.
Meine Kette hab ich dir gegeben,
Deine Locke nehm ich mit mir fort.
Sieh sie an genau I
Morgen bist du grau —
Braun erscheinest du nur wieder dort.
352
4. bis 6. Juni i'jg'J.
Höre, Mutter, nun die letzte Bitte:
Einen Scheiterhaufen schichte du!
Oeffne meine bange, kleine Hütte,
Bring in Flammen Liebende zur Ruhl
Wenn der Funke sprüht.
Wenn die Asche glüht,
Eilen wir den alten Göttern zu.«
Hsnlebcn, Goethe- Brevier.
353 23
Aus dem Balladenjahr.
Der Gott und die Bajadere.
Mahadöh, der Herr der Erde,
Kommt herab zum sechsten Mal,
Dass er unsersgleichen werde,
Mitzufühlen Freud und Qual.
Er bequemt sich, hier zu wohnen,
Lässt sich alles selbst geschehn —
Soll er strafen oder schonen,
Muss er Menschen menschlich sehn.
Und hat er die Stadt sich als Wandrer be-
trachtet,
Die Grossen belauert, auf Kleine geachtet,
Verlässt er sie Abends, um weiter zu gehn.
Als er nun hinausgegangen,
Wo die letzten Häuser sind,
Sieht er mit gemalten Wangen
Ein verlornes schönes Kind.
Grüss dich, Jungfrau! — Dank der Ehre!
Wart, ich komme gleich hinaus! —
Und wer bist du? — Bajadere,
Und dies ist der Liebe Haus. —
Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu
schlagen,
354
6. bis g. Juni lygy.
Sie weiss sich so lieblich im Kreise zu tragen,
Sie neigt sich und biegt sich und reicht ihm
den Strauss.
Schmeichelnd zieht sie ihn zur Schwelle,
Lebhaft ihn ins Haus hinein:
Schöner Fremdling, lampenhelle
Soll sogleich die Hütte sein.
Bist du müd, ich will dich laben,
Lindem deiner Füsse Schmerz,
Was du willst, das sollst du haben,
Ruhe, Freuden oder Scherz.
Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden.
Der Göttliche lächelt: er siehet mit Freuden
Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz.
Und er fordert Sklavendienste,
Immer heitrer wird sie nur —
Und des Mädchens frühe Künste
Werden nach und nach Natur.
Und so stellet auf die Blüthe
Bald und bald die Frucht sich ein,
Ist Gehorsam im Gemüthe,
Wird nicht fem die Liebe sein.
Aber, sie schärfer und schärfer zu prüfen,
Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen
Lust und Entsetzen und grimmige Pein.
Und er küsst die bunten Wangen,
Und sie fühlt der Liebe Qual,
355 23*
Schillers Musenalmanach auf 1798.
Und das Mädchen steht gefangen,
Und sie weint zum ersten Mal.
Sinkt zu seinen Füssen nieder,
Nicht um Wollust noch Gewinnst,
Ach! und die gelenken Glieder,
Sie versagen allen Dienst.
Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier
Bereiten den dunklen behaglichen Schleier
Die nächtlichen Stunden, das schönste Gespinnst.
Spät entschlummert unter Scherzen,
Früh erwacht nach kurzer Rast,
Findet sie an ihrem Herzen
Todt den vielgeliebten Gast,
Schreiend stürzt sie auf ihn nieder ;
Aber nicht erweckt sie ihn,
Und man trägt die starren Glieder
Bald zur Flammengrube hin.
Sie höret die Priester, die Todtengesänge,
Sie raset und rennet und theilet die Menge:
Wer bist du? Was drängst du zur Grube dich hin ?
Bei der Bahre stürzt sie nieder,
Ihr Geschrei durchdringt die Luft:
Meinen Gatten will ich wieder!
Und ich such ihn in der Gruft.
Soll zu Asche mir zerfallen
Dieser Glieder Götterpracht?
Mein, er war es, mein vor allen —
Ach, nur Eine süsse Nacht! —
356
6. bis p. Juni I7g7'
Es singen die Priester: Wir tragen die Alten,
Nach langem Ermatten und spätem Erkalten,
Wir tragen die Jugend, noch eh sies gedacht.
Höre deiner Priester Lehre I
Dieser war dein Gatte nicht.
Lebst du doch als Bajadere,
Und so hast du keine Pflicht.
Nur dem Körper folgt der Schatten
In das stille Todtenreich —
Nur die Gattin folgt dem Gatten,
Das ist Pflicht und Ruhm zugleich.
Ertöne, Drommete, zu heiliger Klage!
O nehmet, ihr Götter, die Zierde der Tage,
O nehmet den Jüngling in Flammen zu euch !
So das Chor, das ohn Erbarmen
Mehret ihres Herzens Noth —
Und mit ausgestreckten Armen
Springt sie in den heissen Todl
Doch der Götterjüngling hebet
Aus der Flamme sich empor.
Und in seinen Armen schwebet
Die Geliebte mit hervor! —
Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder,
Unsterbliche heben verlorene Kinder
Mit feurigen Armen zum Himmel empor!
357
Weimar, im Juni I7g7.
Zueignung
zum Faust.
Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten,
Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.
Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten?
Fühl ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?
Ihr drängt euch zu! Nun gut: so mögt ihr
walten,
Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt I
Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert
Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert.
Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage
Und manche liebe Schatten steigen auf.
Gleich einer alten, halbverklungnen Sage
Kommt erste Lieb und Freundschaft mit herauf.
Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage
Des Lebens labyrinthisch irren Lauf
Und nennt die Guten, die, um schöne Stunden
Vom Glück getäuscht, vor mir hinwegge-
schwunden.
358
Zuerst gedruckt mit dem Faust von 1808.
Sie hören nich't die folgenden Gesänge,
Die Seelen, denen ich die ersten sang.
Zerstoben ist das freundliche Gedränge,
Verklungen, ach, der erste Widerklang.
Mein Leid ertönt der unbekannten Menge,
Ihr Beifall selbst macht meinem Herzen bang,
Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet,
Wenn es noch lebt — irrt in der Welt ver-
streuet. —
Und mich ergreift ein längst entwöhntes
Sehnen
Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich.
Es schwebet nun in unbestimmten Tönen
Mein lispelnd Lied, der Aeolsharfe gleich.
Ein Schauer fasst mich, Thräne folgt den
Thränen,
Das strenge Herz, es fühlt sich mild und weich.
Was ich besitze, seh ich wie im Weiten —
Und was verschwand, wird mir zu Wirklich-
keiten I
359
Christiane. — Zürich^ ig, bis 25. September i'jgy.
Amyntas.
Elegie.
iiikias, trefflicher Mann, du Arzt des Leibs
und der Seele!
Krank — ich bin es fürwahr, aber dein
Mittel ist hart.
Ach 1 Schon schwanden die Kräfte dahin, dem
Rathe zu folgen I
Ja, und es scheinet der Freund schon mir
ein Gegner zu sein.
Widerlegen kann ich dich nicht. Ich sage
mir alles,
Sage das härtere Wort, das du ver-
schweigest, mir auch.
Aber achl Das Wasser entstürzt der Steile
des Felsens
Rasch, und die Welle des Bachs halten
Gesänge nicht auf.
Raset nicht unaufhaltsam der Sturm? Und
wälzet die Sonne
Sich von dem Gipfel des Tags nicht in
die Wellen hinab?
360
Schülers Musenalmanach auf i7gg.
Und so spricht mir rings die Natur: »Auch
du bist, Amyntas,
Unter das strenge Gesetz ehrner Gewalten
gebeugt.«
Runzle die Stirne nicht tiefer, mein Freund.
und höre gefällig.
Was mich gestern ein Baum dort an dem
Bache gelehrt I
Wenig Aepfel trägt er mir nur, der sonst so
beladne.
Siehe; der Ep heu ist schuld, der ihn ge-
waltig umgiebt.
Und ich fasste das Messer, das krumm-
gebogene, scharfe,
Trennte schneidend und riss Ranke nach
Ranken herab!
Aber ich schauderte gleich, als tief erseuf-
zend und kläglich
Aus den Wipfeln zu mir lispelnde Klage
sich goss:
»O, verletze mich nicht, den treuen Garten-
genossen,
Dem du als Knabe so früh manche Ge-
nüsse verdankt!
O, verletze mich nicht! Du reissest mit diesem
Geflechte,
Das du gewaltig zerstörst, grausam das
Leben mir aus!
361
Schiller schreibt d. Gräfin Schtmmelmann: Goethe sei zu
Hab ich nicht selbst sie genährt und sanft
sie herauf mir erzogen?
Ist wie mein eigenes Laub nicht mir das
ihre verwandt?
Soll ich die Pflanze nicht lieben, die, meiner
einzig bedürftig,
Still mit begieriger Kraft mir um die Seite
sich schlingt?
Tausend Ranken wurzelten an, mit tausend
und tausend
Fasern senket sie fest mir in das Leben
sich ein.
Nahrung nimmt sie von mir: was ich be-
dürfte, geniesst sie,
Und so saugt sie das Mark, sauget die
Seele mir aus.
Nur vergebens nähr ich mich noch, die ge«
waltige Wurzel
Sendet lebendigen Safts, ach! nur die
Hälfte hinauf!
Denn der gefahrliche Gast, der geliebteste,
masset behende
Unterwegs die Kraft herbstlicher Früchte
sich an.
Nichts gelangt zur Krone hinauf, die äussersten
Wipfel
Dorren, es dorret der Ast über dem Bache
schon hin. —
362
weichherzige das Verhältnis mit Christiane abtuschütteln.
Ja, die Verrätherin istsl Sie schmeichelt mir
Leben und Güter,
Schmeichelt die strebende Kraft, schmeichelt
die Hoffnung mir ab.
Sie nur fühl ich, nur sie, die umschlingende!
Freue der Fesseln,
Freue des tödtenden Schmucks fremder
Umlaubung mich nur.
Halte das Messer zurück, o Nikiasl Schone
den Armen,
Der sich in liebender Lust, willig gezwungen,
verzehrt 1
Süss ist jede Verschwendung — o lass mich
der schönsten geniessen!
Wer sich der Liebe vertraut, hält er sein
Leben zu Rath?«
363
Weimar — Frühling 1801.
Schäfers Klagelied.
iJa droben auf jenem Berge,
Da steh ich tausendmal,
An meinem Stabe gebogen,
Und schaue hinab in das Thal.
Dann folg ich der weidenden Herde,
Mein Hündchen bewahret mir sie,
Ich bin herunter gekommen
Und weiss doch selber nicht wie.
Da stehet von schönen Blumen
Die ganze Wiese so voll,
Ich breche sie, ohne zu wissen.
Wem ich sie geben soll.
Und Regen, Sturm und Gewitter
Verpass ich unter dem Baum. —
Die Thüre dort bleibet verschlossen!
Doch alles ist leider ein Traum.
Es stehet ein Regenbogen
Wohl über jenem Haus!
Sie aber ist weggezogen,
Und weit in das Land hinaus.
Hinaus in das Land und weiter,
Vielleicht gar über die See. —
Vorüber, ihr Schafe, vorüber!
Dem Schäfer ist gar so weh.
364
Weimar — Herbst 1801.
Bergschloss.
Ua droben auf jenem Berge,
Da steht ein altes Schloss,
Wo hinter Thoren und Thüren
Sonst lauerten Ritter und Ross.
Verbrannt sind Thüren und Thore,
Und überall ist es so still —
Das alte, verfall ne Gemäuer
Durchklettr' ich, wie ich nur will.
Hiemeben lag ein Keller,
So voll von köstlichem Wein —
Nun steiget nicht mehr mit Krügen
Die Kellnerin heiter hinein.
Sie setzt den Gästen im Saale
Nicht mehr die Becher umher,
Sie füllt zum heiligen Mahle
Dem Pfaffen das Fläschchen nicht mehr.
Sie reicht dem lüsternen Knappen
Nicht mehr auf dem Gange den Trank,
Und nimmt für flüchtige Gabe
Nicht mehr den flüchtigen Dank.
365
Silvie von Ziegesar.
Denn alle Balken und Decken,
Sie sind schon lange verbrannt,
Und Trepp und Gang und Kapelle
In Schutt und Trümmer verwandt. -
Doch als mit Zither und Flasche
Nach diesen felsigen Höhn
Ich an dem heitersten Tage
Mein Liebchen steigen gesehn:
Da drängte sich frohes Behagen
Hervor aus verödeter Ruh,
Da gings wie in alten Tagen
Recht feierlich wieder zu:
Als wären für stattliche Gäste
Die weitesten Räume bereit,
Als kam ein Pärchen gegangen
Aus jener tüchtigen Zeit,
Als stund in seiner Kapelle
Der würdige Pfaffe schon da
Und fragte: Wollt ihr einander?
Wir aber lächelten: Ja!
Und tief bewegten Gesänge
Des Herzens innigsten Grund:
Es zeugte statt der Menge
Der Echo schallender Mund.
366
Ruine Unter lobdeburg bei Loheda,
Und als sich gegen Abend
Im Stillen alles verlor,
Da blickte die glühende Sonne
Zum schroffen Gipfel empor.
Und Knapp und Kellnerin glänzen
Als Herren weit und breit —
Sie nimmt sich zum Kredenzen
Und er zum Danke sich Zeit.
367
TVeimar — 1802.
Trost in Thränen.
Wie kommts, dass du so traurig bist,
Da alles froh erscheint?
Man sieht dirs an den Augen an,
Gewiss, du hast geweint.
»Und hab ich einsam auch geweint.
So ists mein eigner Schmerz,
Und Thränen fliessen gar so süss,
Erleichtern mir das Herz.«
Die frohen Freunde laden dich,
O, komm an unsre Brust!
Und was du auch verloren hast,
Vertraue den Verlust!
»Ihr lärmt und rauscht und ahnet nicht.
Was mich, den Armen, quält.
Ach nein, verloren hab ichs nicht,
So sehr es mir auch fehlt.«
So raffe denn dich eilig auf!
Du bist ein junges Blut.
In deinen Jahren hat man Kraft
Und zum Erwerben Muth.
36S
t Taschenbuch auf das Jahr 1804. ^
»Ach nein, erwerben kann ichs nicht,
Es steht mir gar zu fern.
Es weilt so hoch, es blinkt so schön,
Wie droben jener Stern.«
Die Sterne, die begehrt man nicht,
Man freut sich ihrer Pracht,
Und mit Entzücken blickt man auf
In jeder heitern Nacht.
»Und mit Entzücken blick ich auf
So manchen lieben Tag!
Verweinen lasst die Nächte mich.
So lang ich weinen mag.«
Hartleben, Goethe-Brevier.
369 24
Weimar — Juni 1802.
Sonett.
IM atur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen,
Und haben sich, eh man es denkt, gefunden.
Der Widerwille ist auch mir verschwunden
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.
Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen,
Und wenn wir erst in angemessnen Stunden
Mit Geist und Fleiss uns an die Kunst ge-
bunden.
Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.
So ists mit aller Bildung auch beschaffen,
Vergebens werden ungebundne Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben.
Wer Grosses will, muss sich zusammenraffen,
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben 1
370
Weimar — Spätherbst 1802,
Ritter Curts Brautfahrt.
Mit des Bräutigams Behagen
Schwingt sich Ritter Curt aufs Rossl
Zu der Trauung soUs ihn tragen
Auf der edlen Liebsten Schlossl
Als am öden Felsenorte
Drohend sich ein Gegner naht!
Ohne Zögern, ohne Worte
Schreiten sie zu rascher That. ^
Lange schwankt des Kampfes Welle,
Bis sich Curt im Siege freut!
Er entfernt sich von der Stelle,
Ueberwinder und gebläut.
Aber was er bald gewahret
In des Busches Zitterschein?
Mit dem Säugling still gepaaret,
Schleicht ein Liebchen durch den Hain.
Und sie winkt ihn auf das Plätzchen:
Lieber Herr, nicht so geschwind!
Habt ihr nichts an euer Schätzchen?
Habt ihr nichts für euer Kind?
371 24*
T^ Taschenbuch auf das Jahr 1804*^.
Ihn durchglühet süsse Flamme,
Dass er nicht vorbei begehrt,
Und er findet nun die Amme
Wie die Jungfrau Hebens werth. —
Doch er hört die Diener blasen,
Denket nun der hohen Braut,
Und nun wird auf seinen Strassen
Jahresfest und -Markt so laut.
Und er wählet in den Buden
Manches Pfand zu Lieb und Huld
Aber, ach, da kommen Juden
Mit dem Schein vertagter Schuld.
Und nun halten die Gerichte
Den behenden Ritter auf. —
O verteufelte Geschichte!
Heldenhafter Lebenslauf!
Soll ich heute mich gedulden?
Die Verlegenheit ist gross.
Widersacher, Weiber, Schulden,
Ach, kein Ritter wird sie los!
372
Weimar, 1803. — ^Taschenbuch auf das Jahr 1804*,
Nachtgesang.
Nach dem Italienischen.
U^ gieb vom weichen Pfühle,
Träumend, ein halb Gehör I
Bei meinem Saitenspiele
Schlafe! Was willst du mehr?
Bei meinem Saitenspiele
Segnet der Sterne Heer
Die ewigen Gefühle —
Schlafe! Was willst du mehr?
Die ewigen Gefühle
Heben mich, hoch und hehr,
Aus irdischem Gewühle —
Schlafe! Was willst du mehr?
Vom irdischen Gewühle
Trennst du mich nur zu sehr.
Bannst mich in diese Kühle —
Schlafe! Was willst du mehr?
Bannst mich in diese Kühle,
Giebst nur im Traum Gehör,
Ach, auf dem weichen Pfühle
Schlafe! Was willst du mehr?
373
Weimar^ 1803. — » Taschenbuch auf das Jahr i8o4«i.
Der Rattenfänger.
Ich bin der wohlbekannte Sänger,
Der vielgereiste Rattenfänger,
Den diese altberühmte Stadt
Gewiss besonders nötig hat.
Und wärens Ratten noch so viele.
Und wären Wiesel mit im Spiele,
Von allen säubr' ich diesen Ort —
Sie müssen mit einander fort.
Dann ist der gutgelaunte Sänger
Mitunter auch ein Kinderfanger,
Der selbst die wildesten bezwingt,
Wenn er die goldnen Märchen singt.
Und wären Knaben noch so trutzig,
Und wären Mädchen noch so stutzig.
In meine Saiten greif ich ein —
Sie müssen alle hinterdrein.
Dann ist der vielgewandte Sänger
Gelegentlich ein Mädchenfänger.
In keinem Städtchen langt er an,
Wo ers nicht mancher angethan.
Und wären Mädchen noch so blöde.
Und wären Weiber noch so spröde.
Doch allen wird so liebebang
Bei Zaubersaiten und Gesang.
374
4
Weimar — Sommer i8oy.
Parabel.
I.
liin Meister einer ländlichen Schule
Erhub sich einst von seinem Stuhle
Und hatte fest sich vorgenommen,
In bessere Gesellschaft zu kommen;
Deswegen er im nahen Bad
In den sogenannten Salon eintrat.
Verblüfft war er gleich an der Thür,
Als wenns ihm zu vornehm widerführ;
Macht daher dem ersten Fremden rechts
Einen tiefen Bückling, es war nichts Schlechts
Aber hinten hätt er nicht vorgesehn,
Dass da auch wieder Leute stehn,
Gab einem zur Linken in den Schoosa
Mit seinem Hintern einen derben Stoss.
Das hätt er schnell gern abgebüsst,
Doch wie er eilig den wieder begrüsst,
So stösst er rechts einen andern am:
Er hat wieder jemand was Leids gethan.
Und wie cbs diesem wieder abbittet,
Ers wieder mit einem andern verschüttet
^75
Weimar — Sommer 1807.
Und complimentirt sich zu seiner Qual
Von hinten und vom so durch den Saal,
Bis ihm endlich ein derber Geist
Ungeduldig die Thüre weist.
Möge doch mancher in seinen Sünden
Hie von die Nutzanwendung finden 1
II.
Da er nun seine Strasse ging,
Dacht er: ilch machte mich zu gering,
Will mich aber nicht weiter schmiegen;
Denn wer sich grün macht, den fressen die
Ziegen. «
So ging er gleich frisch querfeldein,
Und zwar nicht über Stock und Stein,
Sondern über Aecker und gute Wiesen,
Zertrat das alles mit latschen Füssen.
Ein Besitzer begegnet ihm so
Und fragt ihn nicht weiter wie noch wo,
Sondern schlägt ihn tüchtig hinter die Ohren.
»Bin ich doch gleich wie neu geboren!«
Ruft unser Wandrer hoch entzückt.
»Wer bist du. Mann, der mich beglückt?
Möchte mich Gott doch immer segnen,
Dass mir so fröhliche Gesellen begegnen I«
376
Weimar — Januar 1808,
Wirkung in die Ferne.
IJie Königin steht im hohen Saal,
Da brennen der Kerzen so viele,
Sie spricht zum Pagen: »Du läufst einmal
Und holst mir den Beutel zum Spiele.
Er liegt zur Hand
Auf meines Tisches Rand.«
Der Knabe, der eilt so behende,
War bald an Schlosses Ende.
Und neben der Königin schlürft zur Stund
Sorbett die schönste der Frauen.
Da brach ihr die Tasse so hart an dem Mund,
Es war ein Gräuel zu schauen.
Verlegenheit ! Scham !
Ums Prachtkleid ists gethani
Sie eilt und fliegt so behende
Entgegen des Schlosses Ende.
Der Knabe zurück zu laufen kam
Entgegen der Schönen in Schmerzen —
Es wusst es niemand, doch beide zusamm,
Sie hegten einander im Herzen.
Und, o des Glücks,
Des günstigen Geschicks 1
Sie warfen mit Brust sich zu Brüsten
Und herzten und küssten nach Lüsten.
377
Wewiar — Januar iSo8.
Doch endlich beide sich reissen los,
Sie eilt in ihre Gemächer,
Der Page drängt sich zur Königin gross
Durch alle die Degen und Fächer.
Die Fürstin entdeckt
Das Westchen befleckt:
Für sie war nichts unerreichbar,
Der Königin von Saba vergleichbar.
Und sie die Hofmeisterin rufen lässt:
»Wir kamen doch neulich zu Streite,
Und Ihr behauptetet steif und fest,
Nicht reiche der Geist in die Weite.
Die Gegenwart nur,
Die lasse wohl Spur —
Doch niemand wirk in die Ferne,
Sogar nicht die himmlischen Sterne.
»Nun seht! So eben ward mir zur Seit
Der geistige Süsstrank verschüttet.
Und gleich darauf hat er dort hinten so weit
Dem Knaben die Weste zerrüttet. —
Besorg dir sie neu !
Und weil ich mich freu,
Dass sie mir zum Beweise gegolten,
Ich zahl sie! Sonst wirst du gescholten.«
37S
Weimar — März i8io.
Ergo bibamus!
Hier sind wir versammelt zu löblichem Thun,
Drum Brüderchen: Ergo bibamus!
Die Gläser, sie klingen, Gespräche, sie ruhn,
Beherziget Ergo bibamus.
Das heisst noch ein altes, ein tüchtiges Wort 1
Es passet zum ersten und passet so fort,
Und schallet ein Echo vom festlichen Ort,
Ein herrliches Ergo bibamus.
Ich hatte mein freundliches Liebchen gesehn.
Da dacht ich mir: Ergo bibamus!
Und nahte mich freundlich, da Hess sie mich
stehn —
Ich half mir und dachte: Bibamus.
Und wenn sie versöhnet euch herzet und küsst.
Und wenn ihr das Herzen und Küssen ver-
misst.
So bleibet nur, bis ihr was Besseres wisst«
Beim tröstlichen Ergo bibamus.
379
Mich ruft mein Geschick von den Freunden
hinweg,
Ihr Redlichen 1 Ergo bibamus.
Ich scheide von hinnen mit leichtem Gepäck,
Drum doppeltes Ei^o bibamus.
Und was auch der Filz von dem Leibe sich
schmorgt,
So bleibt für den Heitern doch immer gesorgt.
Weil immer dem Frohen der Fröhliche borgt.
Drum, Brüderchen I Ergo bibamus.
Was sollen wir sagen zum heutigen Tag!
Ich dächte nur: Ergo bibamus.
Er ist nun einmal von besonderem Schlag,
Drum immer aufs neue : Bibamus.
Er führet die Freude durchs offene Thor,
Es glänzen die Wolken, es theilt sich der Flor,
Da scheint uns ein Bildchen, ein götüiches.
Wir klingen und singen: Bibamus.
Weimar — Afai i8lo.
Mailied.
iSwischen Weizen und Korn,
Zwischen Hecken und Dom,
Zwischen Bäumen und Gras,
Wo gehts Liebchen?
Sag mir das!
Fand mein Holdchen
Nicht daheim,
Muss das Goldchen
Draussen sein.
Grünt und blühet
Schön der Mai,
Liebchen ziehet
Froh und frei.
An dem Felsen beim Fluss,
Wo sie reichte den Kuss,
Jenen ersten im Gras,
Seh ich etwas 1
Ist sie das?
381
Karlsbad 1810.
Das Tagebuch.
Sat^ aliam Untü; i§d jam gmtm gatutia aäirem,
AdmoHuit äomintu desermtque Vtmu,
TibuU r, 5. r. 39. 40.
W ir hörens oft und glaubens wohl am Ende :
Das Menschenherz sei ewig unergründlich,
Und wie man auch sich hin und wieder wende.
So sei der Christe wie der Heide sündlich.
Das Beste bleibt, wir geben uns die Hände
Und nehmens mit der Lehre nicht empfindlich,
Denn zeigt sich auch ein Dämon, uns ver-
suchend,
So waltet Was — gerettet ist die Tugend.
Von meiner Trauten lange Zeit entfernet,
Wies öfter geht, nach irdischem Gewinne,
Und was ich auch gewonnen und gelemet,
So hat ich doch nur immer sie im Sinne.
Und wie zur Nacht der Himmel erst sich
stemet,
Erinnrung uns umleuchtet femer. Minne:
So ward im Federzug des Tags Ereigniss
Mit süssen Worten ihr ein freundlich Gleichniss.
382
Das Tagebuch. — Karlsbad i8io.
Ich eilte nun zurück. Zerbrochen, sollte
Mein Wagen mich noch eine Nacht verspäten.
Schon dacht ich mich, wie ich zu Hause rollte,
Allein da ward Geduld und Werk vonnöthen.
Und wie ich auch mit Schmied und Wagner
tollte,
Sie hämmerten, verschmähten viel zu reden.
Ein jedes Handwerk hat nun seine Schnurren.
Was blieb mir nun? Zu weilen und zu murren.
Da stand ich nun. Der Stern des nächsten
Schildes
Berief mich hin, die Wohnung schien er-
träglich.
Ein Mädchen kam, des seltensten Gebildes,
Das Licht erleuchtend. — Mir ward gleich
behaglich.
Hausflur und Treppe sah ich als ein Mildes,
Die Zimmerchen erfreuten mich unsäglich.
Den sündigen Menschen, der im Freien
schwebet —
Die Schönheit spinnt, sie ists, die ihn um-
webet.
Nun setzt ich mich zu meiner Tasch und
Briefen
Und meines Tagebuchs Genauigkeiten,
Um so wie sonst, wenn alle Menschen schliefen.
Mir und der Trauten Freude zu bereiten.
383
Das Tagebuch. — Karlsbad 1810.
f
Doch weiss ich nicht, die Tintenworte liefen
Nicht so wie sonst in alle Kleinigkeiten:
Das Mädchen kam, des Abendessens Bürde
Vertheilte sie gewandt mit Gruss und Würde.
Sie geht und kommt. Ich spreche, sie erwidert.
Mit jedem Wort erscheint sie mir geschmückter.
Und wie sie leicht mir nun das Huhn zer>
gliedert,
Bewegend Hand und Arm, geschickt, ge-
schickter —
Was auch das tolle Zeug in uns befiedert —
Genug, ich bin verwormer, bin verrückter,
Den Stuhl umwerfend spring ich auf und fasse
Das schöne Kind, sie lispelt: »Lasse, lasse!
Die Muhme drunten lauscht, ein alter
Drache,
Sie zählt geschäftig des Geschäfts Minute,
Sie denkt sich unten, was ich oben mache.
Bei jedem Zögern schwenkt sie frisch die Ruthe.
Doch schliesse deine Thüre nicht und wache.
So kommt die Mittemacht uns wohl zu gute.«
Rasch meinem Arm entwindet sie die Glieder
Und eilet fort und kommt nur dienend wieder.
Doch blickend auch! So dass aus jedem
Blicke
Sich himmlisches Versprechen mir entfaltet.
384
Das Tageblick. — Karlsbad 1810.
Den stiDen Seufzer drängt sie nicht zurücke,
Der ihren Busen herrlicher gestaltet.
Ich sehe, dass am Ohr, um Hals und Gnicke
Der flüchtigen Röthe Liebesblüthe waltet,
Und da sie Nichts zu leisten weiter findet,
Geht sie und zögert, sieht sich um, ver-
schwindet.
Der Mittemacht gehören Haus und Strassen,
Mir ist ein weites Lager aufgebreitet.
Wovon den kleinsten Teil mir anzumassen
Die Liebe räth, die alles wohl bereitet.
Ich zaudre noch, die Kerzen auszublasen,
Nun hör ich sie, wie leise sie auch gleitet.
Mit gierigem Blick die Hochgestalt um-
schweif ich,
Sie senkt sich her, die Wohlgestalt ergreif ich.
Sie macht sich los: »Vergönne, dass ich
rede.
Damit ich dir nicht völlig fremd gehöre.
Der Schein ist wider mich. Sonst war ich blöde,
Stets gegen Männer setzt ich mich zur Wehre.
Mich nennt die Stadt, mich nennt die Ge-
gend spröde —
Nun aber weiss ich, wie das Herz sich kehre.
Du bist mein Sieger, lass dichs nicht ver-
driessen.
Ich sah, ich liebte, schwur dich zu geniessen.
Hartleben, Goethe-Brevier.
385 25
Das Tagebuch. — Karlsbad i8lo.
Du hast mich rein, und wenn ichs besser
wüsste,
So gab ichs dir, ich thue was ich sage.«
So schliesst sie mich an ihre süssen Brüste,
Als ob ihr nur an meiner Brust behage.
Und wie ich Mund und Aug und Stirne küsste,
So war ich doch in wunderbarer Lage:
Denn der so hitzig sonst den Meister spielet,
Weicht schülerhaft zurück und abgekühlet.
Ihr scheint ein süsses Wort, ein Kuss zu
g'nügen,
Als war es alles, was ihr Herz begehrte.
Wie keusch sie mir, mit liebevollem Fügen.
Des süssen Körpers Fülleform gewährte I
Entzückt und froh in allen ihren Zügen
Und ruhig dann, als wenn sie nichts entbehrte.
So ruht ich auch, gefällig sie beschauend.
Noch auf den Meister hoffend und vertrauend.
Doch als ich länger mein Geschick be-
dachte,
Von tausend Flüchen mir die Seele kochte,
Mich selbst verwünschend, grinsend mich
belachte,
Nichts besser ward, wie ich auch zaudern
mochte —
Da lag sie schlafend, schöner als sie wachte,
Die Lichter dämmerten mit langem Dochte.
3S6
Das Tagebuch. — Karlsbad /8/0.
Der Tagesarbeit jugendlicher Mühe
Gesellt sich gern der Schaf und nie zu frühe.
So lag sie himmlisch an bequemer Stelle,
Als wenn das Lager ihr allein gehörte,
Und an die Wand gedrückt, gequetscht zur
Hölle,
Ohnmächtig Jener, dem sie Nichts verwehrte.
Vom Schlangenbisse fallt, zunächst der Quelle,
Ein Wandrer so, den schon der Durst ver-
zehrte.
Sie athmet lieblich holdem Traum entgegen,
Er hält den Athem, sie nicht aufzuregen.
Gefasst bei dem, was ihm noch nie be-
gegnet.
Spricht er zu sich: »So musst du doch er-
fahren,
Warum der Bräutigam sich kreuzt und segnet,
Vor Nestelknüpfen scheu sich zu bewahren.
Weit lieber da, wos Hellebarden regnet.
Als hier im Schimpf! So war es nicht vor
Jahren,
Als deine Herrin dir zum ersten Male
Vors Auge trat im prachterhellten Saale.
Da quoll dein Herz, da schwollen deine
Sinnen,
So dass der ganze Mensch entzückt sich regte !
387 75*
Das Tagebuch. — Karhhad 1810.
Zum raschen Tanze trugst du sie von hinnen,
Die kaum der Arm und schon der Busen hegte,
Als wolltest du dir selbst sie abgewinnen I
Vervielfacht war, was sich für sie bewegte:
Verstand und Witz und alle Lebensgeister —
Und rascher als die andern jener Meister!
So immerfort wuchs Neigung und Begierde,
Brautleute wurden wir im frühen Jahre,
Sie selbst des Maien schönste Blum und
Zierde.
Wie wuchs die Kraft zur Lust im jungen
Paare 1
Und als ich endlich sie zur Kirche führte,
Gesteh ichs nur, vor Priester und Altare,
Vor deinem Jammerbild sogar, o Christe,
Verzeih mirs Gott, es regte sich der Iste!
Und ihr, der Brautnacht reiche Bettgehänge,
Ihr Pfühle, die ihr euch so breit erstrecktet,
Ihr Teppiche, die Lieb und Lustgedränge
Mit euren seidnen Fittigen bedecktet 1
Ihr Käfigvögel, die durch Zwitschersänge
Zu neuer Lust und nie zu früh erwecktet!
Ihr kanntet uns, von eurem Schutz umfriedet,
Theilnehmend sie — mich immer unermüdet!
Und wie wir oft sodann im Raub genossen
Nach Buhlenart des Ehstands heiige Rechte,
388
Das Tagebuch. — Karhbad 1810.
Von reifer Saat umwogt, vom Rohr umschlossen,
An manchem Unort, wo ichs mich erfrechte,
Wir waren augenblicklich, unverdrossen
Und wiederholt bedient vom braven Knechte!
Verfluchter Knecht, wie unerwecklich liegst du!
Und deinen Herrn ums schönste Glück be-
trügst du!« — —
Doch Meister Iste hat nun seine Grillen
Und lässt sich nicht befehlen noch verachten.
Auf einmal ist er da, und ganz im Stillen
Erhebt er sich zu allen seinen Frachten!
So steht es nun dem Wandrer ganz zu Willen,
Nicht lechzend mehr am Quell zu übernachten.
Er neigt sich hin, er will die Schläferin küssen.
Allein er stockt — er fühlt sich weggerissen.
Wer hat zur Kraft ihn wieder aufgestählet,
Als jenes Bild, das ihm auf ewig theuer,
Mit dem er sich in Jugendlust vermählet:
Dort leuchtet her ein frisch erquicklich Feuer!
Und wie er erst in Ohnmacht sich gequälet.
So wird nun hier dem Starken nicht geheuer.
Er schaudert weg, vorsichtig, leise, leise
Entzieht er sich dem holden Zauberkreise.
Sitzt, schreibt: »Ich nahte mich der heimi-
schen Pforte,
Entfernen wollten mich die letzten Stunden,
389
Das Tagebuch. — Karlsbad 1810.
Da hab ich nun am sonderbarsten Orte
Mein treues Herz aufs Neue dir verbunden.
Zum Schlüsse findest du geheime Worte:
Die Krankheit erst bewähret den Ge-
sunden.
Dies Büchlein soll dir manches Gute zeigen,
Das Beste nur muss ich zuletzt verschweigen.«
Da kräht der Hahn. Das Mädchen schnell
entwindet
Der Decke sich und wirft sich rasch ins Mieder.
Und da sie sich so seltsam wiederfindet,
So stutzt sie, blickt und schlägt die Augen
nieder —
Und da sie ihm zum letzten Mal verschwindet.
Im Auge bleiben ihm die schönen Glieder.
Das Posthorn tönt, er wirft sich in den Wagen
Und lässt getrost sich zu der Liebsten tragen.
Und weil zuletzt bei jeder Dichtungsweise
Moralien uns ernstlich fördern sollen,
So will auch ich in so beliebtem Gleise
Euch gern bekennen, was die Verse wollen :
Wir stolpern wohl auf unsrer Lebensreise,
Und doch vermögen in der Welt, der tollen.
Zwei Hebel viel aufs irdische Getriebe — :
Sehr viel die Pflicht, unendlich mehr die
Li ebe!
390
i8io.
VJedichte sind gemalte Fensterscheiben 1
Sieht man vom Markt in die Kirche hinein,
Da ist alles dunkel und düster,
Und so siehts auch der Herr Philister.
Der mag denn wohl verdriesslich sein
Und lebenslang verdriesslich bleiben.
Kommt aber nur einmal herein!
Begrüsst die heilige Kapelle 1
Da ists auf einmal farbig helle,
Geschieht und Zierrath glänzt in Schnelle,
Bedeutend wirkt ein edler Schein.
Dies wird euch Kindern Gottes taugen,
Erbaut euch und ergötzt die Augen!
591
Weimar^ 1812,
Gross ist die Diana der Epheser.
Apostelgeschichte 19, 28 und 34.
L/u Ephesus ein Goldschmied sass
In seiner Werkstatt, pochte,
So gut er könnt, ohn Unterlass,
So zierlich ers vermochte.
Als Knab und Jüngling kniet er schon
Im Tempel vor der Göttin Thron
Und hatte den Gürtel unter den Brüsten,
Worin so manche Thiere nisten,
Zu Hause treulich nachgefeilt.
Wies ihm der Vater zugetheilt.
Und leitete sein kunstreich Streben
In frommer Wirkung durch das Leben.
Da hört er denn auf einmal laut
Eines Gassenvolkes Windesbraut,
Als gäbs einen Gott so im Gehirn,
Da hinter des Menschen alberner Stirn,
Der sei viel herrlicher als das Wesen,
An dem wir die Breite der Gotjtheit lesen.
392
Gegen den überirdischen Fritz Jacohi.
Der alte Künstler horcht nur auf,
Lässt seinen Knaben auf den Markt den Lauf,
Feilt immer fort an Hirschen und Thieren,
Die seiner Gottheit Kniee zieren.
Und hofft, es könnte das Glück ihm walten,
Ihr Angesicht würdig zu gestalten.
Wills aber einer anders halten,
So mag er nach Belieben schalten !
Nur soll er nicht das Handwerk schänden ;
Sonst wird er schlecht und schmählich enden.
393
l8l2.
W as war ein Gott, der nur von aussen stiesse.
Im Kreis das All am Finger laufen Hesse!
Ihm ziemts, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
So dass, was in Ihm lebt und webt und ist.
Nie seine Kraft, nie Seinen Geist vermisst.
994
Weimar, i6. Dezember 1812,
Gegenwart.
Alles kündet dich an!
Erscheinet die herrliche Sonne,
Folgst du, so hoff ich es, bald.
Trittst du im Gatten hervor.
So bist du die Rose der Rosen,
Lilie der Lilien zugleich.
«
Wenn du im Tanze dich regst,
So regen sich alle Gestirne
Mit dir und um dich umher.
Nacht, und so war es denn Nacht,
Nun überscheinst du des Mondes
Lieblichen, ladenden Glanz.
Ladend und lieblich bist du.
Und Blumen, Mond und Gestirne
Huldigen, Sonne, nur dir.
Sonne, so sei du auch mir
Die Schöpferin herrlicher Tage !
Leben und Ewigkeit ists.
395
Christiane. Zur silbernen Hochzeit. i8tj.
Gefunden.
Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.
Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Aeuglein schön.
Ich wollt es brechen,
Da sagt es fein:
»Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?c
Ich grubs mit allen
Den Würzlein aus.
Zum Garten trug ichs
Am hübschen Haus.
Und pflanzt es wieder
Am stillen Ort —
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.
396
Stammhuchvers vom 28. Dezember 1813.
Eigenthum.
ich weisS; dass mir nichts angehört,
Als der Gedanke, der ungestört
Aus meiner Seele will fliessen,
Und jeder günstige Augenblick,
Den mich ein liebendes Geschick
Von Grund aus lässt geniessen.
397
West'Ostlüher Drüattj 1814.
Versunken.
Voll Locken kraus ein Haupt so rund! —
Und darf ich dann in solchen reichen Haaren
Mit vollen Händen hin und wieder fahren.
Da fühl ich mich vom Herzensgrund gesund,
Und küss ich Stime, Bogen, Auge, Mund,
Dann bin ich frisch und immer wieder wund.
Der funfgezackte Kamm, wo sollt er stocken ?
Er kehrt schon wieder zu den Locken.
Das Ohr versagt sich nicht dem Spiel,
Hier ist nicht Fleisch, hier ist nicht Haut,
So zart zum Scherz, so liebeviel!
Doch wie man auf dem Köpfchen kraut —
Man wird in solchen reichen Haaren
Für ewig auf und nieder fahren.
So hast du, Hafis, auch gethan,
Wir fangen es von vomen an.
396
Berka a. d. Ilftty den 21. Juni 1814,
Erschaffen und Beleben.
11 ans Adam war ein Erdenkloss,
Den Gott zum Menschen machte,
Doch bracht er aus der Mutter Schooss
Noch vieles Ungeschlachte.
Die Elohim zur Nas hinein
Den besten Geist ihm bliesen.
Nun schien er schon was mehr zu seinl
Denn er fing an zu niesen.
Doch mit Gebein und Glied und Kopf
Blieb er ein halber Klumpen,
Bis endlich Noah für den Tropf
Das Wahre fand, den Humpen.
Der Klumpe fühlt sogleich den Schwung,
Sobald er sich benetzet,
So wie der Teig durch Säuerung
Sich in Bewegung setzet.
So, Hafis, mag dein holder Sang,
Dein heiliges Exempel
Uns führen bei der Gläser Klang
Zu unsres Schöpfers Tempel 1
399
Fulda^ den 26. Juli 1814,
Im Gegenwärtigen Vergangenes.
Kos* und Lilie morgenthaulich
Blüht im Garten meiner Nähe,
Hinten an, bebuscht und traulich,
Steigt der Felsen in die Höhe.
Und mit hohem Wald umzogen
Und mit Ritterschloss gekrönet,
Lenkt sich hin des Gipfels Bogen,
Bis er sich dem Thal versöhnet.
Und da duftets wie vor Alters,
Da wir noch von Liebe litten
Und die Saiten meines Psalters
Mit dem Morgenstrahl sich stritten,
Wo das Jagdlied aus den Büschen
Fülle runden Tons enthauchte.
Anzufeuern, zu erfrischen,
Wies der Busen wollt und brauchte.
Nun die Wälder ewig sprossen,
So ermuthigt euch mit diesen !
Was ihr sonst für euch genossen,
Lässt in Andern sich gemessen.
400
West-Östlicher Divatt,
Niemand wird uns dann beschreien,
Dass wirs uns alleine gönnen I
Nun in allen Lebensreihen
Müsset ihr geniessen können«
Und mit diesem Lied und Wendung
Sind wir wieder bei Hausen —
Denn es ziemt, des Tags Vollendung
Mit Geniessem zu geniessen.
tiartteben, Goethe-ßrevitfr. ^.
401 ib
Auf der Reise ^ am 26. Juli 1814,
Derb und tüchtig,
Uichten ist ein Uebermuth,
Niemand schelte mich!
Habt getrost ein warmes Blut,
Froh und frei wie ichl
Sollte jeder Stunde Pein
Bitter schmecken mir,
Würd ich auch bescheiden sein,
Und noch mehr als Ihr.
Denn Bescheidenheit ist fein,
Wenn das Mädchen blüht:
Sie will zart geworben sein,
Die den Rohen flieht.
Auch ist gut Bescheidenheit,
Spricht ein weiser Mann,
Der von Zeit und Ewigkeit
Mich belehren kann.
Dichten ist ein Uebermuth!
Treib es gern allein.
Freund und Frauen, frisch von Blut,
Kommt nur auch herein!
402
Wesi'östlicher Divan.
Mönchlein ohne Kapp und Kutt
Schwatz nicht auf mich ein!
Zwar du machest mich kaput,
Nicht bescheiden, neinl
Deiner Phrasen leeres Was
Treibet mich davon,
Abgeschliffen hab ich das
An den Sohlen schon.
Wenn des Dichters Mühle geht.
Halte sie nicht eini
Denn wer einmal uns versteht,
Wird uns auch verzeihn.
403 26»
Noch auf der Reise^ am 2g. Juli 1814 in der Nacht,
All-Leben.
btaub ist eins der Elemente,
Das du gar geschickt bezwingest,
Hafis, wenn zu Liebchens Ehren
Du ein zierlich Liedchen singest.
Denn der Staub auf ihrer Schwelle
Ist dem Teppich vorzuziehen,
Dessen goldgewirkte Blumen
Mahmuds Günstlinge beknieen.
Treibt der Wind von ihrer Pforte
Wolken Staubs behend vorüber,
Mehr als Moschus sind die Düfte
Und als Rosenöl dir lieber.
Staub, den hab ich längst entbehret
In dem stets umhüllten Norden,
Aber in dem heissen Süden
Ist er mir genugsam worden.
404
West-Östlicher Divan.
Doch schon längst, dass liebe Pforten
Mir auf ihren Angeln schwiegen!
Heile mich, Gewitterregen,
Lass mich, dass es grunelt, riechen 1
Wenn jetzt alle Donner rollen.
Und der ganze Himmel leuchtet.
Wird der wilde Staub des Windes
Nach dem Boden hingefeuchtet.
Und sogleich entspringt ein Leben,
Schwillt ein heilig, heimlich Wirken,
Und es grunelt und es grünet
In den irdischen Bezirken.
405
West-Östlicher Divan. — Wiesbaden, 31. Juli 1814.
Selige Sehnsucht
Oagt es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet I
Das Lebendge will ich preisen.
Das nach Flammentod sich sehnet.
In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Ueberfällt dich fremde Fühlung,
Wenn die stille Kerze leuchtet.
Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finstemiss Beschattung,
Und dich reisset neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.
Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt, des Lichts begierig.
Bist du, Schmetterling, verbrannt.
Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde 1
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.
406
An demselben Tage in Wiesbaden,
Thut ein Schilf sich doch hervor,
Welten zu versüssen 1
Möge meinem Schreibe-Rohr
Liebliches entfliessenl
407
In dieser Reihenfolge gehören i^ Anklaget., %Fetwait und
Anklage.
Wisst Ihr denn, auf wen die Teufel lauem
In der Wüste zwischen Fels und Mauern?
Und, wie sie den Augenblick erpassen.
Nach der Hölle sie entführend fassen?
Lügner sind es und der Bösewicht.
Der Poete, warum scheut er nicht.
Sich mit solchen Leuten einzulassen!
Weiss denn der, mit wem er geht und wandelt.
Er, der immer nur im Wahnsinn handelt?
Grenzenlos, von eigensinngem Lieben,
Wird er in die Oede fortgetrieben.
Seiner Klagen Reim, in Sand geschrieben.
Sind vom Winde gleich verjagt:
Er versteht nicht, was er sagt,
Was er sagt, wird er nicht halten.
Doch sein Lied, man lässt es immer walten ?
Da es doch dem Koran widerspricht.
Lehret nun Ihr, des Gesetzes Kenner,
Weisheit — fromme, hochgelahrte Männer,
Treuer Mosleminen feste Pflicht I
Hafis insbesondere schaffet Aergernisse,
Mirza sprengt den Geist ins Ungewisse:
Saget, was man thun und lassen müsse!
408
T^Der Deutsche dankt*, wie ein Triptychon zusammen.
Fetwa.
rlafis Dichterzüge, sie bezeichnen
Ausgemachte Wahrheit unauslöschlich,
Aber hie und da auch Kleinigkeiten
Ausserhalb der Grenze des Gesetzes.
Willst du sicher gehn, so musst du wissen,
Schlangengift und Theriak zu sondern —
Doch der reinen Wollust edler Handlung
Sich mit frohem Muth zu überlassen
Und vor solcher, der nur ewge Pein folgt,
Mit besonnenem Sinn sich zu bewahren,
Ist gewiss das Beste, um nicht zu fehlen. —
Dieses schrieb der arme Ebusuud Euch.
Gott verzeih ihm seine Sünden alle!
409
"i Anklage*. iSlS^ die beiden andern 1814,
Der Deutsche dankt.
Heilger Ebusuud, hasts getroffen 1
Solche Heiige wünschet sich der Dichter.
Denn gerade jene Kleinigkeiten
Ausserhalb der Grenzen des Gesetzes
Sind das Erbteil, wo er übermüthig.
Selbst im Kummer lustig, sich beweget.
Schlangengift und Theriak muss
Ihm das eine wie das andre scheinen.
Töten wird nicht jenes, dies nicht heilen
Denn das wahre Leben ist des Handelns
Ewge Unschuld, die sich so erweiset,
Dass sie Niemand schadet als sich selber.
Und so kann der alte Dichter hoffen,
Dass die Huris ihn im Paradiese
Als verklärten Jüngling wohl empfangen. •
Heilger Ebusuud, hasts getroffen!
410
West-Östlicher Divan, — Schenkenbuch. — Oc tober 1814.
Schenke
spricht :
Uu mit deinen braunen Locken,
Geh mir weg, verschmitzte Dirne!
Schenk ich meinen Herrn zu danke.
Nun so küsst er mir die Stirne.
Aber du, ich wollte wetten,
Bist mir nicht damit zufrieden,
Deine Wangen, deine Brüste
Werden meinen Freund ermüden.
Glaubst du wohl mich zu betrügen,
Dass du jetzt verschämt entweichest?
Auf der Schwelle will ich liegen
Und erwachen, wenn du schleichest.
411
West-Östlicher Divan. — Schenkenbuch. — Octoher 1814,
Schenke:
Welch ein Zustand 1 Herr, so späte
Schleichst du heut aus deiner Kammer:
Perser nennens Bidamag buden,
Deutsche sagen Katzenjammer.
Dichter:
Lass mich jetzt, geliebter Knabe 1
Mir will nicht die Welt gefallen,
Nicht der Schein, der Duft der Rose,
Nicht der Sang der Nachtigallen.
S chenke:
Eben das will ich behandeln.
Und ich denk, es soll mir klecken:
Hier! Geniess die frischen Mandeln,
Und der Wein wird wieder schmecken.
Dann will ich auf der Terrasse
Dich mit frischen Lüften tränken —
Wie ich dich ins Auge fasse,
Giebst du einen Kuss dem Schenken.
Schau I Die Welt ist keine Höhle,
Immer reich an Brut und Nestern,
Rosenduft und Rosenöle I
Bulbul auch, sie singt wie gestern.
412
Schenkenhtich. — Octoher 1814.
Schenke:
JNennen dich den grossen Dichter,
Wenn dich auf dem Markte zeigest —
Gerne hör ich, wenn du singest,
Und ich horche, wenn du schweigest.
Und ich liebe dich noch lieber,
Wenn du küssest zum Erinnern —
Denn die Worte gehn vorüber,
Und der Kuss, der bleibt im Innern.
Reim auf Reim will was bedeuten.
Besser ist es, viel zu denken. —
Singe du den andern Leuten
Und verstumme mit dem Schenken.
413
West-öst Itcher Divan, — ig. November 1814,
Wanderers Gemütsruhe.
Uebers Niederträchtige
Niemand sich beklage,
Denn es ist das Mächtige,
Was man dir auch sage.
In dem Schlechten waltet es
Sich zu Hochgewinne,
Und mit Rechtem schaltet es
Ganz nach seinem Sinne.
Wandrer! — Gegen solche Not
Wolltest du dich sträuben?
Wirbelwind und trocknen Kot,
Lass sie drehn und stäuben.
414
Btich der Parabeln, — 1814.
Vom Himmel sank in wilder Meere Schauer
Ein Tropfe bangend, grässlich schlug die Flut 1
Doch lohnte Gott bescheidnen Glaubensmuth
Und gab dem Tropfen Kraft und Dauer.
Ihn schloss die stille Muschel ein.
Und nun, zu ewgem Ruhm und Lohne,
Die Perle glänzt an unsers Kaisers Krone
Mit holdem Blick und mildem Schein.
415
Weimar^ den 24, December 1814,
Dreistigkeit.
Worauf kommt es überall an?
Dass der Mensch gesunidetl
Jeder höret gern den Schall an,
Der zum Ton sich rundet.
Alles weg, was deinen Lauf stört !
Nur kein düster Streben 1
Eh er singt und eh er aufhört,
Muss der Dichter leben.
Und so mag des Lebens Erzklang
Durch die Seele dröhnen 1
Fühlt der Dichter sich das Herz bang,
Wird sich selbst versöhnen.
M
Einleitungsgedicht des West-östlichen Divans.
Hegire.
JNord und West und Süd zersplittern,
Throne bersten, Reiche zittern,
Flüchte Du, im reinen Osten
Patriaxchenluft zu kosten!
Unter Lieben, Trinken, Singen
Soll Dich Chisers Quell verjüngen.
Dort ira Reinen und im Rechten
Will ich menschlichen Geschlechten
In des Ursprungs Tiefe dringen.
Wo sie noch von Gott empfingen
Hinimelslehr in Erdensprachen
Und sich nicht den Kopf zerbrachen.
Wo sie Väter hoch verehrten,
Jeden fremden Dienst verwehrten —
Will mich freun der Jugendschranke:
Glaube weit, eng der Gedanke,
Wie das Wort so wichtig dort war.
Weil es ein gesprochen Wort war.
Will mich unter Hirten mischen,
An Oasen mich erfrischen.
Wenn mit Karawanen wandle,
Shawl, Kaffee und Moschus handle —
Hnrtleben, Goclhc-Brevier,
417 27
^4' Decemher 1814. — Hegire ist Hedschra.
Jeden Pfad will ich betreten
Von der Wüste zu den Städten.
Bösen Felsweg auf und nieder
Trösten, Hafis, Deine Lieder,
Wenn der Führer mit Entzücken
Von des Maulthiers hohem Rücken
Singt, die Sterne zu erwecken
Und die Räuber zu erschrecken.
Will in Bädern und in Schenken,
Heilger Ha6s, Dein gedenken.
Wenn den Schleier Liebchen lüftet,
Schüttelnd Ambralocken duftet,
Ja, des Dichters Liebeflüstem
Mache selbst die Huris lüstern.
Wolltet Ihr ihm dies beneiden
Oder etwa gar verleiden,
Wisset nur, dass Dichterworte
Um des Paradieses Pforte
Immer leise klopfend schweben,
Sich erbittend ewges Leben.
418
West-Östlicher Divan. — 1814.
Freisinn.
JLasst mich nur auf meinem Sattel gelten 1
Bleibt in Euren Hütten, Euren Zelten I
Und ich reite froh in alle Ferne,
Ueber meiner Mütze nur die Sterne.
419 27«
West-Östlicher Divan. — Schenhenhtuh. — /^/j.
Ja, in der Schenke hab ich auch gesessen.
Mir ward wie andern zugemessen,
Sie schwatzten, schrieen, handelten von heut.
So froh und traurig, wies der Tag gebeut.
Ich aber sass, im Innersten erfreut:
An meine Liebste dacht ich. — Wie sie liebt ?
Das weiss ich nicht ! Was aber mich bedrängt :
Ich liebe sie, wie es ein Busen gibt,
Der treu sich einer gab und knechtisch hängt 1
Wo war das Pergament, der Griffel wo.
Die alles fassten ? — Doch so wars I Ja, so I
Sitz ich allein.
Wo kann ich besser sein?
Meinen Wein
Trink ich allein —
Niemand setzt mir Schranken,
Ich hab so meine eignen Gedanken.
420
Schenkenbuch. — 181$.
1 runken müssen wir alle sein !
Jugend ist Trunkenheit ohne Wein!
Trinkt sich das Alter wieder zu Jugend,
So ist es wundervolle Tugend.
Für Sorgen sorgt das liebe Leben,
Und Sorgenbrecher , sind die Reben.
421
Buch des Unmutfis, — Weimar^ 23. Februar 181S.
Der Prophet
spricht:
Aergerts Jemand, dass es Gott gefallen,
Mahomet zu gönnen Schutz und Glück,
An den stärksten Balken seiner Hallen,
Da befestige er den derben Strick,
Knüpfe sich daran 1 Das hält und trägt.
Er wird fühlen, dass sein Zorn sich legt.
422
West- östlicher Divan. — Eisenach, 24. Mai 181$'
Es ist gut.
rJei Mondenschein im Paradeis
Fand Jehovah im Schlafe tief
Adam versunken, legte leis
Zur Seit ein Evchen, das auch entschlief.
Da lagen nun in Erdeschranken
Gottes zwei lieblichste Gedanken. —
Gut ! 1 1 rief er sich zum Meisterlohn.
Er ging sogar nicht gern davon.
Kein Wunder, dass es uns berückt,
Wenn Auge frisch in Auge blickt,
Als hätten wirs so weit gebracht.
Bei dem zu sein, der uns gedacht.
Und ruft er uns, wohlan es seil
Nur das beding ich, alle Zwei!
Dich halten dieser Arme Schranken,
Liebster von allen Gottes-Gedanken I
423
Blich der Liehe, — Von demselben Tage.
Schlechter Trost.
Mitternachts weint und schluchzt ich,
Weil ich Dein entbehrte.
Da kamen Nachtgespenster,
Und ich schämte mich.
„Nachtgespenster*', sagt ich,
„Schluchzend und weinend
Findet ihr mich, dem Ihr sonst
Schlafendem vorüberzogt.
Grosse Güter vermiss ich.
Denkt nicht schlimmer von mir:
Den Ihr sonst weise nanntet.
Grosses Uebel betrifft ihnl" —
Und die Nachtgespenster
Mit langen Gesichtern
Zogen vorbei,
Ob ich weise oder thörig.
Völlig unbekümmert.
424
Buch der Betrachtungen. — Somfncr 1815.
Gehandelt die Frauen mit Nachsicht I
Aus krummer Rippe ward sie erschaffen,
Gott konnte sie nicht ganz grade machen.
Willst du sie biegen — sie bricht.
Lässt du sie ruhig, sie wird noch krümmer.
Du guter Adam, was ist denn schlimmer? —
Behandelt die Frauen mit Nachsicht:
Es ist nicht gut, dass euch eine Rippe bricht.
425
Marianne von WilUmer. — WesUSstlicher Divan.
H a t e m :
JNicht Gelegenheit macht Diebe,
Sie ist selbst der grösste Dieb —
Denn sie stahl den Rest der Liebe,
Die mir noch im Herzen blieb.
Dir hat sie ihn übergeben.
Meines Lebens Vollgewinn,
Dass ich nun, verarmt, mein Leben
Nur von dir gewärtig bin.
Doch ich fühle schon Erbarmen
Im Karfunkel deines Blicks
Und erfreu in deinen Armen
Mich erneuerten Geschicks.
u-
426
Frankfurt^ 75. und 16. September 181$.
Suleika:
rlochbeglückt in deiner Liebe,
Scheit ich nicht Gelegenheit,
Ward sie auch an dir zum Diebe,
Wie mich solch ein Raub erfreut!
Und wozu denn auch berauben?
Gib dich mir aus freier Wahl!
Gar zu gerne möcht ich glauben:
Ja, ich bins, die dich bestahl.
Was so willig du gegeben.
Bringt dir herrlichen Gewinn —
Meine Ruh, mein reiches Leben
Geb ich freudig, nimm es hin!
Scherze nicht! Nichts von Verarmen!
'Macht uns nicht die Liebe reich?
Halt ich dich in meinen Armen,
Jedem Glück ist meines gleich.
Von Marianne v. Willemer.
427
West östlicher Drvan. ~ Buch Suleika,
4
Uie schön geschriebenen,
Herrlich umgüldeten,
Belächeltest du,
Die anmasslichen Blätter —
Verziehst mein Prahlen
Von deiner Lieb und meinem
Durch dich glücklichen Gelingen —
Verziehst anmuthigera Selbstlob?
Selbstlob 1 Nur dem Neide stinkts,
Wohlgeruch Freunden
Und eignem SchmackI
Freude des Daseins ist gross —
Grösser die Freud am Dasein,
Wenn du, Suleika,
Mich überschwänglich beglückst,
Deine Leidenschaft mir zuwirfst,
Als wärs ein Ball,
Dass ich ihn fange.
Dir zurückwerfe
Mein gewidmetes Ich.
Das ist ein Augenblick!
Und dann reisst mich von dir
Bald der Franke, bald der Armenier.
4Z8
Heidelbergs 21 September 1815.
Aber Tage währts,
Jahre dauerts, dass ich neu erschaffe
Tausendfältig deiner Verschwendungen Fülle,
AuftrÖsle die bunte Schnur meines Glücks,
Geklöppelt tausendfadig
Von dir, o Suleikal
Hier nun dagegen
Dichtrische Perlen,
Die mir deiner Leidenschaft
Gewaltge Brandung
Warf an des Lebens
Verödeten Strand aus.
Mit spitzen Fingern
Zierlich gelesen,
Durchreiht mit juwelenem
Goldschmuck !
Nimm sie an deinen Hals,
An deinen Busen,
Die Regentropfen Allahs,
Gereift in bescheidener Muschel 1
429
Marianne von Willemer, — West-östlicher Divan, 1815»
An vollen Büschelzweigen,
Geliebte, sieh nur hini
Lass dir die Früchte zeigen
Umschalet stachlig grün.
Sie hängen längst geballet,
Still, unbekannt mit sich.
Ein Ast, der schaukelnd wallet,
Wiegt sie geduldiglich.
Doch immer reift von innen
Und schwillt der braune Kern:
Er möchte Luft gewinnen
Und sah die Sonne gem.
Die Schale platzt, und nieder
Macht er sich freudig los —
So fallen meine Lieder
Gehäuft in deinen Schoss.
430
Motto zum Buch Suleika,
Ich gedachte in der Nacht,
Dass ich den Mond sähe im Schlaf
Als ich aber erwachte,
Ging unvermutet die Sonne auf.
431
West-Östlicher Divan. — Buch Suleika.
Wiederfinden.
Ist es möglich ! Stern der Sterne,
Drück ich wieder dich ans Herz!
Ach, was ist die Nacht der Ferne
Für ein Abgrund, für ein Schmerz I
Ja, du bist es, meiner Freuden
Süsser, lieber Widerpart!
Eingedenk vergangner Leiden,
Schaudr' ich vor der Gegenwart.
Als die Welt im tiefsten Grunde
Lag an Gottes ewger Brust,
Ordnet er die erste Stunde
Mit erhabner Schöpfungslust.
Und er sprach das Wort: „Es werde!"
Da erklang ein schmerzlich Ach,
Als das All mit Machtgeberde
In die Wirklichkeiten brach!
Auf that sich das Licht, sich trennte
Scheu die Finsterniss von ihm,
Und sogleich die Elemente
Scheidend ausein anderfliehn.
Rasch in wilden, wüsten Träumen
Jedes nach der Weite rang,
Starr, in ungemessnen Räumen,
Ohne Sehnsucht, ohne Klang.
432
Heidelhergy 24. Septefnber 1815.
Stumm war Alles, still und öde,
Einsam Gott zum ersten Mall —
Da erschuf er Morgenröte,
Die erbarmte sich der Qual —
Sie entwickelte dem Trüben
Ein erklingend Farbenspiel,
Und nun konnte wieder lieben.
Was erst auseinander fiel.
Und mit eiligem Bestreben
Sucht sich, was sich angehört,
Und zu ungemessnem Leben
Ist Gefühl und Blick gekehrt.
Seis Ergreifen, sei es Raffen,
Wenn es nur sich fasst und hältl
Allah braucht nicht mehr zu schaffen,
Wir erschaffen seine Welt.
So mit morgenroten Flügeln
Riss es mich an deinen Mund,
Und die Nacht mit tausend Siegeln
Kräftigt sternenhell den Bund.
Beide sind wir auf der Erde
Musterhaft in Freud und Qual,
Und ein zweites Wort: ,,Es werde 1"
Trennt uns nicht zum zweiten Mal.
Hartleben, Goethe-Brevier.
433 28
Weit-dstlicher Divan. — iSiS-
bch warzer Schatten ist über dem Staub
Der Geliebten Gefährte —
Ich machte mich zum Staube,
Aber der Schatten ging über mich hin.
g 434
4-
HeideWergy 26. September iSiS.
Volk und Knecht und Ueberwinder,
Sie gestehn zu jeder Zeit:
Höchstes Glück der Erdenkinder
Sei nur die Persönlichkeit.
Jedes Leben sei zu führen,
Wenn man sich nicht selbst verraisst
Alles könne man verlieren,
Wenn man bliebe, was man ist.
4dS 28«
Marianm von Willemer. — 26. September 181S'
Westwind.
Rückkehr von Heidelberg.
Ach, um deine feuchten Schwingen,
West, wie sehr ich dich beneide:
Denn du kannst ihm Kunde bringen,
Was ich in der Trennung leide!
Die Bewegung deiner Flügel
Weckt im Busen stilles Sehnen!
Blumen, Augen, Wald und Hügel
Stehn bei deinem Hauch in Thränen.
Doch dein mildes, sanftes Wehen
Kühlt die wunden Augenlider —
Ach, für Leid müsst ich vergehen,
Hofft ich nicht zu sehn ihn wieder.
Eile denn zu meinem Lieben,
Spreche sanft zu seinem Herzen,
Doch vermeid, ihn zu betrüben,
Und verbirg ihm meine Schmerzen.
Sag ihm, aber sags bescheiden:
Seine Liebe sei mein Leben —
Freudiges Gefühl von beiden
Wird mir seine Nähe geben.
Von Marianne v. Willemer.
M
436
West-Östlicher Dtvan. — 30, September 1815.
L/ocken, haltet mich gefangen
In dem Kreise des Gesichts!
Euch geliebten braunen Schlangen
Zu erwidern hab ich nichts.
Nur dies Herz, es ist von Dauer,
Schwillt in jugendlichstem Flor —
Unter Schnee und Nebelschauer
Rast ein Aetna dir hervor!
Du beschämst wie Morgenröte
Jener Gipfel ernste Wand.
Und noch einmal fühlet Goethe
Frühlingshauch und Sommerbrand!
Schenke her! Noch eine Flasche!
Diesen Becher bring ich ihr!
Findet sie ein Häufchen Asche,
Sagt sie: Der verbrannte mir.
Suleika:
Nimmer will ich dich verlieren!
Liebe gibt der Liebe Kraft.
Magst du meine Jugend zieren
Mit gewaltiger Leidenschaft.
Ach, wie schmeichelts meinem Triebe,
Wenn man meinen Dichter preist.
Denn das Leben ist die Liebe,
Und des Lebens Leben Geist.
Von Marianne v. Willemer.
437
Marianne von WilUmer, — West-östlicher Divan^ 1815.
L/asst mich weinen! Umschränkt von Nacht
In unendlicher Wüste.
Kamele ruhn, die Treiber desgleichen,
Rechnend still wacht der Armenier.
Ich aber neben ihm berechne die Meilen,
Die mich von Suleika trennen, wiederhole
Die wegverlängemden , ärgerlichen Krüm-
mungen.
Lasst mich weinen! Das ist keine Schande.
Weinende Männer sind gut.
Weinte doch Achill um seine Briseis I
Xerxes beweinte das unerschlagene Heer,
Ueber den selbstgemordeten Liebling
Alexander weinte. —
Lasst mich weinen! Thränen beleben den
Staub.
Schon grunelts.
438
Weimar y 24. Decemher 181 $-
Lust und Qual.
Knabe sass ich, Fischerknabe,
Auf dem schwarzen Fels \ta Meer
Und, bereitend falsche Gabe,
Sang ich, lauschend rings umher.
Angel schwebte lockend nieder.
Gleich ein Fischlein streift und schnappt ■
Schadenfrohe Schelmenlieder —
Und das Fischlein war ertappt.
Ach, am Ufer, durch die Fluren,
Ins Geklüfte tief zum Hain
Folgt ich einer Sohle Spuren,
Und die Hirtin war allein.
Blicke sinken, Worte stocken I —
Wie ein Taschenmesser schnappt,
Fasste sie mich in die Locken,
Und das Bübchen war ertappt.
Weiss doch Gott, mit welchem Hirten
Sie aufs neue sich ergeht! —
Muss ich in das Meer mich gürten.
Wie es sauset, wie es weht!
Wenn mich oft im Netze jammert
Das Gewimmel gross und klein.
Immer möcht ich noch umklammert
Noch von ihrw Armen ^ein!
43^
» Urworte. Orphisch.t — i8iy.
Dämon.
Wie an dem Tag, der dich der Welt ver-
liehen,
Die Sonne stand zum Grusse der Planeten,
Bist alsobald und fort und. fort gediehen
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So musst du sein, dir kannst du nicht ent-
fliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten,
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.
^
440
Wetntar, 5. März i8iy.
März.
JtLs ist ein Schnee gefallen,
Denn es ist noch nicht Zeit,
Dass von den Blümlein allen,
Dass von den Blümlein allen,
Wir werden hoch erfreut.
Der Sonnenblick betrüget
Mit mildem falschem Schein,
Die Schwalbe selber lüget,
Die Schwalbe selber lüget.
Warum? Sie kommt allein!
Sollt ich mich einzeln freuen,
Wenn auch der Frühling nah?
Doch kommen wir zu zweien.
Doch kommen wir zu zweien,
Gleich ist der Sommer da.
441
Jena^ 13. Februar 1818.
0
Um Mittemacht.
Um Mitternacht ging ich, nicht eben gerne,
Klein-kleiner Knabe, jenen Kirchhof hin
Zu Vaters Haus, des Pfarrers. Stern am Sterne,
Sie leuchteten doch alle gar zu schön —
Um Mittemacht.
Wenn ich dann ferner in des Lebens Weite
Zur Liebsten musste, — musste, weil sie zog,
Gestirn und Nordschein über mir im Streite:
Ich gehend, kommend, Seligkeiten sog —
Um Mittemacht!
Bis dann zuletzt des vollen Mondes Helle
So klar und deutlich mir ins Finstre drang,
Auch der Gedanke willig, sinnig, schnelle
Sich ums Vergangne wie ums Künftige
schlang —
Um Mittemacht.
442
Marianne von Willemer. — 2/. Juli 1818,
Ja! Die Augen warens! Ja! Der Mund,
Die mir blickten, die mich küssten.
Hüfte schmal, der Leib so rund,
Wie zu Paradieses Lüsten!
War sie da? Wo ist sie hin?
Ja! Sie wars! Sie hats gegeben.
Hat gegeben sich im Fliehn —
Und gefesselt all mein Leben!
443
Buch des Paradieses.
Buch des Paradieses.
I.
Einlass.
Huri:
lleute steh ich meine Wache
Vor des Paradieses Thor,
Weiss nicht grade, wie ichs mache,
Kommst mir so verdächtig vor I
Ob du unsem Mosleminen
Auch recht eigentlich verwandt?
Ob dein Kämpfen, dein Verdienen
Dich ans Paradies gesandt?
Zählst du dich zu jenen Helden?
Zeige deine Wunden an,
Die mir Rühmliches vermelden,
Und ich führe dich heran.
Dichter:
Nicht so vieles Federlesen!
Lass mich immer nur herein:
Denn ich bin ein Mensch gewesen
Und das heisst ein Kämpfer sein.
44}
n
Wesi-östlicher Divan. — Hof^ 24. April 1820.
Schärfe deine kräftgen Blicke!
Hier durchschaue diese Brust,
Sieh der Lebenswunden Tücke.
Sieh der Liebeswunden Lust!
Und doch sang ich gläubiger Weise :
Dass mir die Geliebte treu,
Dass die Welt, wie sie auch kreise.
Liebevoll und dankbar sei.
Mit den Trefflichsten zusammen
Wirkt ich, bis ich mir erlangt,
Dass mein Natn in Liebesflammen
Von den schönsten Herzen prangt.
Nein! Du wählst nicht den Geringern 1
Gib die Hand, dass Tag für Tag
Ich an deinen zarten Fingern
Ewigkeiten zählen mag.
445
Buch des Paradieses.
II.
Anklang.
Huri:
Draussen am Orte,
Wo ich dich zuerst sprach,
Wacht ich oft an der Pforte,
Dem Gebote nach.
Da hört ich ein wunderlich Gesäusel,
Ein Ton- und Silbengekräusel,
Das wollte herein I
Niemand aber Hess sich sehen,
Da verklang es klein zu klein —
Es klang aber fast wie deine Lieder,
Das erinnr' ich mich wieder.
Dichter:
Ewig Geliebte 1 Wie zart
Erinnerst du dich deines Trauten!
Was auch in irdischer Luft und Art
Für Töne lauten,
Die wollten alle herauf!
446
Auf der Karlshader Reise^ Mai 1820.
— - - -
Viele verklingen da unten zu Häuf,
Andere mit Geistes Flug und Lauf,
Wie das Flügelpferd des Propheten,
Steigen empor und flöten
Draussen an dem Thor.
Kommt deinen Gespielen so etwas vor,
So sollen sies freundlich vermerken.
Das Echo lieblich verstärken,
Dass es wieder hinunter halle.
Und sollen Acht haben,
Dass, in jedem Falle,
Wenn er kommt, seine Gaben
Jedem zu Gute kommen —
Das wird beiden Welten frommen.
Sie mögens ihm freundlich lohnen,
Auf liebliche Weise fügsam,
Sie lassen ihn mit sich wohnen:
Alle Guten sind genügsam.
Du aber bist mir beschieden,
Dich lass ich nicht aus dem ewigen Frieden.
Auf die Wache sollst du nicht ziehn,
Schick eine ledige Schwester dahin!
447
Buch des Paradieses.
III.
Suleika.
Dichter:
Ueine Liebe, dein Kuss mich entzückt I
Geheimnisse mag ich nicht erfragen,
Doch sag mir, ob du an irdischen Tagen
Jemals theilgenommen ?
Mir ist es oft so vorgekommen,
Ich wollt es beschwören, ich wollt es beweisen ;
Du hast einmal Suleika geheissen.
Huri:
Wir sind aus den Elementen geschaffen,
Aus Wasser, Feuer, Erd und Luft,
Unmittelbar, und irdischer Duft
Ist unserm Wesen ganz zuwider.
Wir steigen nie zu euch hernieder,
Doch wenn ihr kommt, bei uns zu ruhn,
Da haben wir genug zu thun.
Denn, siehst du, wie die Gläubigen kamen,
Von dem Propheten so wohl empfohlen.
448
Karlsbad, lo. Mai 1820.
Besitz vom Paradiese nahmen,
Da waren wir, wie er befohlen,
So liebenswürdig, so charmant,
Wie uns die Engel selbst nicht gekannt.
Allein der erste, zweite, dritte,
Die hatten vorher eine Favorite.
Gegen uns warens garstige Dinger,
Sie aber hielten uns doch geringer.
Wir waren reizend, geistig, munter —
Die Moslems wollten wieder hinunter.
Nun war uns himmlisch Hochgebomen
Ein solch Betragen ganz zuwider,
Wir aufgewiegelten Verschwomen
Besannen uns schon hin und wieder.
Als der Prophet durch alle Himmel fuhr,
Da passten wir auf seine Spur:
Rückkehrend hatt er sichs nicht versehn,
Das Flügelpferd, es musste stehn.
Da hatten wir ihn in der Mittel —
Freundlich ernst, nach Prophetensitte,
Wurden wir kürzlich von ihm beschieden.
Wir aber waren sehr unzufrieden.
Denn seine Zwecke zu erreichen.
Sollten wir eben alles lenken:
So wie ihr dächtet, sollten wir denken —
Wir sollten euren Liebchen gleichen!
Hartleben, Goethe- Brevier.
449 29
tVest-dstticher Divan.
Unsere Eigenliebe ging verloren!
Die Mädchen krauten hinter den Ohren.
Doch, dachten wir, im ewigen Leben
Muss man sich eben in alles ergeben.
Nun sieht ein jeder, was er sah,
Und ihm geschieht, was ihm geschah:
Wir sind die Blonden, wir sind die Braunen,
Wir haben Grillen, wir haben Launen,
Ja, wohl auch manchmal eine Flause —
Ein jeder denkt, er sei zu Hause.
Und wir darüber sind frisch und froh,
Dass sie meinen, es wäre so.
Du aber bist von freiem Humor,
Ich komme dir paradiesisch vor.
Du gibst dem Blick, dem Kuss die Ehre,
Und wenn ich auch nicht Suleika wäre.
Doch da sie gar so lieblich war.
So glich sie mir wohl auf ein Haar.
Dichter:
Da blendest mich mit Himmelsklarheit,
Es sei nun Täuschung oder Wahrheit.
Genug, ich bewundere dich vor allen.
Um ihre Pflicht nicht zu versäumen.
Um einem Deutschen zu gefallen.
Spricht eine Huri in Knittelreimen.
450
Buch des Paradieses,
Huri:
Ja, reim auch du nur unverdrossen,
Wie es dir aus der Seele steigt!
Wir paradiesische Genossen
Sind Wort und Thaten reinen Sinns geneigt.
Die Thiere, weisst du, sind nicht ausge-
schlossen,
Die sich gehorsam, die sich treu erzeigt!
Ein derbes Wort kann Huri nicht verdriessen,
Wir fühlen, was vom Herzen spricht,
Und was aus frischer Quelle bricht.
Das darf im Paradiese fliessen.
451 29»
Karlsbad^ Mai 1820.
IV.
Ausklang.
Huri:
Wieder einen Finger schlägst du mir ein!
Weisst du denn, wie viel Aeonen
Wir vertraut schon zusammen wohnen?
Dichter:
Nein ! — Wills auch nicht wissen 1 Nein I
Mannichfaltiger frischer Genuss,
Ewig bräutlich keuscher Kussl —
Wenn jeder Augenblick mich durchschauert,
Was soll ich fragen, wie lang es gedauert I
Huri:
Abwesend bist denn doch auch einmal,
Ich merke es wohl, ohne Mass und Zahl.
Hast in dem Weltall nicht verzagt.
An Gottes Tiefen dich gewagt.
Nun sei der Liebsten auch gewärtig!
Hast du nicht schon das Liedchen fertig?
Wie klang es draussen an dem Thor?
Wie klingts? — Ich will nicht stärker in dich
dringen,
Sing mir die Lieder an Suleika vor.
Denn weiter wirst dus doch im Paradies nicht
bringen.
452
Wefmary December 1822.
Paria.
Des Paria Gebet.
(jrosser Brama, Herr der Mächte,
Alles ist von deinem Samen,
Und so bist du der Gerechte!
Hast du denn allein die Bramen,
Nur die Rajas und die Reichen,
Hast du sie allein geschaffen?
Oder bist auch dus, der Affen
Werden Hess und unsers Gleichen?
Edel sind wir nicht zu nennen:
Denn das Schlechte, das gehört uns,
Und was Andre tödtlich kennen,
Das alleine, das vermehrt uns.
Mag dies für die Menschen gelten.
Mögen sie uns doch verachten —
Aber du, du sollst uns achten,
Denn du könntest alle schelten.
Also, Herr, nach diesem Flehen,
Segne mich zu deinem Kinde —
Oder Eines lass entstehen.
Das auch mich mit dir verbinde!
Denn du hast den Bajaderen
Eine Göttin selbst erhoben —
Auch wir Andern, dich zu loben.
Wollen solch ein Wunder hören.
453
Gofthe 182.3: Afir drückten sich gewisse grosse
^
Legende.
Wasser holen geht die reine,
Schöne Frau des hohen Bramen,
Des verehrten, fehlerlosen,
Ernstester Gerechtigkeit.
Täglich von dem heiligen Flusse
Holt sie köstliches Erquicken —
Aber wo ist Krug und Eimer?
Sie bedarf derselben nicht.
Seligem Herzen, frommen Händen
Ballt sich die bewegte Welle
Herrlich zu krystallner Kugel I
Diese trägt sie, frohen Busens,
Reiner Sitte, holden Wandeins,
Vor den Gatten in das Haus.
Heute kommt die morgendliche
Im Gebet zu Ganges Fluthen,
Beugt sich zu der klaren Fläche —
Plötzlich überraschend spiegelt
Aus des höchsten Himmels Breiten
Ueber ihr vortibereilend,
Allerlieblichste Gestalt
Hehren Jünglings, den des Gottes
Uranfänglich schönes Denken
Aus dem ewgen Busen schuf.
454
Motive^ Legenden, uralt geschichtlich Überliefertes
Solchen schauend, fühlt ergriffen
Von verwirrenden Gefühlen
Sie das innere tiefste Leben,
Will verharren ih dem Anschaun,
Weist es weg, da kehrt es wieder —
Und verworren strebt sie fluthwärts,
Mit unsichrer Hand zu schöpfen.
Aber ach! Sie schöpft nicht mehr!
Denn des Wassers heilige Welle
Scheint zu fliehn, sich zu entfernen,
Sie erblickt nur hohler Wirbel
Grause Tiefen unter sich.
Arme sinken, Tritte straucheln,
Ists denn auch der Pfad nach Hause?
Soll sie zaudern? Soll sie fliehen?
Will sie denken, wo Gedanke,
Rath und Hilfe gleich versagt?
Und so tritt sie vor den Gatten.
Er erblickt sie. Blick ist Urtheil.
Hohen Sinns ergreift das Schwert er,
Schleppt sie zu dem Todtenhügel,
Wo Verbrecher büssend bluten.
Wüsste sie zu widerstreben?
Wüsste sie sich zu entschuldgen,
Schuldig — keiner Schuld bewusst?
Und er kehrt mit blutigem Schwerte
Sinnend zu der stillen Wohnung,
Da entgegnet ihm der Sohn:
455
so tief in den Sinn^ dass ich sie vierzig bis fünfzig-
»Wessen Blut ists? Vater! Vater U —
Der Verbrecherin! — »Mit nichten!
Denn es starret nicht am Schwerte
Wie verbrecherische Tropfen —
Fliesst wie aus der Wunde frisch.
Mutter, Mutter! Tritt heraus, her!
Ungerecht war nie der Vater,
Sage, was er jetzt verübt.« —
»Wessen ist es?« — Schweige! Schweige! —
»Wäre meiner Mutter Blut!!!
Was geschehen? Was verschuldet?
Her das Schwert! Ergriffen hab ichs!
Deine Gattin magst du tödten,
Aber meine Mutter nicht!
In die Flammen folgt die Gattin
Ihrem einzig Angetrauten,
Seiner einzig teuren Mutter
In das Schwert der treue Sohn.«
Halt, o halte! rief der Vater,
Noch ist Raum, enteil, enteile!
Füge Haupt dem Rumpfe wieder:
Du berührest mit dem Schwerte,
Und lebendig folgt sie dir.
Eilend athemlos erblickt er
Staunend zweier Frauen Körper
Ueberkreuzt und so die Häupter.
Welch Entsetzen! Welche Wahl!
456
i
Jahre lebendig und wirksam im Innern erhielt.
Dann der Mutter Haupt erfasst er,
Küsst es nicht, das toderblasste.
Auf des nächsten Rumpfes Lücke
Setzt ers eilig — mit dem Schwerte
Segnet er das fromme Werk.
Aufersteht ein Riesenbildniss. —
Von der Mutter theuren Lippen
Göttlich — unverändert — süssen,
Tönt das grausen volle Wort:
Sohn, o Sohn ! Welch Uebereilen !
Deiner Mutter Leichnam dorten.
Neben ihm das freche Haupt
Der Verbrecherin, des Opfers
Waltender Gerechtigkeit !
Mich nun hast du ihrem Körper
Eingeimpft auf ewige Tage?
Weisen Wollens — wilden Handelns
Werd Ich unter Göttern sein.
Ja, des Himmelsknaben Bildniss
Webt so schön vor Stirn und Auge —
Senkt sichs in das Herz herunter,
Regt es tolle Wuthbegierl
Immer wird 'es wiederkehren,
Immer steigen, immer sinken,
Sich verdüstern, sich verklären —
So hat Brama dies gewollt.
457
Mir schien der schönste Besitz^ solche werthe Bilder
Er gebot ja buntem Fittig,
Klarem Antlitz, schlanken Gliedern,
Göttlich — einzigem Erscheinen,
Mich zu prüfen, zu verführen.
Denn von oben kommt Verführung!
Wenns den Göttern so beliebt.
Und so soll Ich, die Bramane,
Mit dem Haupt im Himmel weilend,
Fühlen, Paria, dieser Erde
Niederziehende Gewalt.
Sohn, Ich sende dich dem Vater!
Tröste! — Nicht ein traurig Bussen,
Stumpfes Harren — stolz Verdienen
Halt euch in der Wildniss fest!
Wandert aus durch alle Welten,
Wandelt hin durch alle Zeiten
Und verkündet auch Geringstem:
Dass ihn Brama droben hört!
Ihm ist keiner der Geringste —
Wer sich mit gelähmten Gliedern,
Sich mit wild zerstörtem Geiste,
Düster ohne Hilf und Rettung,
Sei er Brama, sei er Paria,
Mit dem Blick nach oben kehrt,
Wirds empfinden, wirds erfahren:
Dort erglühen tausend Augen,
Ruhend lauschen tausend Ohren,
Denen nichts verborgen bleibt.
458
oft in der Einhildutfgskraft erneut zu sehen.
Heb Ich mich zu seinem Throne,
Schaut er Mich, die Grausenhafte,
Die er grässlich umgeschaffen,
Muss er ewig Mich bejammern:
Euch zu Gute komme dasl
Und Ich werd ihn freundlich mahnen,
Und Ich werd ihm wüthend sagen —
Wie es Mir der Sinn gebietet,
Wie es Mir im Busen schwellet.
Was Ich denke — was Ich fühle —
Ein Geheimniss bleibe das.
459
Weimar, Decetnber 1822.
Dank des Paria
Ijrosser Bramal Nun erkenn ich,
Dass du Schöpfer bist der Welten!
Dich als meinen Herrscher nenn ich,
Denn du lassest alle gelten.
Und verschliessest auch dem Letzten
Keines von den tausend Ohren,
Uns, die tief herabgesetzten,
Alle hast du neu geboren.
Wendet euch zu dieser Frauen,
Die der Schmerz zur Göttin wandelt!
Nun beharr ich anzuschauen
Den, der einzig wirkt und handelt.
460
Auf der Fahrt
Marienbader Elegie.
Und wenn der Mensch in seiner Qual versturnmf,
Gaö mir ein Gott zu sagen^ 7vas ick leide.
Was soll ich nun vom Wiedersehen hoften,
Von dieses Tages noch geschlossner Blüthe?
Das Paradies, die Hölle steht dir offen:
Wie wankelmüthig regt sichs im Gemüthe! —
Kein Zweifeln mehr I Sie tritt ans Himmelsthor,
Zu ihren Armen hebt sie dich empor.
So warst du denn im Paradies empfangen,
Als wärst du werth des ewig schönen Lebens.
Dir blieb kein Wunsch, kein Hoffen, kein
Verlangen,
Hier war das Ziel des innigsten Bestrebens,
Und in dem Anschaun dieses einzig Schönen
Versiegte gleich der Quell sehnsüchtger Thränen.
Wie regte nicht der Tag die raschen Flügel,
Schien die Minuten vor sich her zu treiben I
Der Abendkuss, ein treu verbindlich Siegel:
So wird es auch der nächsten Sonne bleiben.
Die Stunden glichen sich in zartem Wandern
Wie Schwestern zwar, doch keine ganz den
andern.
461
von Karlsbad
Der Kuss, der letzte, grausam süss, zer-
schneidend
Ein herrlichesGeschlecht verschlungener Minnen.
Nun eilt, nun stockt der Fuss, die Schwelle
meidend,
Als trieb ein Cherub flammend ihn von hinnen 1
Dass Auge starrt auf düstrem Pfad verdrossen.
Es blickt zurück. Die Pforte steht verschlossen.
Und nun verschlossen in sich selbst, als hätte
Dies Herz sich nie geöffnet, selige Stunden
Mit jedem Stern des Himmels um die Wette
An ihrer Seite leuchtend nie empfunden —
Und Missmuth, Reue, Vorwurf, Sorgenschwere
Belastens nun in schwüler Atmosphäre.
Ist denn die Welt nicht übrig? Felsen wände.
Sind sie nicht mehr gekrönt von heiligen
Schatten?
Die Ernte, reift sie nicht 1 Ein grün Gelände,
Zieht sichs nicht hin am Fluss durch Busch
und Matten?
Und wölbt sich nicht das überweltlich Grosse,
Gestaltenreiche, bald Gestaltenlose?
Wie leicht und zierlich, klar und zart ge-
woben,
Schwebt, Seraph gleich, aus ernster Wolken
Chor,
462
nach Eger
Als glich es ihr, am blauen Aether droben
Ein schlank Gebild aus lichtem Duft empor —
So sahst du sie in frohem Tanze walten,
Die lieblichste der lieblichsten Gestalten.
Doch nur Momente darfst dich unterwinden,
Ein Luftgebild statt ihrer festzuhalten.
Ins Herz zurück! Dort wirst dus besser finden,
Dort regt sie sich in wechselnden Gestalten.
Zu Vielen bildet Eine sich hinüber —
So tausendfach, und immer, immer lieber.
Wie zum Empfang sie an den Pforten weilte
Und mich von dannauf stufenweis beglückte.
Selbst nach dem letzten Kuss mich noch
ereilte,
Den letztesten mir auf die Lippen drückte —
So klar beweglich bleibt das Bild der Lieben
Mit Flammenschrift ins treue Herz geschrieben.
Ins Herz, das, fest wie zinnenhohe Mauer,
Sich ihr bewahrt und sie in sich bewahret,
Für sie sich freut an seiner eignen Dauer,
Nur weiss von sich, wenn sie sich offenbaret.
Sich freier fühlt in so geliebten Schranken
Und nur noch schlägt, für alles ihr zu danken.
War Fähigkeit zu lieben, war Bedürfen
Von Gegenliebe weggelöscht, verschwunden.
463
nach der Trennung
Ist Hoffnungslust zu freudigen Entwürfen,
Entschlüssen, rascher That sogleich gefunden!
Wenn Liebe je den Liebenden begeistet,
Ward es an mir aufs lieblichste geleistet:
Und zwar durch sie I — Wie lag ein innres
Bangen
Auf Geist und Körper, unwillkommner Schwere :
Von Schauerbildern rings der Blick umfangen
Im wüsten Raum beklommner Herzensleere.
Nun dämmert Hoffnung von bekannter Schwelle,
Sie selbst erscheint in milder Sonnenhelle.
Dem Frieden Gottes, welcher euch hienieden
Mehr als Vernunft beseliget — wir lesens —
Vergleich ich wohl der Liebe heitern Frieden
In Gegenwart des allgeliebten Wesens — :
Da ruht das Herz und Nichts vermag zu stören
Den tiefsten Sinn, den Sinn, ihr zu gehören 1
In unsers Busens Reine wogt ein Streben,
Sich einem Höhern, Reinern, Unbekannten
Aus Dankbarkeit freiwillig hinzugeben,
Enträthselnd sich den ewig Ungenannten —
Wir heissens : fromm sein I . — Solcher seligen
Höhe
Fühl ich mich theilhaft, wenn ich vor ihr stehe.
Vor ihrem Blick, wie vor der Sonne Walten,
Vor ihrem Athem, wie vor Frühlingslüften,
464
von Ulrike von Levetzow
Zerschmilzt, so längst sich eisig starr gehalten,
Der Selbstsinn tief in winterlichen Grüften.
Kein Eigennutz, kein Eigenwille dauert —
Vor ihrem Kommen sind sie weggeschauert.
Es ist, als wenn sie sagte: »Stund um Stunde
Wird uns das Leben freundlich dargeboten,
Das Gestrige Hess uns geringe Kunde,
Das Morgende zu wissen ist verboten —
Und wenn ich je mich vor dem Abend scheute.
Die Sonne sank, und sah noch, was mich freute.
Drum thu wie ich und schaue, froh verständig.
Dem Augenblick ins Auge l Kein Verschieben !
Begegn ihm schnell I Wohlwollend wie lebendig.
Im Handeln seis, zur Freude — seis dem Lieben !
Nur wo du bist, sei alles immer kindlich.
So bist du Alles — bist unüberwindlich.«
Du hast gut reden, dacht ich. Zum Geleite
Gab dir ein Gott die Gunst des Augenblickes,
Und jeder fühlt an deiner holden Seite
Sich Augenblicks den Günstling des Geschickes.
Mich schreckt der Wink, von dir mich zu ent-
fernen,
Was hilft es mir, so hohe Weisheit lernen.
Nun bin ich fern! Der jetzigen Minute,
Was ziemt denn der ? Ich wüsst es nicht zu sagen.
Ilartleben, Gocthc-Brcvicr.
465 30
am 5, bis 7. September 1823
Sie bietet mir zum Schönen manches Gute,
Das lastet nur, ich muss mich ihm entschlagen.
Mich treibt umher ein unbezwinglich Sehnen,
Da bleibt kein Rath als grenzenlose Thränen.
So quellt denn fort und fliesset unaufhaltsam !
Doch nie gelängs, die innre Glut zu dämpfen I
Schon rasts und reisst in meiner Brust ge-
waltsam,
Wo Tod und Leben grausend sich bekämpfen.
Wohl Kräuter gäbs, des Körpers Qual zu stillen,
Allein dem Geist fehlts am Entschluss und
Willen.
Fehlts am Begriff: wie sollt er sie ver-
missen I
Er wiederholt ihr Bild zu tausend Malen.
Das zaudert bald, bald wird es weggerissen,
Undeutlich jetzt und jetzt im reinsten Strahlen.
Wie könnte dies geringstem Tröste frommen?
Die Ebb und Fluth, das Gehen wie das
Kommen 1
Verlasst mich hier, getreue Weggenossen 1
Lasst mich allein am Fels, in Moor und Moos 1
Nur immer zu ! Euch ist die Welt erschlossen,
Die Erde weit, der Himmel hehr und gross!
Betrachtet, forscht, die Einzelheiten sammelt,
Naturgeheimniss werde nachgestammelt 1
466
gedichtet.
Mir ist das All, ich bin mir selbst ver-
loren,
Der ich noch erst den Göttern Liebling war.
Sie prüften mich, verliehen mir Pandoren,
So reich an Gütern — reicher an Gefahr.
Sie drängten mich zum gabeseligen Munde,
Sie trennen mich, und richten mich zu Grunde.
467 30*
Weimar
Bei Betrachtung von Schillers Schädel.
Im ernsten Beinhaus wars, wo ich beschaute,
Wie Schädel Schädeln angeordnet passten.
Die alte Zeit gedacht ich, die ergraute.
Sie stehn in Reih geklemmt, die sonst sich
hassten,
Und derbe Knochen, die sich tödtlich schlugen,
Sie liegen kreuzweis, zahm, allhier zu rasten.
Entrenkte Schulterblätter ! Was sie trugen,
Fragt niemand mehr — und zierlich thätige
Glieder,
Die Hand, der Fuss, zerstreut aus Lebensfugen.
Ihr Müden also lagt vergebens nieder:
Nicht Ruh im Grabe Hess man euchl Ver-
trieben,
Seid ihr herauf zum lichten Tage wieder.
Und Niemand kann die dürre Schale lieben,
Welch herrlich edlen Kern sie auch bewahrte.
Doch mir Adepten war die Schrift geschrieben,
Die heiligen Sinn nicht jedem offenbarte,
Als ich inmitten solcher starren Menge
Unschätzbar herrlich ein Gebild gewahrte,
46S
2S' und 26. September 1826.
Dass in des Raumes Moderkält und Enge
Ich frei und wärmefühlend mich erquickte,
Als ob ein Lebensquell dem Tod entspränge.
Wie mich geheimnissvoll die Form ent-
zückte !
Die gottgedachte Spur, die sich erhalten!
Ein Blick, der mich an jenes Meer entrückte.
Das fluthend strömt gesteigerte Gestalten.
Geheim Gefass, Orakelsprüche spendend !
Wie bin ich werth, dich in der Hand zu
halten ?
Dich höchsten Schatz aus Moder fromm
entwendend
Und in die freie Luft, zu freiem Sinnen,
Zum Sonnenlicht andächtig hin mich wendend.
Waskannder Mensch imL eben mehr
gewinnen,
AI s dass sich Gott-Natur ihm offenbare.
Wie sie dasFeste lässt zuGeist verrinnen,
Wi esie dasGeisterzeugte fest bewahre.
469
Gartenhaus^ Juni 1827.
Uämmmng senkte sich von oben.
Schon ist alle Nähe fem,
Doch zuerst emporgehoben
Holden Lichts der Abendstem!
Alles schwankt ins Ungewisse,
Nebel schleichen in die Höh —
Schwarzvertiefte Finsternisse
Widerspiegelnd ruht der See.
Nur am östlichen Bereiche
Ahn ich Mondenglanz und -Gluth,
Schlanker Weiden Haargezweige
Scherzen auf der nächsten Fluth.
Durch bewegter Schatten Spiele
Zittert Lunas Zauberschein,
Und durchs Auge schleicht die Kühle
Sänftigend ins Herz hinein.
470
Faust II. September 1827.
Wie sich Verdienst und Glück verketten
Das fallt den Thoren niemals ein —
Wenn sie den Stein der Weisen hätten,
Der Weise mangelte dem Stein.
471
Lynceus^ Faust ii. Afai 1831.
Zum Sehen geboren,
Zum Schauen bestellt,
Dem Thurme geschworen.
Gefällt mir die Welt.
Ich blick in die Ferne,
Ich seh in die Näh,
Den Mond und die Sterne,
Den Wald und das Reh.
So seh ich in allen
Die ewige Zier,
Und wie mirs gefallen
Gefall ich auch mir.
Ihr glücklichen Augen
Was je ihr gesehn,
Es sei wie es wolle,
Es war doch so schön!
472
Alphabetisches Register
der
Titel und Vers-Anfänge
Die Titel sind durch gesperrte Schrift
ausgezeichnet
I
J
Seite
Achy dass die innre Schöpf tingskraft ... 97
Ach^ mein Hals ist ein wenig geschwollen . . 297
Achy tnein Mädchen verreist/ 295
Ach^ mit diesen Seelen^ was macht er? . . 278
Ach^ neige ^ du Schmerzenreiche 112
Achy sie neiget das Haupt 300
Ach, um deine feuchten Schwingen .... 436
Ach! Unaufhaltsam strebet das Schiff . 322
Acht w/4f sehn ich mich nach dir 22
AUxander und Cäsar und Heinrich ... 230
Argerts Jemand^ dass es Gott gefallen 422
Alexis und Dora 322
Alle FreiheitS' Apostel sie waren 281
Alle neun^ sie winkten mir oft 270
Alle sagen tnir^ Kind 302
Alles erklärt sich wohl 290
Alles gehen die Götter ^ die Unendlichen . . 145
Alles kündet dich an! 395
Alles seh ich so gerne von dir 279
Alles, was ihr wollt 300
All-Leben 404
Als ich in Saarbriic k 20
Als ich still und ruhig spann 315
Als noch, verkannt und sehr gering .... 339
Amor als Landschaftsmaler .... 203
Amor bleibt ein Schalk und wer ihm, vertraut 234
Amyntas • . . . 360
An Auguste Gräfin zu Stolberg . . 145
3
Seite
An Charlotte Kestner 6i
An dem reinsten Frühlingsmorgen .... 320
An den Geist des Johannes Secundus . 142
An den Herzog 132
An den Mond 162
An den Schlaf 2
An die Schwestern Marie und Friederike 24
An ein goldenes Kreuz, das er am Halse
trug 127
An Frau von Stein 170
An Fried erike Oeser 8
An Gotter 53
Anklage 408
An Lili 131, 134
An Lotte 185
An meine Mutter .... .... i
An Mignon 335
An Schwager Kronos • , 98
^ln vollen Büschelzweigen 430
Angedenken du verklungner Freude . . . . 127
Anklang 446
Anmuthig Thal! Du immergrüner Hain . . 186
Antwort Gotters an Goethe .... 55
Arm am Beutel^ krank am Herzen . . 337
Arm und kleiderlos war das Modelten 296
Auf dem See I17
Auf Christiane R, . 86
Aus einem Briefe an Kestner .... 5*
Ausklang 452
Bauern unter der Linde 106
Der Becher 183
Bedecke deinen Himmel, Zeus lOO
Behandelt die Frauen mit Nachsicht! . . . 425
Bei Betrachtung von Schillers Schädel 468
Bei dem Glänze der Abendrot he 301
Beim Mondenschein im Paradeis 423
4
Seite
Beifn Zeichnen 137
Die Bekehrte 321
JBergschloss . 365
Der Besuch 212
Böcke f zur Linken mit euch! 280
Die Braut von Cor int h 346
Brief 103
Buch des Paradieses 444
Cäsarn war ich wohl nie 238
Chloe schwörety iie liebt mich 284
Cupido 206
CupidOf loser^ eigensinniger Knabe .... 206
AJa drohen auf jenem Berge .... 364, 365
Da hatt ich einen Kerl zu Gast 58
Dämmerung senkte sich von oben 470
Dämon 440
Das Gemeine lockt Jeden 302
Das ist dein eignes Kind nicht 272
Das Wasser rauscht^ das Wasser schwoll . . 164
Dass ich schweige^ verdriesst dich? .... 293
Deine Liebe^ dein Kuss mich entzückt/ , . . 448
Dem Geier gleich 158
Dem Herzog von Weimar zum Geburtstag 186
Dem Schicksal 138
Dem Schnee, dem Regen 136
Den Einzigen f Lotte, welchen du lieben kannst 185
Denn der Körper verlangt und 313
Derb und tüchtig 402
Der Deutsche dankt 410
Der du mit deinem Mohne 2
Der du von dem Himmel bist 135
Der Schäfer putzte sich zum Tanz , . . 106
Des Menschen Seele gleicht dem Wasser . . 167
Dichten ist ein lustig Handwerk ..... 280
Dichten ist ein Übermuth 402
5
Seite
Die Königin steht im hohen Saal . 377
Die Nebel zerreissen 319
Die schön geschriebenen 428
Diese Gondel vergleich ich ....... 264
Diesem Ambos vergleich ich 266
Diner zu Koblenz 91
Draussen am. Orte 446
Dreistigkeit 416
Du erstaunest und zeigst mir das Meer . . 295
Du hast uns oft im Traum gesehen . . , 6
Du mit deinen braunen Locken 411
Durch Feld und Wald zu schweifen .... 88
Edel sei der Mensch 179
Mhrett wen ihr auch wollt/ 2 16
Eigenthum 397
Ein Jeder hat sein Ungemach 170
Ein Meister einer ländlichen Schule . . 375
Ein Veilchen auf der Wiese stand .... 62
Eine einzige Nacht an deinem Herzen . . 292
Eine Liebe halt ich 264
Eine Liebe wünscht ich 299
Einen wohlgeschnitzten vollen Becher . . . 183
Eines ist mir verdriesslich vor allen Dingen . 244
Eines Menschen Leben^ was ists? 275
Ein las s 444
Einst ging ich meinem Mädchen nach ... 3
Ein zärtlich jugendlicher Kummer .... 17
Eis-LebenS'Lied . , 133
Es ist gut 423
Marienbader Elegie ' 461
Röfnische Elegien 204
Emsig wallet der Pilger! 268
Vene tianis che Epigramme 249
Epistel 305
Erlkönig 175
Ergo bibamus 379
6
Seite
Es fähret die pöetsche Wutk 170
Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht . 190
* S geschieht wohl, dass man an einem Tag . 85
Es ist ein Schnee gefallen 441
Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde . 25
Es stand eine herrliche Ceder . .... 70
Es war ein Buhle frech genung 68
Es war ein König in ThuU 65
Es war eine Ratt im Kellernest 125
Es war einmal ein König 108
Euch hedaur ich^ unglOckselge Sterne . . 182
Euch, o Grazien, legt 230
Der ewige fude *J2
Erschaffen und Beleben 399
Feierlich sehen wir neben dem Dogen . . . 264
Feiger Gedanken bängliches Schwanken . . . 139
Fetter grüne, du Laub 126
Fetwa 409
Der Fischer 165
Fragment 313
Frankreichs traurig Geschick 282
Frech und Froh 128
Frech wohl bin ich geworden 288
Freisinn 419
Freudvoll und leidvoll 129
Froh empfind ich mich nun 222
Fromm, sind wir Liebende 220
Füllest wieder Busch und Thal 162
Fürchte nicht, liebliches Mädchen 30 1
Fürsten prägen so oft 283
Ganymed 59
Gedichte sind gemalte Fensterscheiben . » . 391
Gefunden 396
Gegenwart 395
Geh/ Gehorche meinen Winken 214
7
Seite
Gehab dick wohl bei den hundert Lichtem 132
Geistes Gruss 90
Gern überschreit ich die Grenze 278
Gern verlass ich diese Hütte .,,.,. 5
Gesang der Geister über den Wassern 167
Der Gesang von der Ceder 70
Giesse nur, tränke nur fort 269
Glänzen sah ich das Meer 295
Ein Gleichniss 64
Das Glück 6
Glückliche Fahrt 319
Gott segne dich, junge Frau ..,•.. 31
Der Gott und die Bajadere 354
Götter, wie soll ich euch danken 294
Das Göttliche 179
Göttlicher Orpheus^ umsonst 291
Grabschrift 164
Grenzen der Menschheit 177
Gretchen . iio, 112
Grosser Brama, Herr der Mächte . . . . 453
Grosser Brama! Nun erkenn ich 460
Gross ist die Diana der Epheser . . . 392
Gut! Brav mein Herr 66
Guter Rath 85
Ha! Ich kenne dich^ Amor 292
Hab oft einen dumpfen, düstern Sinn ... 86
Halte! Halt einmal^ Unselige! . «... 147
Hans Adam war ein Erdenkloss 399
Hafis Dichterzüge^ sie bezeichnen ..... 409
Harzreise im Winter 158
Hatem 426
Hast du Bajä gesehen f 269
Hast du nicht gute Gesellschaft gesehen . . 288
Hat der alte Hexenmeister 342
Hegire 417
HeidenrÖslein 30
8
Seite
Heilger Eübusuud^ hasts getroffen . . . . 410
Heilige Leute^ sagt man^ sie wollten .... 287
Heiss mich nicht reden, heiss mich schweigen . 334
Herbstgefühl . . ; '. ii6
Herbstlich leuchtet die Flamme 229
HerZy mein HerZy was soll das geben , . . 114
Heute steh ich meine fVacJie 444
Hier bildend nach der reinen, stillen Natur . 237
Hier sind wir versammelt zu löblichem Ihun 379
Hoch auf dem alten Thurme steht .... 90
Hochzeitslied 4
Holde Lili, warst so lang 13 1
Hörest du, Liebchen, dcu muntre Geschrei , . 231
Ja/ Die Augen warens! Ja! der Mund .
Ja! in der Schenke hab ich auch gesessen .
Jägers Abendlied
Ich bin der wohlbekannte Sänger ....
Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer
Ich führt ein*n Freund zum Maidel jung .
Ich gedachte in der Nacht ....
Ich ging im Walde so für mich hin
Ich hab euch einen Tempel baut . .
Ich komme bald^ ihr goldnen Kinder
Ich schon bis an den neunten Tag .
Ich war ein Knabe warm und gut .
Ich weiss, dass mir nichts angehört .
Je gemeiner es ist, je näher dem Neide
Jeder Edle Venedigs kann Doge werden
Jeglichen Schwärmer schlagt mir ans Kreuz
„Jene Menschen sind toll^*, so sagt ihr , .
Jetzt, da Jeglicher liest
Jetzt fühlt der Engel, was ich fühle/ . .
Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten
Im ernsten Beinhaus wars, wo ichs beschaute
Im Felde schleich ich still und wild '. . .
Im Gegenwärtigen Vergangenes , .
9
443
420
130
374
314
94
431
396
47
23
55
164
367
284
267
282
283
19
305
358
468
130
400
Seite
Im holden Thal, auf schneebedeckten Höhen . 134
Im Schla/gemachi entfernt vom Feste ... 4
Im spielenden Bache 7
Immer halt ich die Liebste 261
In der Dämmerung des Morgens 294
In der Wüsten ein heiliger Mann .... 144
Ist denn so gross das Geheimniss 285
Ist doch keine Menagerie I19
Ist es dir Er?tst, so zaudre nicht länger . . 292
Ist es möglich/ Stern der Sterne ..... 432
Der ewige Jude 72
Jupiter PluviuSy heut erscheinst du . . , , 269
Kannst du, 0 Grausamer 224
Kaum erblickt ich den blaueren Himmel . 261
Kehre nicht, liebliches Kind^ die Beinchen . . 276
Kenner und Künstler 66
Kennst du den Ort^ wo die Citronen blühn . 199
Klein ist unter den Fürsten Germaniens . . 273
Kleine Blupien, kleine Blätter 29
Knabe sass ich, Fischerknabe 439
Knaben liebt ich wohl auch 302
Der König in Thule 65
Künstlers Abendlied 97
Künstlers Morgenlied 47
Lange haben die Grossen der Fronten Sprache
gesprochen 283
Lange sucht ich ein Weib mir 300
Lange Tag und Nächte stand mein Schiff . 140
Längst schon hält ich euch gern 285
Lass dich, Geliebte^ nicht reun 218
Lass regnen, wenn es regnen will .... 93
Lasset Gelehrte sich zanken und streiten . . 2lo
Lasst mich nur auf meinem Sattel gelten . . 419
Lasst mich weinen i Umschränkt von Nacht . 438
Legende 144
10
Seite
Legende vom Hufeisen 339
Liehe flössest du ein und Begier .... 292
Lieber^ heiliger^ grosser Küsser 142
Lied des Brander 125
Lied des Mephistopheles 108
Die Lieder des Harfners 197
Lilis Park 119
Locken^ haltet mich gefangen 437
Lust und Qual 439
jSlache der Schwärmer sich Schüler . . 265
Mache zum Herrscher sich der 267
Mahadöy der Herr der Erde 354
Mahomets Gesang 44
Mai fest . . 27
Mailied 381
Mamsell/ so launvich wie ein Kind ... 8
Manche Töne sind mir zuwider . . .• . . 243
März 441
Meeres Stille 319
Mehr, als ich ahnde te^ schön 254
Mein altes Evangelium 103
Meine Göttin 171
Meine Liebste wollt ich heut beschleichen . . 212
Meine Ruh ist hin HO
Mephistopheles singt zur Zither , . . . 109
Mignon 199, 334
Mit Botanik giebst du dich abf 289
Mit des Bräutigams Behagen 371
Mit einem gemalten Band 29
Mit Mädeln sich vertragen 128
Mit Pfeilen und Bogen 63
Mitternachts weint und schluchzt ich . . . 424
Morgenklagen 207
Müde war ich geworden 275
Der Musensohn 88
11
Seite
Nach Corinthus von Athen gezogen . . . 346
Nach Sesenheim 23
Die Nacht 5
Nachtgedanken 182
Nackend willst du nicht neben mir liegen . . 301
Nähe iio
Nähe des Geliebten 314
Natur und Kunst^ sie scheinen 370
Nennen dich den grossen Dichter 413
Neue Liebe y neues Leben I14
Nicht Gelegenheit macht Diebe 427
Niemand liebst du^ und mich 285
NikiaSf trefflicher Mann 360
Nimmer will ich dich verlieren / 437
Noch ist Italien^ wie ichs verliess ! .... 262
Nord und Süd und JVest zersplittern . . 417
Noth lehrt beten 267
Nun sitzt der Ritter an dem Ort .... 24
Nur^ wer die Sehnsucht kennt 200
ijb ein Epigratnm. wohl gut sei? .... 284
Ob erfüllt sei, was Moses 301
Obgleich kein Gruss, obgleich kein Brief von mir I
Ob ich dich lieber weiss ich nicht .... 21
O du los es f leidigliebes Mädchen 207
Offen stehet das Grab! 303
Oft erklärtet ihr euch als Freunde des Dichters 272
Oftmals hob ich geirrt 296
Oy gieb vom weichen Pfühle 373
O, wie achtet ich sonst auf alle Zeiten . . . 293
O, wie fühl ich in Rom mich so froh . . . 226
Parabel 375
Parin 453
Das Parzenlied 201
Prometheus , lOO
12
Seite
Der Prophet spricht 422
Proserpina 147
Itastlo se Liebe 136
Der Rattenfänger 374
Ritter Curts Brautfahrt 371
Römische Elegien . . , . . . 215, 254
Ros und Lilie morgenthaulich 400
Ruhig am Arsenal 268
Ruhig gelehnt in der Gondel durchfuhr ich . 263
^S gschieht wohl^ dass- man an einem Tag . 85
Sage, thun wir nicht recht? 282
Sage^ wie lebst du? Ich lebe! 294
Sagety Steine y mir an, o sprecht . . . • 215
Sagt es niemand, nur den Weisen . . . . 37^
Sah ein Knab ein Röslein siehn 30
Sämmtliche Künste lernt 272
,,Sanct Johannes im Koth** 269
Der Sänger 195
Sarkophagen und Urnen 260
Sass ich früh auf einer Felsenspitze . . 203
Der Schäfer putzte sich zum Tanz . . . 106
Schäfers Klagelied 364
Der Schatzgräber , 337
Schenke spricht 411 412 413
Schicke dir hier den alten Götzen! .... 53
,,Schläfst du noch immer?** ' 270
Schlechter Trost ... 424
Schon entrunzeln sich alle Gesichter . . . 279
Schöne Kinder tragt ihr 271
Das Schreien 3
Schüler macht sich der Schwärmer genug . 266
Schwarzer Schatten ist über dem Staub . . 434
Schwer erhalten wir uns den guten Namen 245
Seefahrt 140
13
Seite
Seh ich den Pilgriniy so kann ich mich nie . 264
Seht den Felsenquell . 44
„Seid doch nicht so /rech, Epigramme i^*- . . 284
Seitwärts neigt sich dein Hälschen . . . . 277
Selige Sehnsucht 406
Sitz ich allein, wo kann ich besser sein? . . 411
Sonett 370
Sorglos über die Fläche weg 133
So verwirret mit dumpf 277
Die Spinnerin 315
Die Spröde 320
Spute dich, Kronos 98
Staub ist eins der Elemente ...... 404
Suleika 448
Suleika Von Marianne von Willemer 427 436 437
Süss, den sprossenden Klee 265
Das Tagebuch . 382
Thoricht war es, ein Brot zu vergotten . . 303
TKut ein Schilf sich doch Jiervor 407
Tiefe Stillt herrscht im Wasser 319
Tolle Zeiten hab ich erlebt 282
Traurig, Midas, war dein Geschick .... 296
Trost in Thränen 3^^
Trunken müssen wir alle sein! 422
TJeber allen Gipfeln ist Ruh .
Uebcr die Wiese, den Bach herab .
Ueber Thal und Fluss getragen .
Uebers Niederträchtige Niemand sich
Um Mitternac ht
Um Mitternacht wohl fang ich an
Unbes tändigkeit
Und frische Nahrung, neues Blut
Und ich gehe meinen alten Gang .
Und so tändelt ich mir . . . •
bekluge
169
64
335
414
442
72
7
117
146
298
14
Der unverschämte Gast
Der untreue Knabe . . .
Seite
58
6S
Das Veilchen 62
Venetianische Epigramme 260
Versunken 3
Viele folgten dir gläubig 302
Vieles hob ich versucht, gezeichnet 271
Vieles kann ich ertragen 285
Volk und Knecht und Ueberwinder . . . . 435
Voll Locken kraus ein Haupt so rund . . 398
Vom Berge 118
Vom Himmel sank in wilder Meere Schauer . 415
Von allen schönen Waaren 317
Von wem, ich es habe, das sag ich euch nicht 105
Vor Gericht . 105
fVahrha/tes Märchen ,
Wanderers Gemütsruhe
Wanderers Nachtlied ,
Wanderers Sturmlied .
Der Wandrer ....
War üh ein häusliches Weib und hätte
Wären der Welt die Augen zu öffnen
Warum bist du, Geliebter ....
Warum leckst du dein Mäulchen . .
Warum, treibt sich das^ Volk so und schreit
Warum ziehst du mich unwiderstehlich
Was^auch Helden gethan
Was frommt die glühende Natur . .
Was hat foseph gewollt
Wa^hÖr ich draussen vor dem Thor
Was machst du mir vor Liebchens Thür
Was mit mir das Schicksal gewollt . .
Wasser holen geht die Reine ....
Was soll ich nun vom Wiedersehen hoffen
94
414
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"5
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289
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15
Seite
Was Spelunke nun sei, verlangt ihr zu wissen 287
Was vom Christenthum gilt 304
Wca war ein Goti^ der nur von aussen stiesse 394
Was weiss ich, was mir hier gefällt . ... 138
Weiss hat Newton gemacht aus allen Farben . 289
Weit und schön ist du Welt 299
Welch ein heftig Gedränge nach diesem Laden 267
Welch ein lustiges Spiel 293
Welch ein Mädchen ich wünsche mu haben . . 270
Welch ein Wahnsinn ergriff dich 280
Welch ein Zustand/ Herr . 412
Welche Hoffnung ich habe 299
Welcher Unsterblichen soll der höchste . . . 171
Wen du nicht verlassest, Genius 39
Wende die FOsschen »um Himmel . . 277
Wenn auf beschwerlichen Reisen 290
Wenn dem Papa sein Pfeifchen schmeckt . . 51
Wenn der uralte^ heilige Vater 177
Wenn du mir sagst, du habest als Kind . . 228
Wenn einen seligen Biedermann 61
Wenn ich, liebe Lih\ dich nicht liebte . . . 118
Wenn, in Dunst und Wolken verhüllt . . . 291
Wer kauft Liebesgötter? 317
Wer Lacerten gesehn 286
Wer nie sein Brod mit Thränen ass . . . 197
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind . 175
Wer sich der Einsamkeit ergiebt 198
Westwind^ Von Marianne van Willtmtr 436
Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen 440
Wie dem hohen Apostel ein Tuch .... 284
\ Wie die Winke des Mädchens 290
Wie du mir oft, geliebtes Kind 116
Wie herrlich leuchtet mir die Natur ... 27
Wie im Morgenglanae 59
Wie kommts, dass du so traurig bist . . . 368
Wie sich Verdienst und Glück verketten , .471
Wü sie klingeln, du Pfaffen 265
16
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Sehe
Wü van der künstlichen Hand geschnitzt . . 276
Wieder einen Finger schlägst du mir ein . . 452
Wiederfinden 432
Willkomm und Abschied 25
WilUt du die Freuden der Liebe 291
Wir hörens oft und glaübens wohl am Ende . 382
Wirkung in die Ferne 377
Wisst Ihr denn, auf wen die Teufel lauem . 408
Wisst ihr, wie ich gewiss euch Epigramme 281
Wo bist du itzt, mein unvergesslich Mädchen 20
Wonniglich ists^ die Geliebte verlangend . . 297
Worauf kommt es überall an 416
Wundem kann es mich nicht 288
Der Zauberlehrling , 342
Züret Stärke den Mann 251
Zu Ephesus ein Goldschmied sass .... 392
Zueignung zum Faust . 358
Zum Erdulden ists gut, ein Christ sein . . 304
Zum Sehen geboren 472
Zünde mir Licht an, Knabe 238
Zwei Bass- Arien zum Grosskophta . . . 210
Zwei der feinsten Lacerten 287
Zwei gefährliche Schlangen 256
Zwischen Lavater und Basedow 91
Zwischen Weizen und Korn 381
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Gedruckt tn zweitausend Exem-
plaren IN Franz Steins Buch-
druckerei MÖNCHEN IM. Sommer
UND Herbst 1905 00000
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